
Freie Wohlfahrtspflege mit Appell an Politik
Die Leiharbeit in der Pflege begrenzen
Die massive Zunahme von Leiharbeit geht zu Lasten von Pflegebedürftigen, Pflegekräften und Einrichtungen, warnen die Wohlfahrtsverbände in NRW anlässlich des Tags der Pflege am Freitag (12.5.2023). Als Trägerin von fast 60 Seniorenzentren schließt sich der AWO Bezirk Westliches Westfalen der Kritik am System Leiharbeit an.
Die Personalnot treibt in Seniorenzentren, Pflegediensten und Tagespflegen skurrile Blüten. Fehlen Pflegekräfte, müssen diese teuer über Leiharbeitsfirmen eingekauft werden. Schon jetzt kosten Mitarbeitende eines Dienstleisters mindestens das Doppelte von tariflich bezahlten festangestellten Kräften.
„Land und Bund müssen Zeitarbeitsfirmen Grenzen setzen, sie dürfen sich nicht länger auf Kosten unserer Gesellschaft bereichern“, so Christian Woltering, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „Wir fordern eine stärkere Regulierung, Leiharbeit muss wieder auf ihre Kernaufgaben zurückgeführt werden.“ Der Einsatz müsse begrenzt, die Preise auf vergleichbares Tarifniveau gedeckelt sowie die Beteiligung der Anbieter an den Ausbildungskosten sichergestellt werden.
'Es entsolidarisiert die Pflege'
„Leiharbeit ist nicht nur teuer, sondern entsolidarisiert die Pflege. Die Zeche zahlen am Ende alle, die auf Pflege angewiesen sind“, so Elke Hammer-Kunze, Vorsitzende des Arbeitsausschusses Alter und Pflege der Freien Wohlfahrtspflege NRW und stellvertretende Geschäftsführerin des AWO Bezirksverbandes Westliches Westfalen.
„Pflege bedeute die Versorgung und Beziehungsarbeit mit Menschen, 24 Stunden täglich und sieben Tage in der Woche. Die Leiharbeitsfirmen ignorierten diesen Grundauftrag, etwa indem sie ihren Beschäftigten Wunscharbeitszeiten zusagen“, so Heike Strauss, Einrichtungsleitung im AWO-Seniorenzentrum Else-Drenseck an der Straße Am Katzenbuckel.
Das führe zu einem Zwei-Klassen-System unter den Mitarbeitenden: Die einen picken die Rosinen und stellen sich bei Arbeitszeiten, Gehalt und Privilegien besser. Und die Stammbelegschaft müsse das auffangen, weil sie Schichten tauschen, Pflegedokumentationen machen und ihre Zeit in Beziehungspflege zu den alten Menschen investieren.
Azubis nach Examen zur Leiharbeitsfirma und zurück
Personaldienstleister stellen keine Ausbildungsplätze und die damit verbundenen Ressourcen zur Verfügung. Sie profitieren im Rahmen ihres Geschäftsmodelles von den gut ausgebildeten Fachkräften, deren Ausbildungskosten die Dienste und Einrichtungen getragen haben. „Besonders absurd ist, dass unsere Auszubildenden direkt nach dem Examen von Leiharbeitsfirmen abgeworben werden, um dann an ihren ehemaligen Ausbildungsbetrieb verliehen zu werden“, so Elke Hammer-Kunze.
Hier werde ein Wirtschaftszweig gefördert, der mit Steuergeldern und der Not der Einrichtungen große Gewinne erwirtschafte und den Fachkräftemangel verschärfe, so die Kritik der Wohlfahrtsverbände. „Von den Kitas bis zur Eingliederungshilfe: Betroffen ist längst nicht nur die Pflege, weite Teile der sozialen Arbeit sind gefangen im System der Leiharbeit“, so Christian Woltering. „Die Politik muss den Auswüchsen der Leiharbeit schnellstmöglich einen Riegel vorschieben.“