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Beste Freunde und mehr: Der kleine, schüchterne Yori (Hinata Hiiragi) und der größere, aber feige Minato (Soya Kurokawa)

Erneutes Meisterwerk von Hirokazu Kore-eda

Neu im Kino: Die Unschuld

Nach der religiösen Zeremonie vor dem Hausschrein zum Geburtstag seines verstorbenen Vaters putzt sich der elfjähriger Minato (Soya Kurokawa) gerade die Zähne, als ihn seine Mutter Saori Mugino (Sakuro Andō) aufgeregt bittet, zu ihr auf den Balkon zu kommen: das Haus gegenüber brennt lichterloh. Die junge Witwe, die in einer Reinigung arbeitet, hat es als Alleinerziehende nicht leicht mit dem verhaltensauffälligen, offenbar auch zu Gewalt gegen Mitschüler neigenden Fünftklässler. Dem sein Lehrer Hori (Eita Nagayama) eingetrichtert haben soll, dass er ein Schweinehirn im Kopf habe.

Als sich Saori daraufhin bei der Schulleiterin Fushimi (Yūko Tanaka) beschwert, stellt diese alles als großes Missverständnis dar und zwingt Hori im Kreis mehrerer Kollegen zu einer Entschuldigung, die in einer an Unterwürfigkeit reichenden Demutsgeste gipfelt. Die Wand des Schweigens der Schulleitung kann auch eine Aussage von Minatos bestem Freund Yori (Hinata Hiiragi) über körperliche Gewalt in der Klasse 5b nicht durchbrechen. Nachdem sich der Lehrer Hori vor den Eltern rechtfertigen musste, kommt es zu einer Auseinandersetzung mit Minato im Flur. Mit der Folge, dass der Junge stürzt und danach spurlos verschwindet. Was seine Mutter zunächst gar nicht mitbekommt, da sie vor einem angekündigten Taifun das Schaufenster der Reinigung verbarrikadieren muss.

Und wieder brennt das Haus mit der Hostessen-Bar von gegenüber, in dem der Lehrer Hori häufiger Gast sein soll. Schilderten Yûji Sakamoto (Buch) und Hirokazu Kore-eda (Regie) das nach wie vor mit vielen Fragezeichen versehene Geschehen im ersten Teil aus dem Blickwinkel der so ahnungslosen wie fürsorglichen Mutter Saori, so wirft nun die Sicht des Lehrers Hori ein völlig anderes Licht auf die Ereignisse. Zum einen: Der junge Hobby-Aquarianer war mit seiner festen Freundin in besagtem Haus und nicht im Bordell. Zum anderen: Minato ist Yori zunächst nicht beigesprungen, als dieser seines alleinerziehenden alkoholkranken Vaters Kiyptaka (Shidô Nakamura) wegen gemobbt wurde – und Hori hat nur versucht, die wilde Prügelei zu beenden. Der wird von der Presse als Übeltäter vorverurteilt, auch weil Minato davongelaufen ist statt dem Lehrer beizuspringen. Und dann kommt auch noch heraus, dass die Direktorin deshalb völlig neben der Spur ist, weil sie aus Unaufmerksamkeit ihr eigenes Enkelkind überfahren hat beim Zurücksetzen ihres Autos.

Macht sich als alleinerziehende Mutter große Sorgen um ihren Sohn Minato: Saori Mugino (Sakura Andō).

In der dritten Version, nun erzählt aus der Sicht der beiden Freunde Yori und Minato, ist es Ersterer, der von seinem Vater als „Schweinehirn“ beschimpft worden ist. Und Letzterer wird von Hori aus der Toilette befreit, in die Minato von Mitschülern eingeschlossen worden war. Als Kiyptaka beschließt, seinen Sohn zur Oma abzuschieben, flüchten die Freunde in einen alten Eisenbahnwaggon unweit einer nur schwer zugänglichen Brücke. Als der Taifun wütet, wird der Waggon unter einem Erdrutsch begraben…

Präziser Blick und ausgeprägter Humanismus

Mit seinem präzisen Blick und ausgeprägten Humanismus hat sich der japanische Regisseur Hirokazu Kore-eda weltweit einen Namen als Ausnahmefilmemacher gemacht. Für „Shoplifters – Familienbande“ ist er in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet worden. Jetzt hat Kore-eda eine weitere höchst ambitionierte Arbeit präsentiert, geschrieben von dem in Japan gefeierten Autor Yûji Sakamoto. Der in Cannes für das beste Drehbuch mit einer Silbernen Palme preisgekrönte Film „Die Unschuld“ erzählt eine bewegende Geschichte über Menschen, die um ihr Glück kämpfen und von einer Freundschaft zwischen zwei Jungen, die nicht sein darf.

In drei Episoden, aus drei verschiedenen Perspektiven fast wie ein Psycho-Thriller erzählt, gibt dieses mit 126 Minuten keineswegs überlange Epos, das den internationalen Titel „Monster“ trägt, den Blick auf die Wahrheit erst nach und nach frei. Wobei letzte Wahrheiten wie das weitere Schicksal des Lehrers und der Schulleiterin offen bleiben. „Die Unschuld“ macht mit großer Wucht deutlich, welch‘ fatale Folgen voreilige Schlüsse haben können. Für die außergewöhnliche Musik zeichnet der im März 2023 verstorbene Oscar-Gewinner Ryuichi Sakamoto in seiner letzten Filmarbeit verantwortlich.

Uraufgeführt am 17. Mai 2023 beim Int. Festival Cannes ist der Film zum Kinostart am 21. März 2024 u.a. im Capitol Bochum, im Sweetsixteen Dortmund, im Essener Luna im Astra sowie im Düsseldorfer Bambi zu sehen.

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  • Donnerstag, 21. März 2024
Donnerstag, 21. März 2024 | Autor: Pitt Herrmann