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Ruhrfestspiel-Intendant Olaf Kröck mit Anne Liebtrau, Franziska Rieckhoff und dem Projektkoordinator Alois Banneyer.

Bilanz der Ruhrfestspiele 2021

Festivalsaison 2021 - digital und live - endet am Sonntag, 20. Juni 2021. Mit Live Vorstellungen von „Medea“ in der Regie von Michael Thalheimer und Constanze Becker in der Titelrolle als Gastspiel des Berliner Ensembles, digitalen Vorstellungen von „Care Affair“ von FRAUEN und FIKTION und einer Lesung von Daniel Kehlmann in der Reihe „…im Gespräch mit Denis Scheck“ gehen die diesjährigen Ruhrfestspiele in dieser Woche zu Ende.

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Die Ruhrfestspiele 2021 waren digital, hybrid und live. Unter Berücksichtigung der pandemischen Entwicklung hatten Olaf Kröck und sein Team unter der Maßgabe, die Ruhrfestspiele 2021 in jedem Fall durchführen zu wollen, seit Herbst vergangenen Jahres drei unterschiedliche Festivalszenarien geplant. Die flexible Strategie hat sich im Hinblick auf die Öffnung von Live Veranstaltungen als richtig erwiesen.

Deutschland-Premiere und digitale Uraufführung: „Sacre“ am 14. Mai 2021 bei den Ruhrfestspielen.

Olaf Kröck: „Für die 75. Ruhrfestspiele haben wir uns auf ein Abenteuer eingelassen. Wir haben alles darangesetzt, dass die Festspiele stattfinden. Darum haben wir neben dem digitalen Programm auch von Beginn an alle nötigen Vorbereitungen für ein Festival in Präsenz getroffen. Die Anstrengungen wurden mit inspirierenden digitalen Vorstellungen und vielen bewegenden ersten Begegnungen von Künstler und Zuschauer nach langer Zeit der Distanz belohnt – mit Inhalten und Kunst. Es gibt ein spürbar großes Bedürfnis, gesellschaftliche Fragen der Gegenwart und Zukunft in den verschiedensten Formen der Künste verhandelt zu sehen, um sich beim gemeinsamen Erleben darüber auszutauschen.“

Die Ruhrfestspiele waren auch 2021 ein internationales Festival. Beteiligt waren mehr als 650 Künstler aus rund 20 Ländern, darunter u. a. aus Frankreich, Polen, Belgien, Spanien, Großbritannien, Deutschland, Japan, dem Kongo, der Elfenbeinküste, den Niederlanden, Indien, Australien, Schweden, der Schweiz und der Türkei. Gezeigt wurden rd. 75 Produktionen mit circa 200 Veranstaltungen, davon unter anderem fünf digitale Premieren und eine Live Uraufführung. Sechs Produktionen waren koproduziert. 28 Produktionen wurden in digitale Veranstaltungen umgewandelt, sechs Produktionen als hybride Veranstaltungen gezeigt, 23 angekündigte Produktionen mussten Corona-bedingt entfallen. Besonders schmerzhaft war die Absage der koproduzierten Deutschlandpremiere von Dimitris Papaioannous neuer Produktion „Transverse Orientation“ am 22. Mai, die, hätte sie stattgefunden, eine Weltpremiere gewesen wäre, die stattdessen am 2. Juni auf der Biennale de la danse de Lyon gefeiert wurde. Und doch hatten viele Künstler seit dem 1. Juni ihren ersten Live Auftritt nach dem Lockdown bei den diesjährigen Ruhrfestspielen.

„Utopie und Unruhe“

Unter dem Motto „Utopie und Unruhe“ eröffneten die 75. Ruhrfestspiele digital mit der Deutschlandpremiere „Die Seidentrommel“ von und mit Yoshi Oida, einer Koproduktion des Festival d'Avignon und Théâtre de la Ville, Paris. Die Festrede hielt die Autorin Enis Maci. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet gratulierten den Ruhrfestspielen mit Grußworten zum Jubiläum.

Anlässlich des Jubiläums präsentierten die Ruhrfestspiele eine Ausstellung inkl. Begleitpublikation, die das Publikum des Festivals ins Zentrum stellte: „Sie stellen sich vor. Ansichten der Zuschauer – Kleine Hommage an das Publikum: 75 Jahre Ruhrfestspiele in Fotografien ihrer Besucher“, kuratiert von Andreas Rossmann. Neben der diesjährigen Ausstellung in der Kunsthalle Recklinghausen, „Clouded in Veins“ von Mariechen Danz, zeigten die Ruhrfestspiele die begehbare Videoinstallation „Ein faszinierender Plan“ von Marius Goldhorn, Enis Maci, Mazlum Nergiz, Astrid Nylander, Tanita Olbrich und Pascal Richmann, die exklusiv für die Ruhrfestspiele in Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen entstanden ist und zu der ebenfalls eine Publikation erschienen ist.

„Arbeiterinnen“ bei den Ruhrfestspielen uraufgeführt.

Zu den vielbeachteten Inszenierungen der Ruhrfestspiele 2021 gehörten die koproduzierte Film-Uraufführung „Arbeiterinnen / Pracujące kobiety“ von werkgruppe2, und „Konferenz der Abwesenden“ von Rimini Protokoll, die als Koproduktion einen Tag nach der Dresdner Uraufführung bei den Ruhrfestspielen zu sehen war.

Als digitale Premieren zeigten die Ruhrfestspiele „reconstruct:alan_turing“, ein interaktives Live-Game des Büro für Eskapismus über Zoom und die neue Arbeit des indischen Theatermachers Abhishek Thapar „Cow is a Cow is a Cow“. An der Schnittstelle von Tanz und Neuem Zirkus war „Sacre“ von Circa Contemporary Circus aus Melbourne/Australien zum ersten Mal in Europa zu sehen (digitale Erstaufführung). Bei den Jungen Ruhrfestspielen, die ihren Spielplan um ein vielfältiges Mach mit!-Angebot für alle Altersgruppen erweitert haben, erlebte u. a. die Tanzproduktion „A Human Race“ von TANZKOMPLIZEN seine (digitale) Uraufführung.

Sharon Dodua Otoo unterstrich in ihrer Eröffnungsrede die Aktualität des Werks von Annette von Droste-Hülshoff.

Einen Schwerpunkt setzten die Ruhrfestspiele in diesem Jahr mit der vom Hamburger Schauspielhaus eingeladenen Produktion „Eine Frau flieht vor einer Nachricht“ nach dem Roman von David Grossman in der Regie von Dušan David Parízek, der Lesung von Irmgard Keuns „Bilder aus der Emigration“ von Paula Beer, und der in Kooperation mit dem DGB präsentierten Veranstaltung zum 8. Mai mit Anne Webers Lesung „Annette, ein Heldinnenepos“. Zu Gast in der Reihe „…im Gespräch mit Denis Scheck“ war zudem die mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnete Autorin und Aktivistin Sharon Dodua Otoo.

„Peer Gynt“ live bei den Ruhrfestspielen: Betritt mit der Kaiserkrone John Bocks die Bühne: Lars Eidinger.

Wichtige inhaltliche Setzungen waren außerdem „Peer Gynt“ von John Bock und Lars Eidinger, das die Ruhrfestspiele mit der Schaubühne Berlin koproduziert haben, und das Gastspiel der René Pollesch Produktion „Goodyear“ vom Deutschen Theater Berlin.

Im Digitalen Ruhrfestspielhaus standen, neben dem (Live-) Streaming vieler Produktionen, zahlreiche Publikumsgespräche mit Künstlern in Deutschland, aber auch weltweit, im Zentrum. So fanden Künstlergespräche nicht nur mit Lars Eidinger (live & digital), Corinna Harfouch, Wolfram Koch und Ulrich Matthes statt, sondern auch mit Dimitris Papaioannou in Athen, Yaron Lifschitz in Melbourne, Sean Gandini in London und Annette Weber in der Provence.

In den Sparten Schauspiel, Tanz, #jungeszene, Literatur, Neuer Zirkus etc. haben die Ruhrfestspiele in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Themen aufgegriffen: Engagement und Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, die Faszination für und die Angst vor der Kultur der Anderen, die Kraft der Transformation und Verwandlung durch Kreativität und Fantasie, die Veränderung der Arbeitswelt und des Zusammenlebens, Möglichkeiten der Solidarität, verborgene Mechanismen des Marktes, Freundschaft, Empathie und Freiheit, fluide Identitäten. Und in allen Sparten manifestierte sich künstlerisch immer wieder die Zerbrechlichkeit und ungeheure Kraft und Würde des Menschlichen.

Kurz vor dem Ende der diesjährigen Festspiele haben rund 27.000 Besucher die Vorstellungen der Ruhrfestspiele besucht, davon 14.000 live. Die digitalen Veranstaltungen sahen mindestens 13.000 Zuschauer; da diese vielfach von mehreren Personen vor einem Endgerät angeschaut wurden, liegt die genaue Anzahl wahrscheinlich höher. Besucher haben weltweit aus 31 Ländern u. a. aus Australien, den USA, Indien, Japan, Hongkong, Argentinien, Kolumbien, Schweden, Griechenland, Italien, Großbritannien, Frankreich, Polen, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz die Live Vorstellungen in den Spielstätten der Ruhrfestspiele und die (Live)Streams im Digitalen Ruhrfestspielhaus verfolgt, zudem aus dem gesamten Bundesgebiet, u.a. aus Berlin, Köln, Frankfurt/Main, Stuttgart, München und Leipzig, aber auch aus dem Schwarzwald und vielen anderen bundesweiten Regionen.

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Für alle Live Veranstaltungen galt in diesem Jahr ein strenges Sicherheits- und Hygienekonzept im Rahmen der aktuellen Corona-Schutzverordnung. Die Sicherheit des Publikums, der Künstler und des gesamten Teams der Ruhrfestspiele stand zu jedem Zeitpunkt an oberster Stelle, umgesetzt durch einen Corona-Schutzbeauftragten, unter Anwendung einer detaillierten Teststrategie für alle Mitarbeitenden und Künstler. Anreisende Künstler und freie Mitarbeiter mussten bei Ankunft einen negativen PCR-Test vorlegen; während des Festivals wurden rund 2.300 Antigen-Schnelltests und 216 PCR-Tests durchgeführt.

| Quelle: Pressedienst Ruhrfestspiele