
Kulturwissenschaftler entwickelt für Ausstellung hyperrealen Dinnertisch
"Mahlzeit!": Essen im virtuellen Raum
Herne (lwl). Speisen wie im 18. Jahrhundert. Das können Besuchende ab dem 3. Oktober 2025 in der neuen Sonderausstellung „Mahlzeit! Wie Essen uns verbindet“ im LWL-Museum für Archäologie und Kultur in Herne. Kulturwissenschaftler Dominik Bönisch von der Hochschule Düsseldorf entwickelt aktuell mit einem Team aus Medieninformatiker und Kommunikationsdesigner einen virtuellen Esstisch. Mittels einer VR-Brille ("Virtual Reality", zu dt. virtuelle Realität) tauchen Besuchende ein in eine computerspielähnliche Umgebung. Bönisch: „Reale und virtuelle Welt vermischen sich und der Mensch wird Teil einer historischen Geschichte.“
Herr Bönisch, beschreiben Sie uns den "VR-Dinnertisch": Was erleben Besuchende dort?
Die Frage, vor der wir standen war: Wie kann man in Virtual Reality eine historische Essensszene nachstellen, die auch wirklich zu einem haptischen Erlebnis wird? Dabei ging es uns nicht so sehr um das Essen selbst, sondern um die Situation, also die Wahrnehmung. Das nennt man dann „immersives Storytelling“, eintauchendes Erzählen.
Was ist das Neue an der Anwendung?

Das Spannende und technologisch Neue ist, dass man in der VR-Brille nicht für sich und abgeschlossen vom Rest des Raumes ist, sondern sich im Modus des „seethrough“, des Durchsehens, oder „passthrough“ , des Durchgehens, befindet, wo der Besucher oder die Besucher:in die Echtwelt weiterhin wahrnimmt. Für die Sonderausstellung in Herne heißt das: Man nimmt Platz in einer Szene mit realem Tisch. Man sieht also diesen echten Tisch, kann ihn erfühlen, setzt sich hin. Sobald man die VR-Brille aufzieht, deckt sich die digitale Tafel. Dabei sieht man zwar seine eigenen Hände, kann sie auch verwenden, aber auf dem Tisch steht virtuelles Geschirr.
Drei Besucher können dabei gleichzeitig Platz nehmen und auch sie nehmen sich trotz der Brille gegenseitig wahr. Es sitzen aber auch noch drei computergenerierte Avatare mit am Tisch und - jetzt wird es spannend - diese Avatare führen die Besuchenden durch eine speziell entwickelte Geschichte, bei der alle ihre Rolle haben und miteinander interagieren. Die Charaktere, also die Avatare, wissen, wo man sitzt, weil die Lagepunkte der Brille überprüft werden können. Sie können die Besuchenden quasi direkt anschauen und ansprechen, so dass die Besuchenden sich im virtuellen Raum tatsächlich wahrgenommen fühlen.
Auch die Hände werden dank des „handtrackings“, der Handverfolgung, von der Brille erkannt und die Besuchenden können das Geschirr anfassen, hochheben und von allen Seiten anschauen. Das ist besonders reizvoll, weil einige der Gegenstände nur ein paar Meter weiter in einer Vitrine liegen.
Das „spatial Audio“, also Stimmen, die von rechts oder links kommen, verstärken den räumlichen Eindruck. Durch die historischen Figuren und das Setting fühlt man sich in die Zeit versetzt und gleichzeitig ist man ja durchaus an einem realen Ort. Damit ist die Illusion perfekt.
Das Ganze ist aber nicht nur eine spielerische Erfahrung, sondern es wird auch noch eine dichte Geschichte um ein spezielles Besteck aus Solingen erzählt. Dafür aber müssen die Leute dann ab Oktober ins Museum kommen - macht Spaß!
Sie erforschen die Auswirkungen neuer Technologien auf die Kunst. Wieso bringen Sie Ihre Forschungen in die Sonderausstellung „Mahlzeit!“ ein?
Ich beschäftige mich viel mit Visualisierungsmethoden und „Mixed Reality“, wo sich die natürliche Wahrnehmung mit einer künstlichen, computererzeugten vermischt. Welche Auswirkungen hat das auf die Gesellschaft? Wo sind Einsatzgebiete? Wie kann man damit besser umgehen? Ich arbeite dabei sowohl forschungsgetrieben als auch anwendungsbasiert. Für beides scheint mir das Museum der perfekte Ort zu sein. Gerade das LWL-Museum ist mit Projekten wie der Gaming App „Jo’s Memory“ oder den „Geistern der Vergangenheit“, einer Augmented-Reality-Anwendung, schon vorangegangen.
Neue Technologien und Methoden ermöglichen nicht nur in Computerspielen oder im Kino immersive Erlebnisse, sondern auch im Museum. Sie eröffnen den Besuchenden ganz neue Zugänge zu den Exponaten. Das will auch der VR-Dinnertisch in der neuen Sonderausstellung, wo das Eintauchen in den virtuellen Raum selbst zum Exponat wird.