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Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull: Jannis Niewöhner als Felix Krull und Joachim Król als Professor Kuckuck.

Joachim Król in der Filmwelt Herne

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull

In Thomas Manns unvollendet gebliebenem Entwicklungsroman „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, an dem der Literatur-Nobelpreisträger von 1910 bis 1954 gearbeitet hat, blickt der 40-jährige Ich-Erzähler Felix auf sein bewegtes Leben zurück. „Aus feinstem Holz geschnitzt schon als kleiner Knabe“ habe sich der Sohn des rheinischen Lorley-Schaumwein-Produzenten als begnadeter Müßiggänger und notorischer Schulschwänzer, vor allem aber als höchst begabt zur „Große Freude“ genannten Liebeslust erwiesen – zunächst beim doppelt so alten Zimmermädchen Genovefa.

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Als die Sektfabrik pleite ist und sich sein Vater erschießt, zieht Felix mit seiner Mutter nach Frankfurt am Main, um dort eine kleine Pension zu eröffnen, während seine ältere Schwester Olympia zur Operette geht. Nachdem er sich, mit einer filmreifen realsatirischen Finte, bei der Wiesbadener Musterung dem Militärdienst entzogen hat, kann er als „Herzensgesellschafter“ der ungarischen Prostituierten Rosza ein bohèmehaftes Leben am Main führen, bevor er auf Vermittlung seines Paten Felix Schimmelpreester an der Seine beim Generaldirektor Stürzli im Pariser Grandhotel Saint James and Albany als Liftboy Armand beginnt.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull: Marquis Louis de Venostra als Rosenkavalier: David Kross.

Und sogleich das Interesse einer Straßburger Dame, Madame Houpflé, erweckt. Bald kann der Frauenliebling bei Maitre Machatschek in den Kellnerdienst eintreten, wo er weiteren amourösen Versuchungen ausgesetzt ist von höheren Töchtern wie der 17-jährigen Eleanor aus Birmingham bis hin zu einem schottischen Lord. Felix freundet sich bei einem seiner Incognito-Ausflüge in die feine Gesellschaft mit dem Marquis de Venota an, der mit der schönen Soubrette Zaza liiert ist. Weshalb ihm seine Eltern mit Enterbung drohen, wenn er nicht ihr entsagt und auf Weltreise geht.

Felix willigt ein, an seiner statt von Lissabon aus in See zu stechen und verwandelt sich mit den nötigen Papieren und Geldmitteln versehen in Louis de Venota alias Loulou. Bereits auf der Zugfahrt nach Portugal lernt er Antonio Jose Kuckuck kennen, Professor der Naturwissenschaft und Direktor des Naturhistorischen Museums Lissabon. Felix wird von dessen Gattin Maria Pia und Tochter Suzanna alias Zouzou herzlich aufgenommen. Als er mit Letzterer inflagranti erwischt wird, findet er Erfüllung am Busen der Mutter – bis zu seiner Abreise nach Südamerika…

Die beinahe zweistündige Neuverfilmung von Daniel Kehlmann und Detlev Buck, die am 22. August 2021 in München uraufgeführt wurde und am 2. September 2021 in die Kinos kommt, so auch in die Filmwelt Herne, beginnt zur Jahrtausendwende in Paris im Hotel, das nun St. Edward heißt. Über die große Treppe stolpert, mit einem üppigen Rosenstrauß, David Kross als Marquis Venostra – die erste von unzähligen sinnfreien Änderungen gegenüber der Vorlage. Die familiären Verhältnisse des Titelhelden, die im 1955 in heute gültiger dritter Fassung herausgekommenen Roman ausführlich geschildert werden, sind schnell abgehakt, dafür die Musterungsszene mit Detlev Buck als Militärarzt zur Klamotte ausgewalzt.

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull: Bella figura auf der großen Kinoleinwand: Maria Furtwängler als Madame Houpflé.

Auch die Verhältnisse in Paris werden ohne Not auf den Kopf gestellt: Aufwertung erfahren der mit Dominique Horwitz ebenso prominent besetzte Rezeptionist im St. Edward wie der von Nicholas Ofczarek verkörperte Stanko. Im Roman ein als Bufettier in der Küche tätiger Bettnachbar, Freund und Helfer Felix Krulls, selbst wenn Letzterer sich an dessen Villen-Einbrüchen nicht beteiligt. Im Film dagegen der korrupte Oberkellner und gewalttätige Gegenspieler des Titelhelden. Der Schriftsteller Daniel Kehlmann dichtet Felix Krull (Jannis Niewöhner), Marquis Venostra (David Kross) und Zaza (Liv Lisa Fries) ein Dreiecksverhältnis an, dass von Regisseur Detlev Buck auch noch in den Mittelpunkt seines Films allzu frei nach Thomas Mann stellt. Höhepunkt ist eine Szene im Zug-Speisewagen, in dem auch noch Heinrich Schafmeister als Vater des Marquis vor Marc Achenbachs Kamera herumgeistert, der im Roman nur namentlich erwähnt wird.

Neben einer so schönen wie eleganten Maria Furtwängler als Madame Houpflé und Hochkarätern in kurzen Episodenrollen wie Michael Maertens als Felix Krulls Vater, Martin Wuttke als Uhrmacher und Max Hopp als Schimmelpreester kann der Herner Schauspieler Joachim Król überzeugen als weltgewandter, der Familie Venostra verbundener Professor Kuckuck, der Felix Krull bereits im Speisewagen des Zuges nach Lissabon in ein höchst geistreiches Gespräch über das Sein, den Menschen und das Leben verwickelt und Philosophisches über das Weltall und das große Nichts zum Besten gibt. Zum Schluss landet der von Jannis Niewöhner allzu glatt und oberflächlich gegebene Titelheld nicht im Bett Désirée Nosbuschs, sondern steht mit einem Glas Champagner an der Reeling des Passagierdampfers nach Südamerika.

Mittwoch, 1. September 2021 | Quelle: Pitt Herrmann