
Historiker Ralf Piorr veröffentlicht 'Der Staatsdiener'
Eine Arbeitsbiografie über Hermann Meyerhoff
Die Biografie des ehemaligen Herner Oberstadtdirektors und Träger der goldenen Stadtplakette, Hermann Meyerhoff, beschäftigt schon mehrere Jahrzehnte die Öffentlichkeit. So hing das Ölgemälde des unter anderem ehemaligen Stadtdirektors und Finanzdezernenten 60 Jahre im Sitzungssaal 212 des Herner Rathauses. Auf Initiative des sachkundigen Bürgers Udo Jakat wurde genau dieses Porträt im Jahr 2022 überprüft.
Von Weimarer Republik über das NS-Regime hinweg bis zur Bundesrepublik
Er machte die Eingabe, dass das Porträt Meyerhoffs abgenommen werden müsse, da er „aus heutiger Sicht stark in dem Geflecht des Nazi-Regimes verstrickt“ gewesen sein soll. Denn von der Weimarer Republik über das NS-Regime hinweg bis zur Bundesrepublik Deutschland hatte Hermann Meyerhoff leitende Funktionen in der Herner Verwaltung inne.
Im April 2023 beschloss der Ältestenrat der Stadt Herne, das Ölgemälde Meyerhoffs sowie die anderen Bilder von bekannten Herner Verwaltungspersönlichkeiten aus dem Sitzungssaal zu entfernen. So landete der Fall 'Meyerhoff' letztendlich auf dem Schreibtisch von Historiker Ralf Piorr. Der Stadthistoriker, hier im Einsatz als Publizist, erarbeitete anhand vieler Quellen eine Arbeitsbiografie von Hermann Meyerhoff. Diese stellte er am Mittwoch (7.5.2025) in den Räumen der Buchhandlung Koethers & Röttsches vor.
Meyerhoff war niemals NSDAP-Mitglied
Dass gerade dieser Ort gewählt wurde, hat einen Grund. Meyerhoff hat hier ab 1927 gewohnt. Er war erzkatholisch und sei Mitglied der Zentrums-Partei gewesen. Außerdem habe der Großvater von Buchhändlerin Elisabeth Röttsches hier die Zeitung Herner Anzeiger herausgegeben.
Piorr macht während der Vorstellung deutlich, dass Meyerhoff niemals Mitglied bei der NSDAP gewesen ist, aber dennoch hätte ihn die politische und weltwirtschaftliche Krise Anfang der 1930er-Jahre geprägt. Laut Ansicht des Stadthistorikers habe Hermann Meyerhoff den damaligen „nationalen Aufbruch begrüßt.“
Während seiner Beamtenlaufbahn habe er alle verordneten Maßnahmen erfüllt, wie beispielsweise die Abwicklung der Synagoge oder auch die Deportation von Sinti und Roma sowie Juden. Meyerhoff sei ein Staatsdiener gewesen, „der in der Weimarer Republik genauso gedient hat, wie im Nationalsozialismus“, berichtet Piorr.
Ein 'Vierteljude'

Jedoch sei in Meyerhoffs Biografie auch zu beachten, dass er selbst ein „Vierteljude“ gewesen sei. Seine Familie sei erst später zum Katholizismus konvertiert. Wäre dies bekannt geworden, hätte es natürlich gefährliche Auswirkungen für den Stadtdirektor bedeuten können. Aus diesem Grund hielt er diesen Teil seiner Vergangenheit geheim.
„Die Familie hatte während des NS-Regimes den Kontakt zueinander abgebrochen“, erläutert Ralf Piorr. Denn es wurde bekannt, dass die NSDAP herausgefunden hatte, dass sein Bruder Walter Meyerhoff, der in Göttingen lebte, nicht „rein arisch“ war. Somit wurde Walter Meyerhoff vom Regime drangsaliert. Hermann Meyerhoff habe möglicherweise auch um sein Wohlergehen und das seiner Familie gefürchtet.
Meyerhoff trug eine Kriegsauszeichnung
Ein Indikator dafür könnte auch ein von Ralf Piorr entdecktes Detail auf einem Archivfoto von Hermann Meyerhoff sein. Auf dem besagten Foto aus dem Jahr 1942 saß Meyerhoff neben dem neuen Gauleiter der NSDAP Westfalen-Süd und NS-Hardliner, Paul Giesler, und dem stellvertretenden Gauleiter Adolf Hoffmann. Dabei ist ganz deutlich seine Kriegsauszeichnung an Meyerhoffs linker Brust erkennbar.
„Meyerhoff hat sich für diesen Besuch sein Eisernes Kreuz 1. Klasse aus dem Ersten Weltkrieg angeheftet. Er wusste um die Gefährlichkeit Gieslers“, so der Herner Stadthistoriker.
'Sich selbst historisch hinterfragen'
Aber wie kann man nun die Person Hermann Meyerhoff im NS-Regime verorten? Für Piorr ist das nicht leicht zu beantworten. „Eine klare Antwort kann und will ich nicht geben. Es hätte Meyerhoff gut zu Gesicht gestanden, wenn er sich selbst historisch hinterfragt hätte“, sagt Piorr und spielt damit auf Meyerhoffs Werk „1933 bis 1945 - die Zeit des Nationalsozialismus. Ein kommunalhistorischer Rückblick“ aus dem Jahr 1963 an.
Er führt aus: „Ich kann einfach nicht verstehen, wie man 1963 ein solches Buch schreiben kann und sich nicht einmal selbst die Frage stellt: Was habe ich damals gemacht?“ Aber dieses außer Acht lassen der eigenen Verantwortung, sei prägend für die Nachkriegsgeneration gewesen.
Die Nachfahren von Meyerhoff stehen unterschiedlich zur Arbeit Piorrs. So habe ein Enkel, der Schauspieler und Autor Joachim Meyerhoff, beispielsweise das Nachwort zum Buch verfasst, der Enkel von Walter Meyerhoff habe eng mit Piorr in Bezug auf die Geschichte seines Großvaters zusammengearbeitet. Die weiteren Enkel von Meyerhoff stehen eher kritisch zur Arbeitsbiografie von Piorr.
„Staatsdiener“ ist im adhoc-Verlag erschienen. Das Buch kann für 15 Euro bei Koethers & Röttsches sowie bei anderen Buchhändlern erworben werden.