halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Zoe Pastelle Holthuizen, Lou Haltinner und Yael Meier in „Blue My Mind“.

Neu im Kino

Blue My Mind

Für die Schweizerin Lisa Brühlmann steht die Meerjungfrau „als Symbol der Sehnsucht nach Freiheit, nach der weiblichen Urkraft und einer Welt ohne Grenzen jeglicher Art.“ In ihrem Langfilm-Debüt Blue My Mind, das am 1. November 2018 bundesweit startet, steht die Welt der 15-jährigen Mia (Luna Wedler) Kopf. Was mit körperlichen Veränderungen während der Pubertät zusammenhängt, aber auch damit, dass ihr Vater einen neuen Job in einer anderen Stadt angenommen hat. Kurz vor den Sommerferien der Umzug: neue Wohnung, neue Schule – keine Freunde. Mia ist im Vergleich zu Gianna (Zoe Pastelle Holzhuizen) und den anderen Mitschülerinnen ein graues Mäuschen aus der Provinz.

Anzeige: Glasfaser in Crange

Überschminkt und in schwarzen Klamotten geben sich Gianna, vernachlässigtes Scheidungskind aus wohlhabenden Verhältnissen, dem ihr Vater alle Freiheiten lässt, weil er nie Zeit für sie hat, und ihre besten Freundinnen Nelly (Lou Haltinner) und Vivi (Yael Meier) ganz cool und schon sehr erwachsen, schwänzen häufiger den Unterricht, um im Einkaufszentrum Shoppen zu gehen, trinken Alkohol, rauchen Tabak nebst anderen Drogen und hängen mit Jungs ab. Was die eine oder andere auf dem Klo schon 'mal zum Schwangerschafts-Schnelltest greifen lässt.

Weil sich Mia selbst als noch viel zu grün für ihr Alter findet, ist sie sogleich bereit, jeden Scheiß mitzumachen. Etwa chatten mit einem Mittdreißiger, der sich Teddy nennt und es natürlich nicht bei Internet-Kontakten belassen will. Als sich bei Mia kleine Häute zwischen den Zehen bilden, braucht sie eine ganze Weile – und blutige Selbstverstümmelungsversuche, bis sie sich einer Ärztin (Rachel Braunschweig) anvertraut. Die diagnostiziert Syndaktylie, eine angeborene anatomische Fehlbildung, welche sich vor allem in der Nichttrennung von Finger- und Zehengliedern ausdrückt.

Beim Hotel-Date mit Teddy macht Mia im letzten Moment einen Rückzieher, doch bei Sex und Drugs und Techno in einer Stadionbrache ist es dann soweit: das erste Mal mit dem allseits umschwärmten Klassenkameraden Roberto (David Oberholzer). Was ihr zunehmend Sorgen bereitet: bei den kleinen Schwimmhäutchen bleibt es nicht, die Transformation von Mias Unterleib schreitet unaufhaltsam voran. Sorgfältig verbirgt sie ihre Füße und Beine, kann aber weder beim Sezier-Fisch im Biologieunterricht noch im Aquarium daheim an sich halten: diese Meerjungfrau ist ein Raubtier. Und fühlt sich zunehmend im Element Wasser wohl, wovon Gianna profitiert: Mia, der inzwischen seitlich Kiemen wachsen, holt die schon Ertrunkene ins Leben zurück. Um sich zu betäuben, lässt sich die Nixe mit möglichst gleich mehreren Kerlen ein – und auf perfide Art missbrauchen.

Als Gianna sie aus deren Fängen befreit, kann Mia, der in der folgenden Nacht ein monströser Schuppenschwanz wächst, ihre körperliche Verwandlung nicht länger verheimlichen. Beide Freundinnen fahren ans Meer, in deren Fluten Mia mit einem letzten Gruß verschwindet...

Anzeige: Spielwahnsinn 2024

Coming of Age-Drama trifft Fantasy: „Blue My Mind“ ist eine mit reichlich Ekelfaktor verschärfte gruselige Parabel auf die körperlichen und seelischen Veränderungen in der Pubertät. Aber muss alles so alternativlos schlimm kommen, wie es Lisa Brühlmann, Zürcherin des Jahrgangs 1981, in der Koproduktion mit der Zürcher Hochschule der Künste und dem Schweizer Fernsehen beschreibt? Der 97minütige Streifen ist hierzulande nur im Düsseldorfer Metropol an der Brunnenstraße 20 zu sehen, obwohl er zahlreiche Auszeichnungen erhielt, darunter „Beste Regie“ Max Ophüls Wettbewerb 2018, „Bester Film“ Schweizer Filmpreis 2018, „Golden Eye Award“ und „Critics Award“ Zürich Film Festival 2017 und „Best First Feature Award“ Rom Film Festival 2017.

| Autor: Pitt Herrmann