
Neu im Kino: Krystal
Taylor Ogburn (Nick Robinson) liegt entspannt am Strand und zeichnet Kreise in den Sand. Der 18-Jährige erinnert sich an ein Schlüsselerlebnis in der Kindheit, das sein Herz fast platzen ließ: Als sein kleiner Hund von einem rücksichtslosen Autofahrer überfahren wurde, legte er sich neben das tödlich verletzte Tier auf die Straße, um mit seinem Liebling zu sterben. Jahre später werden gezeichnete Figuren, die er in einem Pornoheft offenbar seines Vaters findet, zu lebendigen Freaks mit glühenden Augen. Aufgrund seiner Herzschwäche haben seine überfürsorglichen Eltern Wyatt (der Regisseur William H. Macy als Autor eines populären Lebenshilfebuches) und Poppy (Propellermutter: Felicity Huffman) dafür gesorgt, dass Taylors Leben ganz ohne Stress abläuft: ins Kino zu gehen ist ebenso tabu wie Sport zu treiben. Und auf gar keinen Fall soll er sich in jemanden verlieben oder gar Alkohol oder andere Drogen konsumieren wie sein selbsternanntes Künstlergenie von älterem Bruder Campbell (Grant Gustin).
Taylor hat einen lauen Job in der Kunstgalerie von Vera Greenwood (Kathy Bates), einer freundlichen älteren Dame, die ihm alle Freiheiten lässt. Auch die, während der Arbeitszeit die Galerie zu verlassen, um heimlich eine schöne, wesentlich ältere Frau zu verfolgen, der er am Vortag am Strand begegnet ist. Krystal Bryant (Rosario Dawson) hat ihn förmlich umgehauen, ist ihm wie eine märchenhafte Nixe erschienen, die gerade den Wellen entstiegen ist, um ihn zu verführen. Weshalb sein Herz dermaßen explodiert ist, dass Krystal die Rettung gerufen und den Jungen, kaum älter als ihr Sohn Bobby (Jacob Latimore), in die Klinik begleitet hat zu Dr. Lyle Farley (zwiespältiger, drogensüchtiger Charakter: William Fichtner). Nun also bemerkt Taylor, wie die geheimnisvolle Farbige in einem kirchenähnlichen Gebäude verschwindet – und folgt ihr auch in die Gruppe der Anonymen Alkoholiker, der überraschenderweise auch seine Chefin Vera Greenwood angehört. Der erstmals in seinem Leben Hals über Kopf verliebte Taylor beschließt, dieser Frau sein Leben zu widmen – obwohl und gerade weil sie farbig und zwanzig Jahre älter ist.
Die Mutter eines querschnittsgelähmten, auf den Rollstuhl angewiesenen Sohnes, mit dem er sich überraschend schnell anfreundet, gilt freilich in der bürgerlichen Welt der Ogburns als unmögliche Person: eine Süchtige auf Entzug, die noch dazu eine höchst zwielichtige Vergangenheit als Prostituierte mit sich herumschleppt, passt so gar nicht zum sonntäglichen Familienessen. Doch Taylor will es wissen, trinkt erstmals Alkohol, zieht am Joint seines Bruders Campbell, kleidet sich wie Marlon Brando und legt sich ein Motorrad zu. Als er sich schließlich noch todesmutig ihrem Ex Willie (Tip Harris) entgegenstellt, kann Krystal nicht länger seinen Avancen widerstehen – und erscheint tatsächlich zum Dinner in der Ogburnschen Villla. Was Papa Wyatt sogleich zur Whiskeyflasche greifen und Mama Poppy hysterisch werden lässt: der sich so intellektuell gebende Erfolgsautor kennt Krystal – und, wie sich bald herausstellt, auch Willie - aus längst verdrängten heißen Bikerzeiten…
Krystal kommt als Coming-Of-Age-Geschichte daher, arg moralisch gar vor dem Hintergrund christlicher Erweckung in Person der an Krebs erkrankten Vera Greenwood: Taylor muss sich endlich von der elterlichen Bevormundung lösen, sein Leben in die eigenen Hände nehmen und seine Dämonen durch Tätigkeit besiegen. Wozu er ausgiebig Gelegenheit erhält, nachdem so gut wie alles aus dem Ruder gelaufen ist: Krystal, unter dem Einfluss Willies rückfällig geworden, geht in einem billigen Motel unter Drogeneinfluss wieder ihrer Escort-Profession nach… In Wahrheit scheint der Film, der in unserer Region im Cinestar am Dortmunder Hauptbahnhof gezeigt wird, nur gedreht worden zu sein, um gut neunzig Minuten lang die in der Tat eindrucksvollen Kurven der schönen Rosario Dawson ins rechte Licht zu rücken. Der Schauspielerin gehört zudem durch die aktuelle MeeToo-Debatte auch diesseits des Großen Teiches die ganze mediale Aufmerksamkeit.