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Sie hilft Menschen aus den Schulden: Andrea Leyk, Geschäftsführerin der Schuldnerberatung Herne.

Serie 'Frauen ins Scheinwerferlicht' über Andrea Leyk

Sie hilft Menschen aus den Schulden

Was als Serie zum Weltfrauentag begann, geht nun weiter. halloherne-Redakteurin Julia Blesgen spricht mit verschiedenen Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Dabei geht es unter anderem um ihre persönlichen Werdegänge, die Herausforderungen, denen sie sich stellen mussten oder was sie ihrem jüngeren Ich oder anderen jungen Mädchen nun mit auf den Weg geben würden. Alle weiteren Teile der Serie sind auf halloherne zu finden.

Dieses Mal berichtet Andrea Leyk, Leiterin der Herner Schuldnerberatung - einem Fachbereich des Evangelischen Kirchenkreises - über ihren Lebensweg und wie sie letztendlich in den Räumen an der Overwegstraße 31 landete. Leyk leitet seit rund acht Jahren die Schuldnerberatung und seit fast 30 Jahren ist sie bereits dort tätig. Doch das Erklimmen der Karriereleiter war für die heute 56-Jährige nicht immer einfach.

Sauerstoffmangel bei der Geburt führt zu Handicap

Bei ihrer Geburt bekommt Andrea Leyk zu wenig Sauerstoff. Dies hat zur Folge, dass Gehirnzellen absterben und sie eine spastische Lähmung der Beine entwickelt. Anstelle einer Grundschule soll sie deshalb eine Sonderschule besuchen. „Die Verantwortlichen dachten wohl damals: Wer schief läuft, ist nicht richtig im Kopf“, berichtet Leyk im Gespräch mit halloherne. Doch ihre Mutter setzt sich dafür ein, dass Andrea Leyk auf eine normale Grundschule kommt.

Wie sich zeigt, ist es die richtige Entscheidung. Im Jahr 1987 besteht Andrea Leyk erfolgreich ihr Abitur am Herner Otto-Hahn-Gymnasium. „Doch dann ging das Elend wieder von vorne los. Ich schrieb 130 Bewerbungen und bekam nur Absagen, was ganz deutlich auch etwas mit meinem Handicap zu tun hatte. Viele Unternehmen hielten mich für nicht so belastbar, wie eine gesunde junge Frau“, zeigt sich die Hernerin nachdenklich.

Das Arbeitsamt rät ihr, sich bei den Werkstätten für Behinderte (WfB) - heute wewole-Stiftung - für eine Ausbildung als Bürokauffrau zu bewerben. Dies tut Leyk nur widerwillig. Sie fürchtet eine erneute Stigmatisierung, wenn sie eine Stelle bei den WfB anfängt. Deshalb fällt sie absichtlich durch den Einstellungstest. Doch sie hat die Rechnung ohne den damaligen Ausbildungsleiter und später ehemaligen Leiter der WfB, Heinrich Schneider, gemacht. Er durchschaut das Vorhaben von Andrea Leyk und nach einer Aussprache stellt er sie ein.

'Weder Küsse noch Karriere'

Die Schuldnerberatung Herne hilft Menschen aus der Not.

Nach der Ausbildung verlässt Leyk die WfB und wird durch einen Vortrag der ehemaligen Leiterin der Herner Schuldnerberatung, Susanne Wolf, auf diesen Berufszweig aufmerksam. Ihr wird klar, dass dies eine Jobperspektive für sie sein könnte. Sie beginnt ein Studium der Sozialen Arbeit.

Während ihres Studiums fällt ihr das Buch „Weder Küsse noch Karriere. Erfahrungen behinderter Frauen“ von Sigrid Arnade (Anm. d. Redaktion) in die Hände. „Das Buch hat mich nachdenklich gemacht. Ich dachte: Klasse. So wird mein Leben jetzt aussehen. Ich werde weder Karriere machen, noch einen Mann bekommen. Denn Männer wollen meist keine Frau mit Handicap“, erinnert sich die heute 56-Jährige zurück.

Doch wieder einmal kommt es anders, als Andrea Leyk denkt. Sie absolviert das Anerkennungsjahr bei der Schuldnerberatung an der Overwegstraße und bekommt nach dem abgeschlossenen Studium dort auch einen Job. Sie kommt karrieretechnisch voran und übernimmt im Jahr 2017 die Leitung der Schuldnerberatung. Ihr Handicap ist dabei kein Hindernis.

Es funkte übers Internet

Andrea Leyk hat sich durchgekämpft.

Privat funkt es bei Andrea Leyk schon knapp zehn Jahre früher. Übers Internet lernt sie ihren heutigen Mann Frank kennen. „Wir haben damals vom 3. bis 13. September 2008 geschrieben und hatten direkt eine Verbindung zueinander. Frank wollte sich schon am ersten Tag direkt treffen, aber das ging mir dann doch zu schnell“, berichtet Andrea Leyk und strahlt dabei übers ganze Gesicht.

Am 14. September 2008 kommt es dann zum ersten Treffen von Andrea Leyk und ihrem Frank. Bis heute sind die beiden unzertrennlich. „Ich bin wirklich glücklich, einen Partner an meiner Seite zu haben, der mich in allen Lebenslagen unterstützt. Es dauerte zwar bis ich 40 war, aber letztendlich habe ich dennoch den Richtigen gefunden.“

'Keine Angst vor Stigmatisierung'

Heute leitet Andrea Leyk die Herner Schuldnerberatung, die als Fachbereich zum Evangelischen Kirchenkreis gehört. Obwohl sie mittlerweile im Rollstuhl sitzt, gibt es bei den Klienten keine Berührungsängste. „Viele nehmen es gar nicht wahr, dass der Rolli an der Seite steht. Wenn sie mich dann mal privat treffen, sind sie vielfach erstaunt, dass ich auf ihn angewiesen bin“, so die Hernerin.

Die Herner Schuldnerberatung - ein Fachbereich des Evangelischen Kirchenkreises - befindet sich an der Overwegstraße 31.

Weiter führt sie aus: „Viele, die zu uns in die Schuldnerberatung kommen, haben eh ihre eigenen Sorgen und achten zunächst nicht so auf mich. Für mein Team und mich ist es wichtig, dass die Menschen wissen, dass sie bei uns Hilfe finden. Viele haben Hemmungen und fürchten Stigmatisierungen, aber das müssen sie nicht. Niemand muss sich schämen, zu uns zu kommen. Wir wollen mit den Betroffenen gemeinsam an Lösungen und Wegen aus der Überschuldung arbeiten“, macht Leyk deutlich.

'Das eigene Licht nicht unter den Scheffel stellen'

Auf die abschließende Frage, was sie jungen Mädchen, die vielleicht auch ein Handicap haben, raten würde, sagt sie: „Stell dein eigenes Licht nicht unter den Scheffel. Geh offen damit um, was du nicht kannst, aber zeige auch, was du kannst. Ich bin überzeugt davon, jeder Mensch kann etwas besonders gut und das macht ihn einzigartig.“

Samstag, 17. Mai 2025 | Autor: Julia Blesgen