
Schmackhafter Brei vieler Köche
„Hoffmanns Erzählungen“ in Düsseldorf
Jacques Offenbachs unvollendet gebliebene phantastische Oper „Les Contes d' Hoffmann“, ein Jahr nach dem Tod des in Köln geborenen Komponisten 1881 an der Opera Comique in Paris uraufgeführt, ist noch im gleichen Jahr am Wiener Ringtheater erstmals auf Deutsch gesungen worden, da die Direktoren beider Häuser, Cavalho und Jauner, begeisterte Teilnehmer eines Hauskonzertes am Boulevard des Capucins waren, in dem der bereits sehr geschwächte Komponist am 18. Mai 1879 erstmals die Musik zu seiner einzigen Oper, „Hoffmanns Erzählungen“, vorstellte.
Die Opera fantastique stellt hohe Anforderungen an die Theatermacher vor und hinter den Kulissen. Sie spielt an vier verschiedenen Orten und vereint die entsprechende Anzahl von Handlungssträngen - in Lutters Weinkeller, der nach der Wiedervereinigung als Lutter & Wegner am Berliner Gendarmenmarkt zu neuem Leben erweckt worden. ist. Einst sind hier der Schauspieler Ludwig Devirent und der Regierungsrat E.T.A. Hoffmann, der am Kammergericht im Kreuzberger Collegienhaus tätig war, zusammengekommen. Und auch Heinrich Heine, Carl Maria von Weber, Christian Grabbe und Richard Wagner zeigten sich hier einem guten Tropfen nicht abgeneigt.
Der Weinkeller ist gestrichen
Der Weinkeller ist freilich in Düsseldorf gestrichen worden wie so manch‘ anderes liebgewonnene Detail. Dafür hat sich unsere Landeshauptstadt erneut als ein gutes Pflaster für wagemutige Bearbeitungen der deutschen Schauerromantik entpuppt: Nachdem im April 2013 eine knapp zweistündige Adaption des Regisseurs Markus Bothe mit dem unvergleichlichen Christian Ehrlich in der Titelrolle des Hoffmann im Schauspielhaus herausgekommen war, wurde nun zwölf Jahre später das Offenbachsche Original im Opernhaus gefeiert – nach fast dreieinhalb szenisch immer wieder neu überraschenden und musikalisch beglückenden Stunden. Obwohl nicht nur Dapertuttos Arie „Scintille diamante“ auf der Verlustliste einer Produktion steht, die bereits am 30. September 2023 an der Oper Graz Premiere feierte.
Fünfmal Schwarze Romantik

Viele Köche verderben den Brei? Kann man in diesem besonderen Fall nicht sagen, setzt er sich doch aus nicht weniger als fünf in sich abgeschlossenen Erzählungen der Schwarzen Romantik zusammen. Die in den Akten 1 und 5 von Tobias Ribitzki inszenierte Rahmenhandlung bezieht sich auf „Don Juan“ und „Klein Zaches genannt Zinnober“, der von der britischen Theatergruppe „1927“ multimedial gestaltete Olympia-Akt auf „Der Sandmann“ (Robert Wilsons Düsseldorfer Musical-Version von 2017 ist unvergessen), die vom australischen Figurentheater-Guru Neville Tranter mit lebensgroßen Klappmaul-Puppen ausgestaltete Antonia-Geschichte auf „Rat Krespel“ und das von der niederländische Choreographin Nanine Linning im vom Acqua alta überspülten Venedig angesiedelte Giulietta-Fragment auf „Die Abenteuer in der Sylvester-Nacht“.
Der Vorhang als Roter Faden
Unter der straff-fordernden musikalischen Leitung des französischen Komponisten, weltweit gefragten Dirigenten und Pianisten Frédéric Chaslin, dessen Karriere im zarten Alter von zehn Jahren als Orgel-Wunderkind in der Pariser Kathedrale Notre-Dame begann, führen Hoffmann (Rollendebüt für den bisweilen an seine Grenzen stoßenden rumänischen Tenor Ovidiu Purcel) und seine Muse in Gestalt des Freundes Niklaus (die wundervolle Mezzosopranistin Kimberley Boettger-Soller) als „Ankerfiguren“ in unverändertem Outfit (Kostüme: Silke Fischer, Irina Shaposhnikova) durch die Geschichten. Als weiterer Roter Faden dient der Vorhang als „das“ Theater-Element bereits in der Kammer des einsamen Dichters, der zu Beginn neben dem Weinglas auf seinem Schreibtisch eine Kerze anzündet. Die am Ende im versöhnlich stimmenden 5. Akt durch Niklaus erneut zum Leuchten gebracht wird.
Hoffmanns abgöttische Bewunderung für seine einstige Geliebte, die Opernsängerin Stella, die bei Offenbach zu Beginn als Donna Anna in Mozarts „Don Giovanni“ zumindest zu hören ist, hier aber stumm bleibt als heimliche Beobachterin der Schreibbemühungen des Dichters (die Statistin Justine Ritters), spielt erst im Schlussakt eine Rolle. Wie Ribitzki auch beim nur aus dem Off zu hörenden Herrenchor zum Notbehelf greifen muss, damit Ovidiu Purcel wenigstens das Lied von Klein Zaches, „Il etait une fois a la cour d'Eisenach“, anstimmen kann.
Verluste wettgemacht

Das sind Verluste, die das britische Trio aus Paul Barritt, Esme Appleton und Jennie Dunne im Olympia-Akt optisch und Elena Sancho Pereg mit ihrer Koloratur-Arie „Les oiseaux dans la charmille“ musikalisch rasch vergessen machen. Die Szene ist nun on stage (Bühne: Stefan Rieckhoff), die Olympia als Projektionsfläche Hoffmanns bis auf den Kopf der spanischen Sopranistin animiert – und Hoffmanns VR-Brille nostalgisch retro-designt. Backstage dann die Antonia-Tragödie, wobei Neville Tranter überflüssigerweise mit „Min“ eine Klappmaul-Puppe eines auch biologisch alten Verehrers der von der jungen kroatischen Sopranistin Darija Auguštan verkörperten todkranken Sängerin hinzuerfunden hat. Hier sind die Sänger, die jeweils mit einem Statisten auch die lebensgroßen Puppen führen, bisweilen szenisch arg gefordert. Da ist die Lösung mit gelernten Puppenspielern, wie sie das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier praktiziert, eindeutig die bessere.
Stark geforderter Chor
Apropos gefordert: Besonders im Giulietta-Akt mit der deutsch-äthiopische Mezzosopranistin Sarah Ferede als verführerische Kurtisane, die mit Hilfe von Schlémihl (der mexikanische Bariton Jorge Espino) und Pitichinaccio (aus Venezuela stammende Tenor Andrés Sulbarán) die Eifersucht Hoffmanns entfacht, glänzt der Chor der Rheinoper einmal mehr auch szenisch – und hier auch choreografisch. Aus dem reinen Haus-Ensemble unbedingt noch zu nennen der rumänische Bass Bogdan Taloş als Hoffmanns Gegenspieler, Stadtrat Lindorf, der auch den Partien der drei Bösewichter, des geheimnisvollen Augenhändlers Coppélius, des manipulativen Arzt Dr. Miracle sowie des dämonischen Dapertutto, überzeugt. Wie auch der Bass Thorsten Grümbel als Luther und Crespel sowie der Tenor Florian Simson als Nathanaël und Spalanzani.
Die Termine
Die weiteren Vorstellungen im Opernhaus Düsseldorf:
- Mittwoch, 23. April 2025, 19:30 Uhr
- Sonntag, 27. April 2025, 18:30 Uhr (Restkarten)
- Sonntag, 4. Mai 2025, 18:30 Uhr
- Sonntag, 25. Mai 2025, 18:30 Uhr
- Freitag, 30. Mai 2025, 19:30 Uhr
- Samstag, 7. Juni 2025, 19:30 Uhr
Karten unter operamrhein.de oder Tel. 0211 – 8935211.
Weitere Termine (3) anzeigen...
- Sonntag, 25. Mai 2025, um 18:30 Uhr
- Freitag, 30. Mai 2025, um 19:30 Uhr
- Samstag, 7. Juni 2025, um 19 Uhr
Vergangene Termine (2) anzeigen...
- Mittwoch, 23. April 2025, um 19:30 Uhr
- Sonntag, 27. April 2025, um 18:30 Uhr