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Fiktiver Spielfilm zum RAF-Terror

'Baader' frisch restauriert

„Andreas Baader will sich stellen“ lautet die Titel-Schlagzeile der „Bild“-Zeitung. Wir schreiben das Jahr 1972. Der frühere Nürnberger Polizeipräsident Kurt Krone (Vadim Glowna) ist zum Chef des Wiesbadener Bundeskriminalamtes ernannt worden, das er zu einem modernen, computergestützten Informationszentrum für die Polizeibehörden aller Bundesländer ausbaut.

Er hat die Fake-News initiiert, um eine Reaktion der sich nun „Rote Armee Fraktion (RAF)“ nennenden Baader-Meinhof-Bande hervorzurufen. Mit Erfolg: Andreas Baader (Frank Giering) autorisiert ein Schreiben mit seinem Fingerabdruck, in dem es heißt: „Verhaftet oder tot. Der Kampf hat erst begonnen.“

Vom Kleinkriminellen zum Terroristen

Rückblick, fünf Jahre zuvor. Der Kleinkriminelle Baader, in München des Autodiebstahls überführt, bekommt drei Monate Zuchthaus aufgebrummt. Im Fernsehraum verfolgt er die Ereignisse um den Schah-Besuch in West-Berlin. Nachdem der Student Benno Ohnesorg erschossen wird, radikalisiert sich die Protestbewegung. Mittendrin Gudrun Ensslin (Laura Tonke), die ihm sogleich ins Auge sticht. Als er wieder draußen ist, schließt er sich ihrer Berliner Gruppe an und wird rasch ihr Anführer: „Es muss, verdammt noch mal, was auf die Fresse geben.“

Im Kino sehen sich Baader und die Pfarrerstochter Ensslin („Alle zehn Gebote müssen für die Freiheit gebrochen werden“) Klaus Lemkes Aussteigerfilm „48 Stunden bis Acapulco“ an, in dem sich Dieter Geissler als amerikanischer Gangster stilisiert an der Seite der von Monika Zinnenberg verkörperten Fabrikantentochter: Ein klarer Verweis darauf, wie Christoph Roth in seinem Spielfilm, der bewusst mit Realität und Fiktion spielt wie ein Jongleur, das deutsche Bonny & Clyde-Paar sieht.

Ulrike Meinhof fasziniert

Nach Brandanschlägen auf Kaufhäuser, von denen sich selbst der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) distanziert, sorgt das Attentat auf Rudi Dutschke für neuen Schwung: Die „Konkret“-Journalistin Ulrike Meinhof (Birge Schade) zeigt sich bei einer Gerichtsverhandlung fasziniert von den selbsternannten Revolutionären und gewährt Baader und Ensslin Unterschlupf in ihrer Berliner Wohnung. Als Ersterer bei einer Routinekontrolle der Polizei erneut verhaftet wird, bereitet sie eine Befreiungsaktion im Berliner Institut für Sozialforschung vor und geht anschließend selbst in den Untergrund.

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Die weiteren Aktionen der „Stadtguerillas“ vom Trainingslager in Jordanien, wo der Kommandeur Achmed (Hadj Belhecene) über Baaders Macho-Attitüden nicht begeistert ist, über Anschläge, Banküberfälle und Bombenattentate bis hin zu den Planungen zur Entführung der drei westlichen Berliner Stadtkommandanten gehen mit Rückschlägen einher.

Kurt Wagner (Michael Sideris), Karl Rossmann (Michael Günther) und Inga Schellmann (Sarah Riedel) werden verhaftet, die 20-jährige Studentin Karin Rubner (Jana Pallaske) wird bei einer Verkehrskontrolle für Ulrike Meinhof gehalten und erschossen. Dabei hatte sie Baaders „Fascho-Gerede“ längst leid und wollte zu ihren Eltern nach Süddeutschland zurückkehren.

Blutiger Showdown ist ein Fake

Zurück zum Anfang. Der neue BKA-Chef Krone zieht neue Saiten auf, begibt sich persönlich auf Baader-Jagd und trifft sich, eine der zahlreichen hanebüchenen Erfindungen des Autoren-Duos Moritz von Uslar und Christopher Roth, mit dem Gesuchten unweit von Frankfurt zum Plausch bei einer Zigarette. Nach einer konzertierten Anschlagserie Mitte Mai 1972 quer durch die Republik, einer einzigartigen Machtdemonstration der RAF, die von internationaler Terror-Unterstützung träumt, kommt es vor einer vom Geheimdienst seit längerem observierten Garage zum blutigen Showdown…

Christopher Roths Film über Andreas Baader, der sich in Wirklichkeit nach der hier unterschlagenen Geiselbefreiung auf dem Flugplatz der somalischen Hauptstadt Mogadischu durch ein GSG-9-Kommando in der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1977 zusammen mit Jan Carl Raspe (im Film: Bastian Trost) und Gudrun Ensslin im Untersuchungsgefängnis Stuttgart-Stammheim das Leben nahm, ist das sehr spekulative Porträt einer höchst unangenehmen Figur der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte.

Wiederaufführung in restaurierter Fassung

Christopher Roths 129-minütiger Film ist nicht nur frei von psychologischen, soziologischen oder sonstigen Erklärungsversuchen, sondern auch von Pathos. Am 15. Februar 2002 im Wettbewerb der 52. Berlinale uraufgeführt und mit dem Alfred-Bauer-Preis ausgezeichnet worden, kommt er in der jüngst aus Bundesmitteln restaurierten und digitalisierten Fassung ab Donnerstag, 16. Mai 2024, in der „Zeitlos“-Filmreihe wieder in die Kinos, in NRW zu sehen am Montag, 20. Mai 2024, um 21 Uhr im Düsseldorfer Metropol sowie zweimal im Filmhaus Köln: Am Montag, 20. Mai 2024, um 17.30 Uhr sowie am Donnerstag, 23. Mai 2024, um 18 Uhr.

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  • Montag, 20. Mai 2024, um 21 Uhr
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  • Montag, 20. Mai 2024, um 17:30 Uhr
  • Donnerstag, 23. Mai 2024, um 18 Uhr
Donnerstag, 16. Mai 2024 | Autor: Pitt Herrmann