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Pit Grzans Muttern.

Peter Grzan - Ausstellung „Mutter“

Von Muttern und Großmuttern…

Pit Grzan mit seinen BILDschirmen.

Dülmen. Unter dem Titel Mutter eröffnet der Dülmener Kunstverein und die Familie Grzan-Grebenstein am Sonntag, 5. November 2017, 11 Uhr, eine Ausstellung des Multitalents Peter Grzan (gest. Juni 2014). Zwei Wochen lang werden auf 600 Quadratmetern im Fachzentrum Holthöwer, Telenkamp 6-9, circa 100 Objekte ausgestellt sein. Der selbsternannte Graf - Lo Graf von Blickensdorf -, in Berlin vielen eher bekannt als der Tortengraf, wird die Laudatio halten.

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Pit Grzan mit seiner Tochter, Saskia Grebenstein.

Peter Grzan hegte eine besondere Verbindung zu seinem Lieblings- „Künstlerbedarfsladen“-Holthöwer: Hier trafen seine kreativen Ideen auf technisches know-how, das die Realisation von Kunstwerken erleichterte. „Dies ist ein sehr passender Ort in Dülmen, den wir uns gut für seine Kunstwerke vorstellen konnten. Fast täglich fuhr er zu Holthöwer um alltägliche Dinge für die merkwürdigsten Aktionen und Kunstobjekte zu kaufen, zum Beispiel - Muttern“ sagte seine Tochter Saskia Grebenstein, die die Ausstellung kuratiert. Frei nach dem Motto: „Wenn Design Kunst ist, die sich nützlich macht – dann ist Kunst nutzloses Design.“ Unterstützt wird die Ausstellung von der VR Bank Westmünsterland und dem Fachzentrum Holthöwer.

Pit Grzan mit seinem Kunstwerk

Grzan studierte Kunst in Dortmund und in Kassel. Hauptsächlich arbeitete er in seinem Atelier in der Künstlerzeche Unser Fritz in Herne, dessen Mitbegründer er in den 70er Jahren war. Folglich genoss seine Arbeit im Ruhrgebiet mehr Aufmerksamkeit. Ziel der momentanen Ausstellung ist es zum einen, dass in Dülmen kaum bekannte Werk und die Vielfältigkeit von Peter Grzan als Künstler zu würdigen, zum anderen aber auch, sein reges Interesse an der Stadt Dülmen und sein Engagement für diese Stadt zu zeigen. Die Ausstellung beherbergt Objekte und Bilder aus den Bereichen Malerei, Design, Installation, Aktion… und nicht zuletzt Musik. Ein Video von 15 Minuten zeigt Interviews, Kunstwerke und Performances von Peter Grzan.

Pit Grzan.

Satire ist das Leitmotiv in Peter Gzans Werken. Er arbeitete für die Satirezeitschriften Pardon und Titanic, denen er bereits mit seiner ersten Arbeit, einer Puppe, die man selbst kreuzigen konnte, eine Klage der katholische Kirche einbrachte. Mit tiefsinnigem Humor und scharfem Wortwitz gab er gesellschaftspolitischen Aktionen Schlagkraft und verhalf ihnen zu der notwendigen Aufmerksamkeit. So wurde für die Mahnwache angesichts der Fukushimakatastrohe ein Notizbuch mit dem Titel „Ja-Panisch“ ausgelegt. Er sammelte Spenden für seine Aktion „Cash for Kaschmir“, machte Arbeiten für Kobe (Erdbebenkatastrophe in Japan).

Pit Grzan - Tastatur für Chinesen.

In der Fotoserie „Seien sie fies, schenken Sie uns ein Gruseln“, forderte er NRW Politiker und Bekanntheiten auf, einmal keine gute Miene zu machen, sondern auch einfach mal Grimassen zu ziehen. Es entstanden beeindruckende Portraits zum Beispiel von Franz Müntefering, Dr. Angelica Schwall-Düren, Götz Alsmann, Bela B., Gentleman… Er bemalte Kissen unter dem Motto Nachts besser schlafen können, ein Projekt gegen Massentierhaltung und nahm an der Kunstausstellung und Auktion „50 Jahre Unicef“ teil. Laut Grzan sollte die Kunst auch als gesellschaftliche Kraft wirken und nützliche Aspekte zeigen. In allen seinen Arbeiten ist der grzansche Wortwitz präsent.

Wolfgang Quickels (halloherne-Gründer) fotografiert die BILDschirme seines Freundes Pit Grzan.

Mit dabei und in Dülmen bereits bekannt, seine BILDSchirme, die um die Welt gingen. Zehn Sonnenschirme mit einem Durchmesser von etwa 3 m hat Peter Grzan bemalt. Die BILDschirme reisten im Jahre 2000 um die Welt und wurden an spektakulären Orten von mehreren Fotografen abgelichtet. Sie ersetzten Antennenschüsseln in sozialen Brennpunkten, sie waren unter anderem Wächter vor vom Abbruch bedrohten Häusern, schmückten Umzugswagen, Volksfesten oder Müllverbrennungsanlagen und versanken im Wasser der Adria. Im Jahr 2015 zur Kulturnacht beherbergten sie in Dülmen eine Cocktailbar und exotische Kostproben aus aller Welt, die die Dülmener Flüchtlinge als Beitrag zu dieser Kunstaktion darboten. Eine Aktion ganz im Sinne von Grzan, dessen Anliegen es immer war, Kunst als wirklichkeitsformende Kraft zu betrachten. Zu sehen sind der RomanTISCH, der PointilisTISCH, der KubisTISCH und der ExpressionisTISCH, eine Serie von Tischen, die Grzan geschaffen hat, um Kunstepochen für jeden verständlich darzustellen.

Pit Grzan im Museum.

Heute aktueller denn je, war 2003 seine Kunstaktion MAKE ART NOT WAR. Mehr als 6.000 Aquarellstifte mit dem Slogan MAKE ART, NOT WAR! wurden unter anderem an alle amerikanischen Kongressabgeordneten persönlich geschickt. Mit der Aufforderung: „Seien Sie kreativ - aber seien Sie besonders kreativ, Krieg - vor allem im Irak - zu vermeiden“. Die Abgeordneten wurden gebeten, kreative Exponate oder Reaktionen auf die Aktion zurückzusenden. Geplant war eine Ausstellung der Arbeiten. Aber die nach Amerika verschickten Pakete kamen gescannt und ungeöffnet zurück, das FBI hatte sicherheitspolitische Bedenken angemeldet. Die Reaktion aus Großbritannien war eine Danksagung des britischen Premierministers.

Pit Grzan als Museumswächter.

Herr Grzan passt auf… Fotos und Videos dokumentieren die Performance Grzans als Museumswächter. Der Hintergrund dieser Performance war, die Aussage einer Museumsdirektorin, die meinte sie würde mehr Künstler finden die ausstellen wollen, als Personen die auf Ausstellungen aufpassen. Die Reaktion kam prompt, Peter Grzan stellte sich als Museumswächter zur Verfügung. Leibesvisitationen und eine mystisch-märchenhafte Präsenz, veränderten die Aura des Museums. Irritation und Staunen war offenkundig.

Schon in den 70er Jahren performte Peter Grzan bei der Documenta in Kassel mit seiner WANDERAUSSTELLUNG „Wer sich bewegt, muss keine Standgebühr bezahlen.“ „…das variabelste Ausstellungssystem der Welt.“ Die Kunst, die Kunst dahin zu bringen, wo man sie braucht war sein Anliegen. Seit etwa 1975 erschien Peter Grzan mit umschnallbaren Bilderrahmen auf allerlei Kunstevents. „Galeristinnen in tubenförmigen Designerkostümen waren entzückt. Einige waren echauffiert, konnten sich aber meinem Argument, dass sie horrende Standgebühren zu zahlen hätten nicht verschließen.“ ( O-Ton Peter Grzan).

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Pit Grzan: Verleihung der Verdienstmedaille des Verdienstordens der BRD.

Am 5.1.2009 verlieh der Bundespräsident Prof. Dr Horst Köhler an Peter Grzan für seine Verdienste um Kunst und Kultur die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland. Übergeben durch Landrat Konrad Püning. Grzan in seiner Dankesrede: “Ich bin verzweifelt, ich setze mich hin, mit der Vorgabe etwas Feierliches zu schreiben und das einzige was mir einfällt ist: Was ist das Gegenteil von Landrat(d)? ein Citybike!” Nach der Verleihung fühlte Grzan sich "ausgezeichnet".

Pit Grzan - Bildschirm.