
Golden Globe für Glenn Close in der Titelrolle
Neu im Kino: Die Frau des Nobelpreisträgers
Connecticut 1992. Joe Castleman (Jonathan Pryce) ist vor dem morgendlichen Aufstehen an einem Quickie mit seiner Gattin Joan (Glenn Close) interessiert – und das nach 35 gemeinsamen Jahren. Doch er muss seinem hohen Alter Tribut zollen. Ein überraschender Anruf aus Stockholm tröstet ihn darüber hinweg: Der Nobelpreis für Literatur geht heuer in die USA. Sogleich kommt Leben in die luxuriöse Villa und Joan ist etwas besorgt, dass der Geehrte „den langen, anstrengenden Feier-Tag“ durchsteht.
Denn kaum dass Sohn David (Max Irons), dessen Kurzgeschichten leider nur seine Mutter toll findet, und die schwangere Tochter Susannah (Alix Wilton Regan) zur kleinen, improvisierten Feier eingetroffen sind, stehen auch Journalisten auf der Matte für eine Titelgeschichte der New York Times. Der Schriftsteller zeigt sich gerührt, vergisst auch nicht, den Anteil seiner Familie und besonders seiner Gattin am Erfolg zu würdigen.
Die muss sich, als sie Joe zusammen mit David zur Preisverleihung in die schwedische Hauptstadt begleitet, mit dem Damenprogramm aus Shopping und Kosmetikbehandlungen begnügen, während ihr Gatte im Mittelpunkt eines gewaltigen Organisationsaufwandes glänzt. Und heftig mit der jungen Fotografin Linnea (Karin Franz Körlof) flirtet. Obwohl Joan selbst nicht weniger ambitioniert schriftstellerisch tätig ist, behauptet Joe gegenüber der Presse: „Meine Frau schreibt zum Glück nicht.“ Joan nimmt sich lächelnd zurück, bleibt im Hintergrund aber stets bereit, ihrem Mann bei Bedarf unter die Arme zu greifen.
Auf dem Concorde-Flug nach Stockholm hatte sich ihnen der investigative Journalist Nathaniel Bone (Christian Slater) genähert, der schon seit Jahren über Joe Castleman recherchiert, um auch ohne dessen Zustimmung seine Biografie zu schreiben. Höflich, aber bestimmt wimmelte Joan ihn ab. Nun aber lässt sie sich gern von ihm in eine Bar einladen, das ist allemal besser als die für Nobelpreisträger-Gattinnen vorgesehene Sightseeing-Tour.
Rückblende, Smith College 1958. Die junge Joan (Glenn Closes Tochter Annie Starke) und ihre Kommilitoninnen besuchen ein Schreibseminar beim jungen, attraktiven Dozenten Joe Castleman (Harry Lloyd). Der zitiert Joyce und schreibt Botschaften auf Walnüsse. Joan rät er: „Verstecken Sie sich nie!“ Aus ihren Gesprächen in seinem Büro entwickelt sich ein Flirt, aus dem eine Affäre der Studentin mit ihrem verheirateten Hochschullehrer. Joe verlässt seine Frau samt Baby und zieht mit Joan in eine Studentenbude nach New York.
New York 1960. Joan trifft auf die Erfolgs-Schriftstellerin Elaine Mozell (Elizabeth McGovern), die ihr die Illusion raubt, in diesem Metier einmal selbst Karriere machen zu können: Niemand werde eine schreibende Frau ernst nehmen, geschweige denn ihre Texte verlegen. Als spätere Verlagsmitarbeiterin sieht sie dieses Urteil bestätigt – und bietet ihrem Verleger ein Manuskript ihres Gatten an, welches den Grundstein legt für den enormen Erfolg und letztlich auch den Nobelpreis.
Connecticut 1968. Joan korrigiert die Manuskripte ihres inzwischen bekannten Gatten, während sie nach außen die treusorgende Gattin und Mutter von David gibt. Stockholm 1992. Beim Bankett der Nobelpreisträger tanzt Joan mit dem schwedischen König – in dem Bewusstsein, dass es „ihr“ Preis ist. Danach verlässt sie vorzeitig die Gala…
Liebe, Leidenschaft und gesellschaftliche Rollenmuster in den Neunzigern: Meg Wolitzers Bestseller The Wife, 2003 in den USA erschienen und seit 2016 unter dem Titel Die Ehefrau auch auf Deutsch bei DuMont erhältlich, erzählt von einer tiefgreifenden Lebenslüge, die in der Leinwandadaption der amerikanischen Autorin Jane Anderson und des schwedischen Regisseurs Björn Runge binnen einhundert Minuten Stück für Stück aufgedeckt wird. Während im Roman der große Schriftsteller einen nicht besonders hervorgehobenen Preis in Helsinki bekommt, wird im Film der Nobelpreis daraus. Mit der seinerzeit noch nicht abzusehenden Pointe, dass der für Literatur aufgrund einiger Skandale im Auswahlgremium derzeit gar nicht verliehen wird.
Auch die Rolle des vom Vater als Schriftsteller missachteten Sohnes David ist für die Leinwand aufgewertet worden. Björn Runge, der auf der Berlinale 2004 für Morgengrauen den Silbernen Bären in der Kategorie Beste Ensembleleistung erhalten hat, gilt nicht von ungefähr als Schauspieler-Regisseur. Die Kamera von Ulf Brantas ist dem Genre der Literaturverfilmung entsprechend recht konventionell, rückt aber mit Close-Ups immer wieder die Gesichter der hervorragenden Protagonisten Glenn Close und Jonathan Pryce in den Mittelpunkt.
Die Frau des Nobelpreisträgers, zu sehen im Union Bochum, in der Camera Dortmund und im Essener Filmstudio Glückauf, lebt von der Ausdrucksstärke dieser beiden Schauspieler, die mit minimalem mimischem und gestischem Einsatz ganze Geschichten zu erzählen wissen. Für die bereits sechsfach für einen Oscar nominierte Glenn Close, die übrigens 1947 in Greenwich/Connecticut das Licht der Welt erblickte, sprang nach dem Hollywood Actress Award gerade der Golden Globe in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin heraus, vielleicht winkt der 71-Jährigen jetzt ihr erster und längst hochverdienter Oscar.