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Arzt rettete Kleinkind mit Morphium im Blut

Als der damals acht Monate alte Joel am 1. Juli 2014 in Begleitung seiner Mutter (26) sowie ihrem damaligen Freund (24) kurz nach zehn Uhr in der Praxis des Kinderarztes Dr. Lars Vogler am Westring eintrafen, "war der kleine Junge dem Tod näher als dem Leben." So Amtsgerichtsdirektor Schrüfer am Dienstag (4.8.2015) am Ende einer fast dreistündigen Verhandlung mit dem damaligen Freund der Mutter als Angeklagtem.

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Der auch als Zeuge geladene Kinderarzt handelte damals sofort, nachdem er Atemnot, Blauverfärbung der Haut und die verdrehten Pupillen in den Augen des kleinen Jungen festgestellt hatte. Er massierte das Kleinkind, entnahm eine Blutprobe und sorgte umgehend für die Einlieferung in die Bochumer Kinderklinik. Knapp zwei Stunden später hatte das Kliniklabor ermittelt, dass der Junge elf Nanogramm Morphium pro Milliliter im Blut hatte. Verabreicht wohl am Morgen dieses Tages, wie Gutachterin Dr. Uta Müller von der toxologischen Abteilung der Rechtsmedizin in Essen vor dem Strafgericht den Zeitraum grob eingrenzte. Bei einer Halbwertzeit von ein bis vier Stunden für den Abbau von Morphium nach einer Wirkung von vier bis sechs Stunden eine wahrscheinlich doppelt so hohe Dosis bei der Verabreichung am frühen Morgen und für ein Kleinkind schon ein lebensgefährlicher Wert.

Da an diesem Morgen nur die Mutter und ihr seit einigen Wochen bei ihr lebender Freund Kontakt mit dem kleinen Jungen hatten, war auch der mögliche Täterkreis schnell eingegrenzt. Aber nachdem das Ermittlungsverfahren gegen die Mutter von insgesamt drei Kindern eingestellt worden war, konzentrierte sich der Verdacht auf den Freund. Der hatte theoretisch mehrfach die Möglichkeit, dem Kind unbemerkt das Morphium wohl in Form einer Tablette Hexal Morphin 10 mg einzugeben. Zuerst in der Nacht, als die Mutter schlief, oder unterwegs mit Nahrung vermischt, als Mutter, Freund und Kind zunächst beim Hausarzt der Frau in Holsterhausen waren, dann mit dem Bus wegen eines Termins beim Jugendamt nach Herne fuhren, den aber nicht wahrnahmen, als sie Veränderungen bei dem kleinen Joel feststellten und den Kinderarzt aufsuchten.

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Alles möglich, aber alles Spekulationen, wie das Strafgericht, Staatsanwältin Abts, Verteidiger Wolfgang Bruch und Rechtsanwältin Dr. Ingrid Schaal als Vertreter der Nebenkläger (Vater und Kind) nach zweieinhalb Stunden übereinstimmend die Prozessituation einstuften. "Eine schwache Beweissituation ohne einen einzigen konkreten Anhaltspunkt für eine Täterschaft an einem kleinen, hilflosen Geschöpf," wie Kammervorsitzender Schrüfer nach einer Zwischenberatung ankündigte, dass dieses Verfahren wohl mit einem Freispruch enden werde. Dem stimmten alle Beteiligten auch zu, wobei die Staatsanwältin sogar die "Möglichkeit eines Versehens" mit ins Auge fasste. (AZ 8 LS 73/14)

| Autor: Helge Kondring
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