
Neue Studioausstellung über die Steinhauser Hütte in Witten
Spektakuläres Industriedenkmal im LWL-Museum
Von Donnerstag, 20. Juni, bis Sonntag, 29. Dezember 2024 zeigt das Museum für Archäologie und Kultur (MAK) des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Herne im Rahmen der Studioausstellung „Vergessene Stahlzeit“ erstmals einzigartige archäologische Zeugnisse sowie hochmoderne 3D-Rekonstruktionen der Steinhauser Hütte in Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis).
Begleitet wird die Eröffnung um 19 Uhr von einem Vortrag des LWL-Forscherteams um den LWL-Archäologen Wolfram Essling-Wintzer und Dr. Olaf Schmidt-Rutsch, stellvertretender Leiter des LWL-Museum Henrichshütte in Hattingen (Ennepe-Ruhr-Kreis). Der Eintritt ist an diesem Tag kostenfrei.
Die größte industriearchäologische Maßnahme in Westfalen
Die Ausstellung wird vom Vorsitzenden der Landschaftsversammlung Klaus Baumann eröffnet. LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger erklärt: „Die Ausgrabung rund um das ehemalige Stahlwerk Steinhauser Hütte war die bislang größte industriearchäologische Maßnahme in Westfalen.“ Auf einer Fläche von fast 20.000 Quadratmetern legten Archäologen auf Veranlassung des LWL 2018 gewaltige Mauerfundamente, Gewölbe und Öfen frei. Die Funde und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zum Bauwerk und der Technik vor Ort sind nun erstmals im LWL-MAK zu sehen.
Rüschoff-Parzinger: „Die Steinhauser Hütte ist nicht nur für die Technikgeschichte von großer Bedeutung. Sie ist vielmehr das herausragende Zeugnis einer Epoche, in der sich die Umwelt und die Lebensbedingungen der Menschheit so gewaltig verändert haben wie nie zuvor. Die Folgen dieser Entwicklung spüren wir gerade heute. Dabei ist die Stahlindustrie für die Identität des Ruhrgebiets prägend und bleibt unvergessen.“
Viel ist im Ruhrgebiet - auch dank der Arbeit der LWL-Industriemuseen - über die Industrialisierung bekannt. Aber was sich 2018 vor den Augen der LWL-Archäologen im Gewerbegebiet „Drei Könige“ in Witten auftat, hat selbst den LWL-Chefarchäologen Prof. Dr. Michael M. Rind erstaunt: „Wir wussten natürlich vom Standort des ehemaligen Hüttenwerks, aber die gigantischen Ausmaße und wie viel davon seit dem 19. Jahrhundert erhalten geblieben ist sowie die Qualität kamen für uns absolut überraschend. Ein vergleichbarer Beleg für Produktionsanlagen an der Schwelle der industriellen Stahlherstellung ist unter Industriearchäologen bislang weltweit nicht bekannt. Damit ist die Steinhauser Hütte ein bundesweit wie international einmaliger Fund.“
Ergänzung zur Sonderausstellung
Das war Museumsleiterin Dr. Doreen Mölders Grund genug für eine eigene Studioausstellung, welche die aktuelle Sonderausstellung „Modern Times. Archäologische Funde der Moderne und ihre Geschichten“ ergänzt. „Die Ausstellung 'Vergessene Stahlzeit' bietet einen einzigartigen Blick in die Geschichte des Ruhrgebiets, die für unsere Besucher oft auch die eigene ist.“

Vom Puddeln über das Bessemer- bis hin zum Siemens-Martin-Verfahren kamen alle wichtigen Stahlherstellungsverfahren der Zeit in der Steinhauser Hütte zum Einsatz. „Anhand aufwendiger 3D-Rekonstruktionen zeigen wir die Entwicklung der Stahlproduktion vom Handwerk, also von harter körperlicher Arbeit mit vergleichsweise geringen Produktionszahlen, bis hin zum Beginn der industriellen Massen-Fertigung.“
In der Hochzeit arbeiteten im Wittener Stahlwerk 420 Menschen. „Ausstellungsstücke wie eine Bierflasche und eine Pfeife erzählen ihre ganz besonderen Geschichten“, so Mölders. Die gigantischen Ausmaße der Gebäudestrukturen sind dank eindrucksvoller Drohnenaufnahmen vorstellbar. Rind: „Das Besondere an der Archäologie der Moderne ist, dass man denkt, die Epoche sei archivalisch gut erforscht. Planungs- und Genehmigungsprozesse dokumentieren die Beschaffenheit und Aufstellung der Maschinen. Sie gehen aber im Gegensatz zur Ausgrabung kaum in die Tiefe. Welche unterirdischen Infrastrukturen zum Betrieb des Stahlwerks notwendig waren, erschließt sich erst durch die Arbeit der Archäologen.“ Sie sind in der Ausstellung zu sehen.
Mölders: „Wir freuen uns, dass Klaus Baumann die Ausstellung eröffnet und laden alle Interessierten herzlich dazu ein. Mit seinem Grußwort würdigt der Vorsitzende der Landschaftsversammlung die Bedeutung des Industriestandortes Witten bereits in der Frühphase der Industrialisierung und die Relevanz der Steinhauser Hütte für die historische und archäologische Wissenschaft.“
Berichte aus erster Hand
Im Rahmen der Eröffnung der Studioausstellung „Vergessene Stahlzeit“ berichten der LWL-Archäologe Essling-Wintzer und Historiker Schmidt-Rutsch in ihrem Vortrag aus erster Hand von der Entdeckung und der Bedeutung der Steinhauser Hütte als weltweit einzigartigem Industriedenkmal. Schmidt-Rutsch: „Die Ausgrabung der Steinhauser Hütte erfolgte in Kooperation mit den LWL-Museen für Industriekultur und unter Einsatz modernster Dokumentationsmethoden. Im Verband des LWL unterstützen wir die Bodendenkmalpflege, um gemeinsam einem sachgerechten Umgang mit den technisch komplexen Hinterlassenschaften der Industriegeschichte gerecht zu werden.“
Das Stahlwerk selbst konnte leider nicht komplett erhalten bleiben, aber für Interessierte bestehe Hoffnung, so Rind: „Dank des europaweit einzigartigen Netzwerks gelang es gemeinsam mit der Stadt Witten im Bereich des Puddelwerks eine Schutzzone einzurichten und damit den bedeutendsten Teil der Steinhauser Hütte zu erhalten. Diese Schutzzone könnte der Bevölkerung zukünftig als 'archäologisches Sichtfenster' einen Blick auf das monumentale Bauwerk gewähren.“
In der Zwischenzeit macht die neue Studioausstellung im LWL-MAK erstmals die gigantischen Strukturen, vielfältigen Funde und komplexen Stahlherstellungsverfahren der Steinhauser Hütte in Witten anschaulich und liefert damit bedeutende Einblicke in die Frühphase der Industrialisierung und ein bedeutendes Stück Ruhrgebietsgeschichte.

Vergangene Termine (1) anzeigen...
- Donnerstag, 20. Juni 2024, um 19 Uhr