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Joachim Król als Banker in 'Gier frisst Herz'.

Joachim Król als Sparkassen-Anlagenberater

'Lehman. Gier frisst Herz'

Der Herner Schauspieler Joachim Król, demnächst als Peachum in „Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm“ auf dem Bildschirm zu sehen, verkörpert am Mittwoch, 24. Februar 2021, um 23 Uhr im „Dritten“ des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) den erfahrenen Sparkassen-Anlagenberater Arno Breuer im solide recherchierten, sich aber vor einer klaren eigenen Meinung drückenden neunzigminütigen Dokudrama „Lehman. Gier frisst Herz“ des Genreexperten und vielfachen Grimme- und Deutscher Fernsehpreis- Gewinners Raymond Ley („Eine mörderische Entscheidung“). Es zeichnet den Countdown bis zum großen Crash vor allem aus der Perspektive der Sparkassen und ihren Kunden nach – faktenbasiert, aber auch emotional und in den fiktionalen Teilen regelrecht spannend.

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Der absolute Renner bei den Kunden des 56-Jährigen sind in den Nullerjahren Lehman-Zertifikate namens „Twin Win“ mit einer Rendite von fünf bis neun Prozent. Und weil Geiz geil ist, greifen viele Sparkassenkunden zu, obwohl sie aus der Beratung des langjährigen, als besonders seriös geltenden Bankers Arno Breuer so schlau herausgegangen sind wie vor dem Gespräch. Sie vertrauen einem Berater, der gegen sein Bauchgefühl Schrottpapiere verkauft und selbst nicht weiß, was er an den Mann oder die Frau bringt – mit satter Provision für den Verkäufer versteht sich.

Was nicht weniger auf seine wesentlich jüngere Direktorin Constanze Werlich (Hannah Schröder) zutrifft, die den Versprechungen des smarten deutschen Lehman-Chefs Joachim Hager (Richard van Weyden) blind vertraut und auch für ihre Sparkasse einen Haufen „Twin Win“-Papiere ordert. Auch sie hat das Kleingedruckte nicht gelesen: Anlegern droht der Totalverlust. Dennoch macht die toughe Karrierefrau ihrem ältesten Mitarbeiter Beine: „Risiken existieren nicht, nur Chancen. Sonst kaufen die Kunden nicht.“ Zu denen im Übrigen auch institutionelle Anleger wie der Stadtkämmerer Tobias Kunert (Michael Schütz) gehört, der das große Renditegeschäft wittert.

Bei den jungen, ehrgeizigen, ganz auf ihre Provision fixierten und sich gegenseitig pushenden Onlinebankern der Rhein-Main-Direktbank herrscht Aufbruchstimmung. Der hemmungslose Alex Breitner (Max Schimmelpfennig) ist mit allen Wassern gewaschen und weiß, seine Eloquenz und seinen Charme einzusetzen, um die Lehman-Papiere zu verkaufen. Wer Skrupel hat wie Mirko Heckner (Nicolai Gonther), wird in der Zigarettenpause auf Kurs gebracht: „Du arbeitest nicht für die Kunden, sonders fürs Unternehmen.“

Das tut jetzt auch Nele Fromm (Mala Emde), einst Arno Breuers beste Auszubildende seiner langen beruflichen Karriere. Nach negativen Auslandserfahrungen ist sie nun wieder in Mainhattan gelandet und lernt schnell, um nicht an der „Wall of Shame“ stehen zu müssen: selbst in Altenheimen akquiriert die ehrgeizige Onlinebankerin potente Kunden persönlich. Als sie eines Abends zufällig auf ihren Mentor trifft, schließt sich Breuer der jungen Truppe um seine erklärte Lieblingsschülerin an und landet in einer Karaoke-Bar, wo er für seine Interpretation des Sinatra-Evergreens „My Way“ wie ein Popstar gefeiert wird.

Das Erwachen am anderen Morgen gleicht einem Kater nach allzu reichlichem Alkoholgenuss. Mitte September 2008 platzt die Blase – mit den bekannten Folgen besonders für ältere Anleger, die ihrem Kreditinstitut das ganze Kapital zur Altersvorsorge anvertraut hatten. Wie das Gastwirt-Ehepaar Claudia und Torsten Büttner, gespielt von Susanne Schäfer und Oliver Stokowski. 12.000 Euro im Depot und 8.000 Euro auf dem Konto sind in Lehman-Papiere umgewandelt worden, dabei braucht ihr gerade sehr gut laufendes Restaurant „Zum Grauen Bock“ dringend eine neue technische Ausrüstung…

Die fiktionale Inszenierung „Lehman. Gier frisst Herz“, an der als Co-Autor auch der „Zeit“-Journalist Marc Brost beteiligt war, beruht auf intensiven Gesprächen mit Insidern. Die Dramatisierung der Fakten wird dokumentarisch eingeordnet durch die Erinnerungen von verantwortlichen Akteuren aus Wirtschaft und Politik, durch Aussagen von Geschädigten sowie durch historisches Material. So gibt etwa der ehemalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück zu Protokoll: „Es gab eine gewisse Entfesselungs-Arie, die alle gesungen haben.“

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Was in der Relativierung der dramatischen, Existenzen weltweit vernichtenden Lehman-Pleite noch harmlos ist gegenüber den – skandalöserweise unwidersprochen bleibenden – Äußerungen Karl Dannenbaums, von 2001 bis 2007 Chef der Lehman Brothers Deutschland: Von Schuld könne keine Rede sein, von persönlicher schon gar nicht, sondern nur von Verhängnis, von einer „Pyramide mit vielen Ketten“. Nach heutigem Stand ist ein Schaden von sieben Billionen Euro entstanden, nur fünfzig Prozent der Gläubiger sind entschädigt worden.

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  • Mittwoch, 24. Februar 2021, um 23 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann