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Sinterwerke Herne: Zweitkündigungen

Die Sinterwerke Herne an der Forellstraße in Baukau, seit 2013 Nachfolgerin der BTMT auf dem früheren Bosch- und Blaupunkt-Gelände, sind mit den Folgen eines mit Betriebsrat und IG Metall im Juni 2015 abgeschlossenen und bis 2019 vereinbarten Standortsicherungsvertrages bisher nicht glücklich geworden. Das vor knapp drei Jahren mit zunächst 240 Arbeitsplätzen gestartete Unternehmen, von den Geschäftsführern Matusche und Dübbers nach einem Insolvenzantrag im April 2015 in Eigenverantwortung, dem sogenannten Schutzschirmverfahren, geführt, hatte nach Auftragsverlusten beim Großkunden Bosch den Personalbestand von 215 auf 181 reduziert. Deren Arbeitsplätze konnten allerdings nur mit erheblichen Verlusten bei Einkommen, Urlaubsgeld und Jahresleistung bis 2019 garantiert werden. 24 der übrigen 34 Mitarbeiter wurde Ende August 2015 mit der bei Insolvenzen verkürzten Frist von drei Monaten zum 30. November gekündigt, und zehn wechselten für sechs Monate mit 75 Prozent ihrer letzten Bezüge in eine Transfergesellschaft. Die Gekündigten zogen mit Anwälten und DGB-Rechtsschutz vor das Arbeitsgericht und rügten hauptsächlich eine Sozialauswahl, die ein Richter in einem Termin mit "Sozialauswahl mal umgekehrt" bezeichnete. Die Geschäftsleitung, vor Gericht durch Personalleiterin Wagner und den Hamburger Anwalt Hölk vertreten, hatte vor der Sozialauswahl die Arbeitnehmer, zumeist Anlagenbetreuer, herausgenommen, die man unbedingt behalten wollte. Das ging in den meisten Fällen schief, und die Kündigungen wurden daraufhin aufgehoben.

Anfang 2016 bekamen die ersten Arbeitnehmer nach erneuter Anhörung des Betriebsrats die zweite Kündigung, wieder gestützt auf "betriebsbedingte" und jetzt auch "personenbedingte Gründe." "Personenbedingt", so stellte sich jetzt in den ersten beiden Güteterminen vor der 1. und 5. Kammer heraus, waren längere Arbeitsunfähigkeiten eines 60 Jahre alten Anlagenbetreuers und eines 52 Jahre alten Kollegen aus dem Bereich "Prüfung und Verpackung", der im Dezember 2014 auf dringendes Anraten seines Orthopäden mit Einkommensverlust vom Sinterofen in die "Verpackung" versetzt worden war. Dem Sechzigjährige mit einem Arbeitsentgelt von monatlich zuletzt 3.879 Euro brutto, nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit 2008 seit Anfang 2015 durchgehend krank geschrieben, bot die Arbeitgeberseite jetzt eine Abfindung von 19.230 Euro brutto an. Das, so gab DGB-Justiziarin Zederbohm-Schröder Richterin Rohkämper-Malinowski zu Protokoll, wolle sich ihr Mandant bis zum 18. März überlegen. Der 52-jährige Kollege aus der "Verpackung", zwischen 2012 und 2014 insgesamt 137 Tage arbeitsunfähig und nach seiner Kündigung Ende August 2015 "psychisch aus der Bahn geworfen" und weitere 56 Tage krank, wollte die Arbeitgeberseite vor Richter Niehoff das gleiche Angebot, konkret 12.967 Euro brutto, machen. Doch in diesem Fall lehnte der ebenfalls vom DGB vertretene Klgfer ab. Und auch die Bedenken des Richters, "diese krankheitsbedingte Kündigung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen," zeigten keine Wirkung. Jetzt muss das Gericht Mitte Juni entscheiden. (AZ 1 Ca 272/16 u. 5 Ca 316/16)

Samstag, 27. Februar 2016 | Autor: Helge Kondring