halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Die beiden Finalisten: Max Gebhard und Jule Weber

Sprechreiz - Der Poetry-Slam

Dichterschlacht auf dem Kanal

Moderator Jason Bartsch beim Poetry-Slam auf dem Kulturschiff

Zum "einzigen Slam auf den Wellen des Rhein-Herne-Kanals" - dem Sprechreiz - Poetry-Slam - kamen am Donnerstag (11.8.2016) rund 140 Menschen auf das Kulturschiff Friedrich der Große. Vier Slammer aus Deutschland trugen ihre Texte vor und stritten sich lyrisch um ein überdimensionales Kirmes-Herz mit der Aufschrift Kulturschiff Poetry Slam 2016. Die Publikums-Jury wurde an diesem Abend vor die Qual der Wahl gestellt, da alle Slammer auf einem hohen Niveau dichteten. Das Herz mit nach Hause nahm am Ende die 23-jährige Jule Weber aus Darmstadt, mit dem Hinweis darauf: "Darüber wird sich meine Tochter freuen".

Anzeige: Spielwahnsinn 2024
Poetry-Slam- Gewinnerin Jule Weber auf dem Kulturschiff

Am Anleger der Künstlerzeche Unser-Fritz startete die Fahrt an dem kühlen und verregneten August-Abend, und die Friedrich der Große schipperte unter anderem auch an der Cranger Kirmes vorbei, mit ihren zig-tausenden Lichtern. Unter Deck wurde es schnell muckelig warm - die Heizung des Schiffes blies aus allen Rohren und Jason Bartsch stimmte als Moderator das Publikum auf den Abend ein: Mit unterschiedlichen Applaus-Stärken (von 1 - 10) sollten die Gäste ihre Sympathien zu den einzelnen Poeten kundtun. "Wobei die 1 für die totale Katastrophe steht", sagte Bartsch, "und die 10 stellt der Weisheit letzten Schluss dar. Für eine 10 muss euch der Text so glücklich gemacht haben, dass ihr euren Nachbarn in die Seite piekst und sagt: Kuck ma, ich bin so glücklich."

Poetry-Slammer Danny Grimpe auf dem Kulturschiff

Damit Slam-Neulinge auch wussten, worauf sie sich an diesem ungewöhnlichen Austragungsort eingelassen hatten, nahm Bartsch die Sache selbst in die Hand und stellte sich als Opferlamm zur Verfügung. Er eröffnete den Slam mit seinem Text Heiterkeit als Recht auf Freiheit, den er als Paradoxon: Humor in Deutschland ankündigte. Lachen und Klatschen konnte so noch einmal geübt werden. Die undankbare, und wie immer schwierige Aufgabe als erster Slammer auf der Bühne zu stehen, kam dem Hamburger Danny Grimpe zu. Der 22-Jährige ließ sich über One-Night-Stands und ihre Folgen aus. Ihm folgte Anke Fuchs aus Bonn, die sich über die Rettung der Beziehung von Ehepaaren, die ihre Kosenamen im Tierreich finden, ausließ und mit Heimat einen zweiten Text zum Besten gab. Beide Slammer machten das Publikum nicht so glücklich wie von Bartsch gefordert - sie schafften es nicht in die nächste Runde.

Poetry-Slammerin Anke Fuchs auf dem Kulturschiff

Als nächstes betrat der 22-jährige Max Gebhard aus Berlin die Dichter-Bühne. Gebhard holte sich einen seiner Texte im Märchenland ab: Er zog die Jury mit einer Froschkönig-Interpretation in den Bann, verfrachtete anschließend die griechischen Götter in die Gegenwart und ließ sie auf Angela Merkel und Barack Obama treffen. Im Finale versuchte Max Gebhard mit dem Text Es war ein Mal seine Mathe-Phobie zu verarbeiten. Allerdings warnte er das Publikum: "Dieser Text ist schon etwas schwierig - man muss da um den Rechten Winkel denken." Ja, vielleicht war er wirklich zu schwierig, denn die zweite Finalistin, Jule Weber, gewann den Slam.

Anzeige: DRK 2024 - Job - PDL
Poetry-Slammer und Finalist Max Gebhard auf dem Kulturschiff

Die 23-jährige Darmstädterin überzeugte mit leisen Tönen. Sie erzählte von der Langeweile im Büro und ließ Holger vor dem Publikum lebendig werden. Holger, der zwischen Mausklick, Telefon, Mausklick in die Mittagspause entschwand, um anschließend wieder bei Mausklick, Telefon, Mausklick zu landen - zu seinem Leidwesen unbeobachtet von der Empfangsdame. In Jule Webers Texten sind die Momente des alltäglichen Lebens verwickelt. Sie erzählte über den Fallschirmsprung - gewonnen bei einem Abend den sie mit Trink-Spielen verbracht hat - und berichtete über das Dasein mit einem Kind. Mit ihrem Text Manchmal bin ich eine Heldin für dich - oder ich wäre es gern gab sie sich dem Selbstzweifel hin. Für das Publikum auf dem Kulturschiff war sie auf jeden Fall die Heldin des Abends - die Slam-Heldin.

Nicht nur klatschend auch per Punkte-Karte wurde abgestimmt.
| Autor: Carola Quickels