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v.l. Jamilia Lasshab, Anna Brodsky und Chiara Cremon.

Integrationsratwahl: Fünf Frauen auf Liste 3

Politik von und für Migrantinnen

Wenn am Sonntag, 13. September 2020, auch in Herne die Wahl zum Integrationsrat (IR) ansteht (halloherne berichtete), dann haben 35.462 Personen mit ausländischen Wurzeln die Möglichkeit ihre Vertreter für den Rat zu wählen - aus fünf verschiedenen Listen. Am Mittwoch (26.8.2020) stellten drei Kandidatinnen der Liste 3 sich und ihre Ziele in der halloherne Redaktion vor. Die Liste 3, das sind die Interkulturellen Herner Migranten (IHM) , und es sind ausschließlich Frauen, die sich verstärkt für die Rechte der Frauen einsetzen wollen.

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Chiara Cremon kommt ursprünglich aus Italien und hat ein Kind. Sie ist Dozentin für italienisch und seit Jahren in der Gesellschaft zur Förderung der Integrationsarbeit in Herne (gfi) aktiv und arbeitet dort als Event-Managerin. Zudem gibt sie die unterschiedlichsten Nähkurse. Jamila Lasshab hat ihre Wurzeln in Marokko und vier Kinder. Sie leitet den monatlichen Frauentreff der gfi und das wöchentliche Sprachcafé. Anna Brodsky ist 2001 aus Russland nach Herne gekommen. Sie hat ein Kind und arbeitet an der VHS und an verschiedenen Sprachschulen als Dozentin für Fremdsprachen (Russisch und Englisch). Auf Listenplatz vier und fünf stehen die beiden Marokkanerinnen Nassira Boufeljat und Jamila Boukala.

Integrationswahl 2020 - 35.462 Personen dürfen sich beteiligen.

Cremon ist seit Jahren in der Stadt unterwegs und ihre Idee war es auch, Frauen für die Wahl zu gewinnen. „Es ist mir ein Anliegen, dass mehr Frauen in den IR gewählt werden. Ich kenne so viele Frauen, die aktiv sind und etwas bewegen könnten - wenn wir uns zusammen tun. Unsere unterschiedlichsten Netzwerke sind enorme Multiplikatoren.“ Das alles käme ja der eigenen Stadt zugute. „Herne ist eine bunte Stadt, die viele aktiven Menschen aus unterschiedlichsten Nationen beherbergt. Bei denen möchte ich die Lust wecken, sich zu engagieren."

Flyer der Liste 3: v.l. Jamila Lasshab, Chiara Cremon und Anna Brodsky.

Eine dieser Freundinnen ist zum Beispiel Jamila Lasshab. Auch Jamilas Ziel ist es, migrantische Frauen zu unterstützen und ihnen beim Ankommen in Herne zu helfen. Damit das gelingt, gibt sie unter anderem Kochkurse oder lädt zu Café-Nachmittagen ein. „Dort können wir uns ungezwungen unterhalten und näherkommen. Dort sprechen wir auch über die Probleme und ihre Lösungen."

Wählen gehen. (Symbolbild)

Anna Brodsky kann sich noch gut erinnern, wie es war als sie 2001 in dieses fremde Land gekommen ist und auf Unterstützung angewiesen war. „Ich war froh um jede Hilfe, die sich mir bot“, sagt sie. „Viele Migranten wissen oft gar nicht, woher sie Hilfe bekommen könnten. Ich weiß aus meiner eigenen Erfahrung um die gesamten Probleme die auftreten können, wenn man sich in einem modernen und auch fremden Land integrieren will. Heute möchte ich Menschen in einer ähnlichen Situation helfen."

„Eben weil Herne so bunt ist und viele Menschen ähnliche Probleme haben, ist es uns wichtig, dass wir nicht nur eine Gruppe von muslimischen Menschen sind, sondern sich diese Buntheit der unterschiedlichsten Nationen auch in unserer Liste 3 wiederspiegelt," sagt Anna. Wobei die Buntheit auch ihre Grenzen hat. Einen Mann würden sie in ihrer Liste nicht willkommen heißen. Wohlgemerkt: nur in der Gruppe nicht. Braucht ein Mann mit ausländischen Wurzeln Hilfe oder Rat, sind sie natürlich bereit ihn zu unterstützen. „Wir sind keine Feministinnen. Die Männer bekommen bei uns schon Hilfe.“ „Ja“, ergänzt Cremon mit einem Lächeln, „aber mit einem rosa Touch.“ Cremon glaubt, bei einer reinen Frauengruppe ist die Hemmschwelle für hilfesuchende Frauen nicht zu groß.

Die Frauen setzen sich ein für bessere Ausbildungsmöglichkeiten bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dazu zählt natürlich auch die Sprache, sowohl die Muttersprache, als auch Deutsch als Fremdsprache. Weil: „Sprache ist der Weg zur Kommunikation. Ohne Sprache bringt es nichts." Da sind sich alle drei einig. Verbessern wollen sie auf jeden Fall auch die KiTa Möglichkeiten, da viele Migrantinnen den Sprachunterricht nicht besuchen könnten, da sie keine Möglichkeit haben, ihre Kinder unterzubringen.

Weiterhin plädieren sie für mehr interkulturelle Angebote. Chiara: „Wenn du die Möglichkeit hast, eine dir unbekannte Kultur kennenzulernen, nimmt dir das die mögliche Angst oder das Unverständnis für bestimmte Dinge." „Ja, das hilft auf jeden Fall zu einer besseren Verständigung", sagt Jamilia, die auch dabei aus Erfahrung spricht.

Mund-zu-Mund-Propaganda

Auch wenn sie wegen der Corona-Pandemie keine Info-Veranstaltungen durchführen können, sind die Frauen guten Mutes, dass es vielleicht zwei von ihnen in den IR schaffen. „Wir setzen auf Mund-zu-Mund-Propaganda“, sagt Chiara, „die Leute kennen uns.“ Die drei setzen auf Gespräche mit ihren Bekannten, Freunden und Verwandten.

Aber Anna sieht auch ein grundsätzliches Problem: „Viele Menschen mit Migrationshintergrund wissen gar nicht, dass es einen IR gibt. Sie haben mich verständnislos angeschaut, als ich davon erzählte. Sie haben einfach keine Ahnung." Damit mehr Menschen wissen, was der IR ist und wer die Liste 3 ist und wofür sie stehen, hat eine Freundin von Chiara, eine Grafik-Designerin in Italien, einen Flyer gestaltet, auf dem ihre Schwerpunkte vermerkt sind. „Unsere motivierten Migranten, die sich für die Wahl interessieren, sind zwischen 35 und 60 Jahren alt“, erläutert Jamila.

Die Frauen der Liste 3 sind frohen Mutes, dass sie gewählt werden. Aber selbst wenn nicht, werden sie den Kopf nicht hängen lassen und sich natürlich weiter treffen und aktiv für die Buntheit ihrer Stadt Herne einsetzen.

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Nur 9,5 Prozent gingen 2014 zur Integrationsratswahl

Das Ergebnis für die Wahl 2014 zum Integrationsrat: Das Migrantenbündnis Herne (MBH) erhielt danach 45,7 Prozent der Stimmen, Die Linke 20,2 Prozent, Interkulturelle Herner Migraten (IHM) 8,7 Prozent und das Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) 25,3 Prozent.

| Autor: Carola Quickels
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