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Blick aufs Handy kostet Job nach 17 Jahren

Sortiererin S. sitzt in der Großbäckerei Brinker am Ende der Produktionshalle und kontrolliert optisch die auf einem Fließband vorbeilaufenden Brötchen, täglich bis zu einer Million, auf Inhaltsstoffe, die nicht in ein Brötchen gehören. Hygienisch ein Hochsicherheitsbereich, wie Rechtsanwalt Daniel Kuhlmann und Brinker-Personalleiter Schwalm jetzt der Kammer von Arbeitsrichterin Große-Wilde erläuterten. Die musste über die Klage der von Rechtsanwalt Schrage vertretenen und seit 17 Jahren bei Brinker beschäftigten Frau gegen die fristgerechte Kündigung vom 15. Dezember 2014 zum 30. Juni 2015 wegen Verstoßes gegen die strengen Hygienevorschriften des Unternehmens entscheiden.

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Nach zwei Abmahnungen wegen des Tragens privater Ohrenstöpsel hatte die Großbäckerei letztes Jahr gekündigt, nachdem die Mitarbeiterin beim Griff zum Handy in ihrer Handtasche beobachtet worden war, um nach ihrer Darstellung nach der Uhrzeit zu schauen. Dabei ist das Mitbringen sämtlicher privaten Dinge wie Schmuck, Handys, Geldbörsen, Zigarettenschachteln, MP-3-Playern oder Schlüsseln in diesem Bereich untersagt. Nachzulesen auf einem großen und farbig nicht zu übersehenden Hinweisschild vor der Sicherheitsschleuse zur Produktionshalle.

Die Klägerin, die nach eigenen Angaben zwischen zwei Öfen mit einiger Lärm- und Hitzebelastung arbeitet und aus familiären Gründen wegen der Kinderversorgung durch ihren Mann nach dessen Feierabend nur auf der Spätschicht arbeiten kann, begründete den zweimal abgemahnten Gebrauch privater Ohrstöpsel entgegen der Darstellung der Arbeitgeberseite damit, dass die angeblich bereit gehaltenen und in Tüten verpackten Ohrstöpsel der Firma in greifbarer Nähe weder von ihr noch anderen Kollegen der Spätschicht jemals gesehen worden seien. Und der Blick aufs Handy wegen der Uhrzeit um 17.35 Uhr gut anderthalb Stunden nach Spätschichtbeginn sei deshalb nötig gewesen, weil sie beim Blick auf die große Uhr in der Halle ihren Arbeitsplatz hätte kurzfristig verlassen müssen.

Außerdem sei sie auch deshalb auf das Mitführen privater Dinge an den Arbeitsplatz angewiesen, weil die Spinde der Mitarbeiter immer wieder mal aufgebrochen und ausgeplündert worden seien. Die Firmenvertreter hielten dagegen, dass solche Verstöße ein "sogenanntes KO-Kriterium" seien, weil ohne die Einhaltung der Produktions-Hygiene die Zertifizierung für Großkunden nicht möglich sei. Lärm und Hitze lägen nach Feststellungen von Arbeitsschutz-Beauftragten unter den zulässigen Grenzen, und eine vom Klägeranwalt ins Feld geführte "massive Ungleichbehandlung" durch die Duldung von Armbanduhren und Bärten bei männlichen Kollegen müsse die Klägerin schon belegen, damit das Unternehmen das nachprüfen könne. Außerdem enthalte das Display des Kontrollgeräts auch ein kleines Feld mit der Uhrzeit.

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Die Kammer versuchte vergeblich, die streitenden Parteien zu einer gütlichen Trennung nach so langer Beschäftigung zu bringen, "da das Arbeitsverhältnis jetzt doch schon belastet ist." Doch von mehr als Einhaltung der Kündigungsfrist bis zum 30. Juni 2015 mit Abrechnung auf der Basis eines Monatslohns von knapp 2.000 Euro brutto waren die Brinker-Vertreter nicht bereit. Das Urteil: Die Klage wurde abgewiesen. (AZ 3 Ca 14/15)

| Autor: Helge Kondring
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