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Wundern sich über den Gast (Sebastian Rudolph als Paul Zeise) im Auto: Annett (Eva Löbau) und Olaf (Niels Bormann).

Revier-Premiere: Whatever Happens Next

Zur Revier-Premiere seines außergewöhnlichen Roadmovies Whatever Happens Next kommt der Regisseur und Drehbuchautor Julian Pörksen am Donnerstag, 13. Dezember 2018, um 21:15 Uhr ins Sweet Sixteen an der Immermannstraße 29 in der Dortmunder Nordstadt und damit zu engagierten Arthouse-Kinoenthusiasten, die gerade mit dem Kinoprogrammpreis NRW ausgezeichnet wurden. Den Scheck über 11.000 Euro überreichte beim Kölner Filmfest übrigens der Herner Schauspieler Joachim Krol.

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Carol Burandt von Kamekes statische Kamera verweilt lange auf dem Motiv einer ganz unspektakulären norddeutsche Landschaft, bis ein Radfahrer herangezoomt wird. Ohne ersichtlichen Grund hält dieser plötzlich an, stellt sein Rad an einen Weidenzaun – und verschwindet in wortwörtlichem Sinn im grünen Nichts. Drei Monate später auf dem Parkplatz eines Supermarktes. Ein Mann, es könnte sich um den Radfahrer handeln, schlendert ziellos umher, um sich durch die nicht abgeschlossene Beifahrertür in ein Auto zu setzen. Als der Fahrer, wie sich herausstellt ein Friedhofsgärtner, zu seinem Wagen zurückkehrt, ist er nicht wenig überrascht über den ungebetenen Gast, nimmt ihn aber nach kurzem Abwägen mit zu seinem Arbeitsplatz. Wo sich der Fremde einer Beerdigung anschließt...

Wie wollen wir leben? Und: haben wir überhaupt eine Alternative? In jungen Jahren, nach dem Abitur vielleicht oder spätestens nach dem Studium, sehnt man sich nach mindestens einem Sabbatjahr. Für eine Weltreise oder wenigstens die Durchquerung der USA auf eine der legendären Routen. Aber später, wenn man einen Beruf hat und Familie, kann man nicht so einfach aus dem Auto, aus dem Zug oder vom Fahrrad steigen, um sich für sein gewohntes Umfeld unsichtbar zu machen.

Anders der 43-jährige Paul Zeise (Sebastian Rudolph), der eines Tages einer plötzlichen Eingebung folgt und seine gesamte bürgerliche Existenz zurücklässt unter Einschluss seine Frau Luise (Christine Hoppe). Die beauftragt daraufhin den Privatdetektiv Ulrich Klinger (Peter Rene Lüdicke), ihren Gatten zu suchen und nach Hause zurück zu bringen. Ein Auftrag, der dem Ermittler zunehmend Probleme bereitet, hat er sich doch bald selbst in die so schnöde Verlassene verliebt.

Und Paul? Der schlägt sich als stets gut gelaunter, freundlicher Taugenichts, Schnorrer und Hochstapler durchs Land. Macht etwa für vier Wochen Station bei Silbermann (Hanns Zischler) und dessen Sohn Sebastian. Dabei hat diese bindungslose, radikal freie Lebensweise auch ihre Schattenseiten. Weil sie auf seine Mitmenschen nicht nur neidvoll-faszinierend, sondern eben auch kopfschüttelnd-provozierend wirkt. Diejenigen, die sich von ihm und seiner Freiheit angezogen, ja vielleicht gar inspiriert fühlen, befragen erst sich selbst und dann Paul, wie er das hinbekommt in unserer durchbürokratisierten Hightech-Welt.

Andere beschimpfen ihn als Schmarotzer, Betrüger und potentiellen Verführer, nachdem er sich ungebeten in ihr Auto gesetzt, in ihre Party eingeschleust oder in das Leben einer Kleinfamilie hineingedrängt hat. Mit stets freundlichem Gesichtsausdruck, aber schamloser Unerbittlichkeit. Flo (Eike Weinreich), Erasmus-Student in Lodz, sieht das lockerer und nimmt ihn mit nach Polen, wo Paul als Wohnungsloser durch die Straßen irrt und zwischenzeitlich in ein Krankenhaus einzieht, nachdem er sich mit einem Komapatienten angefreundet hat und nach dessen Tod für einige Zeit in seiner Wohnung lebt. Spätestens jetzt, mit dem einsamen Sterben des krebskranken Kunstmäzens konfrontiert, ist die anfängliche Leichtigkeit des Seins dahin. Paul macht sich Gedanken über seine eigene Zukunft, in denen die nach wie vor untröstliche Gattin Luise keinen Platz hat.

Nele (Lilith Stangenberg).

Mit einer Motorradclique auf dem Weg zurück nach Deutschland lernt Paul auf einer Raststätte die unbehauste, sprunghafte und jedenfalls etwas durchgeknallte 29-jährige Nele (Lilith Stangenberg) kennen – und verliebt sich sogleich in sie. Er lässt sich von ihr zur Weiterreise verführen und verlebt an ihrer Seite glückliche Tage in einer fremden Wohnung und in fremder Kleidung. Zum ersten Mal seit langer Zeit kann er sich eine Zukunft in Zweisamkeit vorstellen, als ihnen die Verfolger dicht auf die Pelle rücken. Als dann Neles Freunde auftauchen, platzt der Traum schlagartig. Paul, der sich auf einem Spielplatz kurz mit dem Detektiv austauscht und ihm durch die Blume grünes Licht bei seiner Gattin gibt, ist wieder ganz auf sich gestellt. Am Ende sehen wir ihn irgendwo in den Bergen an einer einsamen Bushaltestelle stehen...

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„Verloren sind sie alle, irgendwo“ sagt der Regisseur über seine Protagonisten, „freiwillig und unfreiwillig“. Sein deutsch-polnisches Roadmovie entwirft ein Mosaik aus Lebensgeschichten und Begegnungen mit eher traurigem Unterton – Befindlichkeitskino made in Germany fürs Arthouse-Publikum. Julian Pörksen, Freiburger des Jahrgangs 1985, hat bei Christoph Schlingensief assistiert, bevor er in Berlin und Leipzig studierte. Sein Stück Wir wollen Plankton sein wurde 2017 am Schauspiel Köln uraufgeführt, nach einem Kurzfilm ist Whatever Happens Next sein Langfilmdebüt, uraufgeführt am 21. Februar 2018 auf der Berlinale in der Sektion Perspektive Deutsches Kino. Beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2018 in Schwerin erhielt Pörksen den Defa-Förderpreis in der Kategorie Bestes Drehbuch sowie den Publikumspreis beim Baltic Debuts Filmfestival in Kaliningrad. Nach diversen Festivaleinladungen in Deutschland und Holland ist die 97-minütige deutsch-polnische Koproduktion am 8. November 2018 bundesweit in den Kinos gestartet, im Revier ist der vor allem durch seine Besetzung punktende Kino-Erstling, noch zu nennen Monika Lennartz als demente Großmutter Helga, jedoch erst am 13. Dezember 2018 zu sehen im SweetSixteen in der Dortmunder Nordstadt. Zum Start hat sich Julian Pörksen angesagt.

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  • Donnerstag, 13. Dezember 2018, um 21:15 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann