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Dechant Christian Gröne.

Weihnachtsgruß des Dechanten Christian Gröne

"Lasst uns den Aufbruch wagen"

„Transeamus!“ Lasst uns hinübergehen, sagte das Volk Israel am Ufer des Jordan. Ägypten und die Wüste lagen hinter ihnen. Drüben am anderen Ufer soll es Trauben geben, sagen die Kundschafter. Allerdings auch Riesen, riesengroß. Keine Brücke, keine Fährboote über den Fluss. Sie haben Angst. Aber ihr Mut ist ein bisschen größer als ihre Angst. Und sie setzen den Fuß auch auf das Wasser.

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„Transeamus!“

sagten die Hirten von Bethlehem am nächtlichen Lagerfeuer. Vielleicht bleibt die Nacht nicht für immer so dunkel und kalt. Vielleicht ist das Lied der Engel keine Täuschung, kein Traum. Seht ihr das Licht aus der Höhle? Spürt ihr die Unruhe der Schafe? „Heute ist euch der Heiland geboren?“ Wenn wir hier hocken bleiben, werden wir es nie erfahren. Also auf! Lasst uns den Aufbruch wagen!

Von Hermann Josef Coenen, dem 1999 im nahen Marl verstorbenen Pfarrer und geistlichen Dichter, stammen die Zeilen dieser weihnachtlichen Betrachtung, die mir ein Freund im letzten Jahr zu Weihnachten schickte. Ich habe den Text seitdem auf meinem Schreibtisch liegen und manches Mal darüber nachgedacht. Diese wenigen Sätze nehmen den Ruf der Hirten auf, der uns in der Weihnachtserzählung des Lukasevangeliums überliefert ist und der in vielen Gemeinden auch zum musikalischen Repertoire der nächtlichen Christmette gehört:

„Transeamus! – Lasst uns hinübergehen nach Bethlehem und sehen, was sich dort ereignet hat ...“

Nicht einfach beim Gewohnten sitzen bleiben – aufstehen – aufbrechen – die Zeichen der Zeit als Herausforderung begreifen, ja, sie mit den Augen des Glaubens als Wink Gottes verstehen: Das ist auch uns wie einst den Hirten auf den Feldern Bethlehems zugemutet.

Das Jahr 2015 war ein Jahr außergewöhnlicher Herausforderungen, von denen ich hier vor allem zwei kurz benenne: Viele Tausende Menschen, sehr oft auf der Flucht in ihrer Angst um Leib und Leben, kommen nach Europa und Deutschland. In allem Widerstreit politischer Meinungen muss der große und oft selbstlose Einsatz von Menschen hierzulande betont werden, die sich zur Verfügung stellen, wo Hilfe nottut, und die durch ihr Handeln zeigen, wie menschenunwürdig so manche lauthals vorgebrachte Parole der vergangenen Monate ist.

Zu der Sorge um die Flüchtlinge ist im zu Ende gehenden Jahr die Angst vor dem Terror getreten, die vor allem nach den grauenhaften Ereignissen von Paris im November auch viele unter uns umtreibt. Wir spüren jedenfalls stärker als in den Vorjahren, dass wir in einer bewegten Zeit leben und dass uns ein „Aufbrechen“, ein verändertes Denken und Handeln zugemutet werden.

Für uns als Kirche kommt dazu der „Aufbruch“ aus Gemeinde-Strukturen, die für einige Generationen kirchliches Leben möglich gemacht und gestützt haben, die jedoch – mit wachen Augen betrachtet - längst nicht alle mehr geeignet sind, den Übergang in eine veränderte kirchliche Situation zu bewältigen. In meiner täglichen Arbeit als Dechant und Pfarrer ist mir gerade das in diesem Jahr oft sehr klar geworden.

„Transeamus!“ – „Lasst uns hinübergehen! Lasst uns den Aufbruch wagen!“

Die Hirten der Heiligen Nacht stehen in einer großen biblischen Tradition, die immer neu zu einem von Zuversicht und Hoffnung getragenen Aufbrechen in die Zukunft ermutigt. Dabei bedeutet Hoffnung im Sinn der Bibel nicht einfach, dass alles gut ausgeht, aber dass alles bei Gott einen letzten Sinn hat und sich nicht im Nichts verliert. Solche Hoffnung sichert mich nicht gegen Schwierigkeiten ab. Aber sie bringt mich solchen Schwierigkeiten gegenüber auf die nötige Distanz.

Und das macht Mut zu mehr Gottvertrauen – auch dann, wenn die Dinge anders kommen als erwünscht. Unser Glaube hat kein sonderliches Interesse an der Vergangenheit des Menschen.

Doch er lenkt unseren Blick nach vorne, in die Zukunft – wie es beim Propheten Jesaja heißt: „Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. Seht her, nun mache ich etwas Neues“ (Jesaja 43, 18f.).

Und Jesus, bei dessen Geburt den Hirten das eindringliche „Fürchtet euch nicht!“ zugerufen wurde, hat nicht aufgehört zu verkünden: Habt Vertrauen und Mut! Habt Zuversicht und Hoffnung! Unser christlicher Glaube verheißt keinen Gott, der einfach alle unsere Wünsche erfüllt und alle Probleme löst. Vielmehr spricht er von einem Gott, der unser Menschsein angenommen hat und der uns daher niemals fallen lässt, auch wenn er oft sehr fern zu sein scheint und weit weg von dem, was uns bewegt.

Gott verspricht uns, dass sich unser Leben für immer erfüllt – trotz so vieler Brüche. Das ist eine unglaubliche, wunderbare Botschaft! In dieser Zuversicht wünsche ich Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und Gottes Segen für alle Aufbrüche, die im neuen Jahr 2016 auf Sie zukommen!

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Ihr Christian Gröne, Dechant

| Autor: Christian Gröne
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