
Mala Emde und John Magaro begeistern
„Köln 75“ im VHS-Filmforum
Anfang der 1970er Jahre. Im legendären Kölner „Café Campi“ spielt der britische Jazz-Saxofonist Ronnie Scott (Daniel Betts). Vera Brandes (Mala Emde) ist 16 Jahre alt und sieht mit ihrer besten Freundin Isa (Shirin Eissa) zu. Sie ist begeistert, kommt später mit Scott ins Gespräch. Am Ende des Abends steht ein Deal: Scott nimmt der jungen Frau das Versprechen ab, ihm eine Tour durch Deutschland zu organisieren.
Als Vera erst spät nach Hause kommt, muss sie eine Standpauke ihres Vaters (Ulrich Tukur) über sich ergehen lassen. Unbeirrt betritt sie absolutes Neuland: Heimlich bucht sie abends per Telefon aus der väterlichen Zahnarztpraxis Tourtermine für Ronnie Scott. Am Anfang noch zu zaghaft und wenig erfolgreich, gibt sich Vera bald tough als britische Agentin aus – und bald ist eine ganze Tournee zusammengestellt. Ronnie Scott ist begeistert und drückt ihr ein Bündel Banknoten in die Hand.
Keine 20 – und schon ein alter Jazzhase
Am anderen Morgen muss Vera einmal mehr mitanhören, wie ihr Vater seinen ewigen Unmut an der Familie auslässt: ihre Mutter Ilse (Jördis Triebel), ihr Bruder Fritz (Leo Meier) und sie selbst lauter Loser. Wenn der wüsste: Am Nachmittag bucht Vera in ihrem inzwischen angemieteten Büro Showtermine, nimmt mit Isa und ihrem Freund Jan (Enno Trebs) Drogen und hört aktuelle Musik - Can, Floh de Cologne, Ramones, Disco-Sound.
Aber in Köln geht es um Jazz. Und in Berlin, wo bei den Jazztagen die Größten der Größen auftreten. Die inzwischen 18-jährige Vera erlebt dort Miles Davis live - und ist fasziniert vom Solo-Auftritt Keith Jarretts (John Magaro) am Klavier. Sie setzt sie sich in den Kopf, dem eigenwilligen Pianisten ein Konzert in Köln zu buchen, im Januar 1975, in der Kölner Oper. Deren Direktor lässt sich überreden, besteht aber auf einer Vorkasse von 10.000 Mark. „Keine 20 – und schon ein alter Jazzhase“ titelt die Tageszeitung.
Vom Loser zur Managerin

Vera fliegt prompt von der Schule, wird von ihrer Mutter beschimpft, von ihrem Vater sogar geohrfeigt. Doch das Tischtuch ist noch nicht endgültig zerrissen: Mutter Ilse kommt mit einem Scheck über 10.000 Mark vorbei. Und stellt eine Bedingung: Wenn das Konzert ein Reinfall wird, muss Vera die Musik aufgeben.
Das Konzert kann also stattfinden. Keith Jarrett ist auf Tour, gibt jeden Abend ein anderes Konzert. Keine Noten, keine Vorbereitung. Nur Inspiration und Improvisation: Freiheit. Jarrett wird gefeiert wie ein Gott. Doch die Anstrengung hinterlässt Spuren, der Star wird von Rückenschmerzen geplagt, ist zunehmend gereizt, eigentlich am Ende seiner Kräfte. Mit Manfred Eicher (Alexander Scheer) von ECM Records an seiner Seite kämpft er sich in einem winzigen Auto durch Europa, um Geld zu sparen. Von Lausanne geht’s nach Köln.
Es geht um alles oder nichts
In der Domstadt mit im Bunde der us-amerikanische Jazzkritiker Michael Watts (Michael Chernus), der über den wortkargen Keith Jarrett schreiben soll. Und Vera Brandes, für die es um alles oder nichts geht. Sie weiß noch nicht, dass der Flügel auf der Bühne der Kölner Oper nicht der vertraglich zugesicherte Bösendorfer Imperial 290 ist, sondern ein ungestimmter Stutzflügel für Proben, bei dem die Hälfte der Tasten nicht anschlägt. Und dass das große Konzert damit kurz davorsteht, ihr mit Karacho um die Ohren zu fliegen, wenn sie nicht in allerletzter Minute an einem Freitagabend einen Flügel oder wenigstens einen Klavierstimmer auftreiben kann…
Fünfzig Jahre danach
Fünfzig Jahre sind vergangen seit diesem legendären Konzert am 24. Januar 1975 im Kölner Opernhaus am Offenbachplatz. Keith Jarrett improvisiert allein am lädierten Stutzflügel, dessen Defekte ihn zwingen, seine Improvisation ganz anders als gewöhnlich aufzuziehen. Die Aufnahmen dieses einmaligen Abends werden von ECM unter dem Titel „The Köln Concert“ veröffentlicht: Mit mehr als vier Millionen verkauften Exemplaren ist das Doppelalbum mit seinem ikonischen weißen Cover bis heute die meistverkaufte Jazz-Soloplatte und meistverkaufte Klaviersoloaufnahme weltweit.
Regisseur und Autor Ido Fluk, ein gebürtiger Israeli, der seit langer Zeit in New York lebt, ließ sich für „Köln 75“ von den wahren Begebenheiten inspirieren und erzählt nicht nur die Geschichte dahinter, sondern auch eine Rahmenhandlung mit der ihren 50. Geburtstag feiernden Vera Brandes (Susanne Wolff) und besagtem Journalisten Michael Watts als Erzähler. Hätte nicht sein müssen, fällt aber auch nicht weiter ins Gewicht gegenüber der brillanten Besetzung mit Mara Emde als eine junge, zielstrebige und emanzipierte Frau und leidenschaftliche Musikliebhaberin, die sich in einer männerdominierten Gesellschaft der turbulenten 1970er Jahre durchsetzt. Und mit John Magaro als hochkonzentrierter, sensibler Jazzpianist und begnadeter Improvisationskünstler.
Der 116-minütige Spielfilm „Köln 75“ ist vom 5. Oktober bis 3. November 2023 in Köln und Umgebung gedreht worden, die Szenen in der Oper dagegen im polnischen Lodz, weil die Dauerbaustelle Offenbachplatz inzwischen Dimensionen erreicht hat, die den Berliner Flughafen in den Schatten stellen. Auf die Uraufführung am 13. Februar 2025 in der Special-Reihe der 75. Berlinale folgte der Kinostart am 13. März 2025. Das Filmforum der Volkshochschule zeigt „Köln 75“ jetzt dreimal in der Filmwelt Herne: Am Sonntag, 25. Mai 2025, um 12:30 Uhr, am Montag, 26. Mai 2025, um 20:15 Uhr sowie am Mittwoch, 28. Mai 2025, um 17:30 Uhr.
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- Montag, 26. Mai 2025, um 20:15 Uhr
- Mittwoch, 28. Mai 2025, um 17:30 Uhr