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Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt.

Teil 3 des Pilgerberichtes

Immer weiter Richtung Moskau

Es wird einsam, wirklich einsam. Die beiden Strecken führen uns durch die Waldaihöhen Russlands. Die Straßen sind schlecht und bilden eine Schneise durch die dichten Birkenwälder. Der Straßenbelag ist dabei so miserabel, dass wir in den Schlaglöchern förmlich mit unseren Fahrradreifen versinken. Zum Glück endet nach 30 km südlich von Demjansk die Asphaltstrecke und wir bewegen uns über trockene Staubpisten fort. Seit Tagen hat es nicht mehr geregnet, worüber wir sehr froh sind. Die Temperaturen klettern bereits bis zum Mittag auf weit über 34°C. Am Straßenrand entdecken wir regelmäßig Russen, die selbst gesammelte Beeren, Pilze und später nahe Ostashkov Fisch verkaufen. Es stellt sich uns aber die Frage, wer diese Kostbarkeiten kauft, da uns eigentlich nur Transitverkehr begegnet. Vermutlich ist es ähnlich wie in der freien Marktwirtschaft. Wo Angebot ist, wird es auch Nachfrage geben.

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Schwierige Wegverhältnisse.

Die Strecke ist anstrengend. Zum einen wegen den hohen Temperaturen, zum anderen sind die Anstiege nicht ohne. Der Stimmung tut dies keinen Abbruch. Im Gegenteil. Es wird geflaxt, und wenn man nicht die Streckenlängen beachten würde, dann wäre es schon eine Art Kaffeefahrt. Nach 116 km, zwei Pausen bei eingelegtem Hering und gegrillten Hähnchenflügeln erreichen wir Ostashkov südlich vom Seeligersee.

Auch hier erkennt man die Einfachheit der Region. Gebaut wird ausnahmslos im Blockhüttenstil. Auffällig ist, dass auch in der Stadt die Nebenstraßen nicht asphaltiert sind. Der so entstehende Staub überdeckt Alles. Autowaschen macht hier keinen Sinn. Am Abend genießen wir zum ersten Mal eine echte russische Sauna. Bei gnadenlosen 120°C in der mit Feuerholz beheizten Sauna werden wir in die Traditionen des Landes eingeführt. Neben bekannten Aufgüssen "geißeln" wir uns mit Birkenzweigen, die zuvor in Wasser eingelegt worden sind und dann über den Lavasteinen erhitzt werden. Der Rücken ist genauso das Opfer wie die Knie und Oberschenkel, um die Durchblutung zu fördern. Zum gelungenen Abschluss gibt es Wodka und Gewürzgurken. Auch hier lernen wir stets dazu. Laut einem russischen Sprichwort kann man nicht auf einem Bein stehen. Das nehmen einige wörtlich.

Durch die staubigen Weiten Russlands.

Auf dem Weg nach Rzhev werden die Straßenverhältnisse endlich besser. Wir nähern uns offensichtlich mit großen Schritten Moskau. Ähnlich wie um St. Petersburg nimmt der Verkehr merklich zu, sobald man sich im Einflussbereich der Großstadt befindet. Bessere Straßen sind dann zwangsläufig notwendig. Gerade auf dieser Etappe lernen wir das Land richtig zu schätzen. Riesige Wiesenflächen erstrecken sich bis zum Horizont und man bekommt eine Vorstellung über die endlosen Weiten Russlands. Neben dem Rollen des Reifens auf dem guten Untergrund, vereinzelten Gesprächen und dem regelmäßigen Rattern der Kette, hört man vor allem das Zirpen der Grashüpfer. Vor allem nach der Etappe nach Ostashkov mit gut 35 km unbefestigem Straßenbelag ist darauffolgende beinahe Erholung für Körper und Untersatz. Zum ersten Mal seit Tagen haben wir das Gefühl, dass das Fahrrad rollt und nicht bei jedem Schlagloch stehen bleibt.

Pause am Wegesrand.

Rzhev ist gegenüber der Strecke eher unspektakulär. Unser Hotel liegt direkt an der Wolga und verschafft uns eine tolle Aussicht auf das Flusstal, dass die Stadt in zwei Hälften teilt.

Von Rhzev geht es weiter süd-östlich Richtung Moskau. Wir erreichen schnell den Speckgürtel der Landeshauptstadt. Anzeichen wie Nebenstraßen in perfekten Zuständen, Wohnhäuser mit 3 m hohen Wellblechzäunen und Videokameras oder Wohnhäuser, die nicht zusammen brechen, sprechen eine eindeutige Sprache. Wir genießen noch einmal unsere letzte Langetappe mit 154 km und kommen ausgesprochen zügig voran.

Durch die Weiten Russlands.

Leider ist unser Versorgungsfahrzeug mittlerweile in einen Lazarettwagen umfunktioniert worden. Magenverstimmung, Erkältungen und die Schwachstelle des Radfahres (das Knie) zwingen insgesamt 4 Personen teilweise oder ganz auf die Etappe zu verzichten. Unser Guide hat dabei alle Hände damit zu tun, sich nicht nur um die Verpflegung der Gruppe sondern auch die Versorgung der Erkrankten zu kümmern. Im Rückblick auf die bisherigen Erlebnisse bleibt uns dieser Tag als das Highlight der Tour in Erinnerung. Tolle Landschaften bei wenig Verkehr durchqueren wir und kommen sogar in den Genuss, einzelne Anstiege mit bis zu 8 Prozent Steigung zu bezwingen. Für viele von uns ist es das Salz in der Suppe. Apropos Suppen: Am Abend werden wir wie eigentlich jeden Abend mit gutem Essen versorgt. Vor allem Borschtsch und Sojanka sind mittlerweile feste Bestandteile in unserem Essensplan geworden. Eins ist jetzt schon sicher. Der Russe kann sehr gut kochen.

Etappen:

Demjansk - Ostashkov 116 km

Ostashkov - Rzhev 146 km

Rzhev - Ostashevo 154 km

Gesamtstrecke: 1650 km

Für die Pilgergruppe Westerholt:

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Philipp Trzaskowski