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Eine Balkonszene wie bei „Romeo und Julia“: Ansel Elgort (Tony) und Rachel Zegler (Maria).

Rasante Spielberg-Verfilmung

West Side Story

New York, 1950er Jahre. San Juan Hill, ein ziemlich heruntergekommenes Viertel Manhattans, wird abgerissen für den Neubau des Lincoln Center. In den staubigen Ruinen des historischen Hausbestandes treffen zwei Straßenbanden aufeinander: Die von Riff (Mike Faist) angeführten Jets fühlen sich ganz amerikanisch, obwohl ihre – weißen – Mitglieder etwa polnische Namen tragen, welche sie als Abkömmlinge europäischer Einwanderer ausweisen. Sie wollen die Sharks und ihren Anführer Bernardo (David Alvarez) aus „ihrem“ durch die Gentrifizierung erheblich kleiner gewordenen Revier vertreiben, handelt es sich bei ihnen doch „nur“ um Latinos, junge Puertoricaner in zumeist prekären Lebensverhältnissen.

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Bernardos Schwester Maria (erste Kino-Hauptrolle für Rachel Zegler) ist gerade aus Puerto Rico nach New York gekommen, um seinen Freund Chino (Josh Andrés Rivera) zu heiraten. Auf einem Tanzwettbewerb in einer Turnhalle trifft Riffs bester Freund Tony (Ansel Elgort), der sich innerlich freilich längst von den Jets losgesagt hat, auf Maria – und nun beginnt eine tragische Love Story, wie sie William Shakespeare bereits in seinem 1597 veröffentlichten Drama „Romeo und Julia“ angelegt hat. Welches die Grundlage bildet zum am 26. September 1957 im New Yorker Winter Garden Theatre uraufgeführten Musical-Welthit „West Side Story“ von Arthur Laurents (Buch), Stephen Sondheim (Liedtexte) und Leonard Bernstein (Musik).

Kameramann Janusz Kamiński hat die furiosen Choreographien, hier Arana DeBoss (Anita) und David Alvarez (Bernardo), mit elektrisierenden Perspektiven noch verstärkt.

Nach der ersten Verfilmung von Robert Wise und Jerome Robbins 1961 mit Natalie Wood, einer Weißen in der Rolle der Latina Maria, und der 1931 in Humacao/Puerto Rico geborenen Rita Moreno, die für ihre Rolle der Anita, Bernardos Freundin und so etwas wie die ältere Schwester Marias, als erste Latina mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, hat sich Hollywood-Star Steven Spielberg vor allem aus politischen Gründen zu einem Remake entschieden, um ein Zeichen gegen die vom damaligen Präsidenten Donald Trump forcierte Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft zu setzen. Ist der über volle 156 Minuten so spannende wie musikalisch beglückende, für die ganz große Kinoleinwand produzierte Film doch bereits 2019 gedreht worden. Er sollte ursprünglich am 17. Dezember 2020 in unsere Kinos kommen, konnte coronabedingt aber erst am 29. November 2021 im Lincoln Center New York seine Uraufführung feiern – und startet nun bundesweit am 9. Dezember 2021 – auch in der Filmwelt Herne.

Drehbuchautor Tony Kushner, Mitte der 1990er Jahre ein bekannter Dramatiker in Deutschland („Angels in America“, „Perestroika“), und der am 18. Dezember 2021 seinen 75. Geburtstag feiernde Blockbuster-Regisseur Steven Spielberg haben – nach einem sage und schreibe einjährigen Casting - an mehreren Stellschrauben gedreht, um die gut sechzig Jahre alte Story für ein heutiges Publikum rasanter (grandiose Choreographien, in denen sich vor allem Ariana DeBose als Anita auszeichnet) und politisch korrekter (Stichwort: Wokeness) zu machen.

So hat die beim Dreh 89-jährige Rita Moreno nicht nur die Rolle des gutmütigen Ladenbesitzers Doc übernommen – als dessen lebenskluge Witwe Valentina. Sondern auch unmittelbaren Einfluss auf Songtexte genommen, um Vorurteile gegenüber ihrem Geburtsland auszumerzen, darunter auch der ikonische Hit „America“, in dem es bei Bernstein/Sondheim über Puerto Rico noch heißt: „Paradies der Hurrikane - / Insel der giftigen Fliegen! / Gut nur zum Kinder-Kinder-kriegen! / Und dann Geld ausleihen / Wenn die Babies schreien.“ Schließlich wird die Puerto-Ricanerin Maria von der jungen Sängerin, Schauspielerin und YouTube-Video-Produzentin Rachel Zegler verkörpert, 2001 in New Jersey zur Welt gekommen als Tochter einer kolumbianischen Mutter und eines polnischstämmigen Vaters. Für sie gabs in den USA bereits erste Preise, weitere dürften folgen.

Preiswürdig auch der polnische Cinematograph Janusz Kamiński, Oscar-Preisträger für „Schindlers Liste“ und seitdem Steven Spielbergs bevorzugter Kameramann (zweiter Oscar für „Der Soldat James Ryan“), für ungewöhnliche Perspektiven nach dem Motto „Mittendrin statt nur dabei“.

Mittwoch, 8. Dezember 2021 | Autor: Pitt Herrmann