Entschädigung nach missglücktem Start ins Berufsleben
Am 1.8.2015 trat die promovierte Schulpsychologin Dr. W. nach erfolgreicher Bewerbung bei der Stadt Herne ihren Dienst als Schulpsychologin mit sechsmonatiger Probezeit an. Mitte Januar 2016 bekam die Frau nach fünfeinhalb Monaten die fristgerechte Kündigung zum Ablauf der Probezeit Ende Januar. Hauptsächlich wegen fachlicher Mängel, die die Stadt als Dienstherrin im Rahmen der Anhörung für den Personalrat "sehr ausführlich" auflistete. So hatte es schon das Arbeitsgericht unter Vorsitz von Richterin Große-Wilde am 7.4.2016 festgestellt, nachdem die Psychologin gegen die Kündigung Klage eingereicht hatte (halloherne berichtete). Die Sache hatte allerdings schon damals einen entscheidenden Haken. Die Klägerin hatte die Klagefrist versäumt und war zu spät zum Anwalt gegangen. Damit war die Kündigung wirksam, wie der Anwalt der Frau jetzt im Kammertermin die entsprechenden Anträge zurücknahm.
Nicht vom Tisch war allerdings ein nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu entschädigender, da möglicherweise "diskriminierender" Grund aus dem "Motivbündel" der Kündigungsgründe, wie die Richterin es jetzt formulierte. Die nach wie vor Arbeit suchende Schulpsychologin leidet an einem sogenannten "Tic". Laut Wikipedia ein "Krankheitssymptom, das eine kurze und unwillkürliche, regelmäßig oder unregelmäßig wiederkehrende und teilweise komplexe motorische Kontraktion einzelner Muskeln oder Muskelgruppen" beschreibt. Im konkreten Fall ein Schniefen, wenn sich die Betroffene in psychologisch angespannten Situationen befindet.Laut Wikipedia ist das zwar ein "einfacher vokaler Tic" wie beispielsweise "Räuspern oder Hüsteln", kann aber mit Blick auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) auch als "Behinderung" ausgelegt werden, wie das Gericht jetzt den städtischen Prozessvertretern Maykemper und Gansen zu bedenken gab. Das kann nach den Buchstaben des AGG zur Entschädigung von bis zu drei Monatsgehälterm für den Job führen, den der Bewerber eben nicht bekommen hat.
Die Stadt war im April im Gütetermin noch bereit, dem Vergleichsvorschlag des Gerichts auf Zahlung von 5.000 Euro zu folgen. Aber der Klägerseite schwebten 20.000 Euro vor, sodass die Kammer jetzt entscheiden musste. Die Stadt wurde verurteilt, "an die Klägerin 13.437 Euro und 42 Cent plus fünf Prozent Zinsen seit dem 13.4.2016 zu zahlen." Die Verfahrenskosten tragen die Parteien je zur Hälfte. (AZ 3 Ca 554/16)