halloherne.de lokal, aktuell, online.
Generalsekretär Leonid Breschnew telefoniert im Bad.

Den Kalten Krieg beenden: Bjarne Mädel als Erzähler

Kino-Tipp 'Der Helsinki Effekt'

Wenn Leonid Breschnew englisch spricht, dann kann ‘was nicht mit rechten Dingen zugehen. Was der finnische Dokumentarist Arthur Franck auch gar nicht bestreitet. In diesem Jahr hat Finnland den Vorsitz der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) inne. Vor genau 50 Jahren waren alle (Kamera-) Augen der Welt auf die finnische Hauptstadt Helsinki gerichtet, wo Weltgeschichte geschrieben wurde. In der Finlandia Hall saßen Helmut Schmidt und Erich Honecker nebeneinander in der ersten Reihe, nur von einem schmalen Treppenaufgang getrennt.

Anzeige: Gartentag 2025

Ende des Kalten Kriegs

Gastgeber Urko Kekkonen empfing im Sommer 1975 die wichtigsten Staatsmänner des unter sowjetischer Führung im „Warschauer Pakt“ zusammengeschlossen Ostblocks, der unter US-amerikanischer Führung zusammengeschlossenen westlichen Bündnispartner der „Nato“ genannten Nordatlantischen Allianz sowie der blockfreien Staaten zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).

Dieser nicht nur medial als spektakulär wahrgenommenen Zusammenkunft, die den Kalten Krieg beenden sollte, waren Vorbereitungstreffen u.a. 1973 in Helsinki und Genf vorausgegangen, deren Kompromisse von politischen Ereignissen wie der Zypern-Krise (die Türkei unter Präsident Demirel annektierte rund die Hälfte der vom griechischen Erzbischof Makarios geführten Inselrepublik) und der Veröffentlichung des Buches „Archipel Gulag“ des bald danach in die Bundesrepublik ausgewanderten Alexander Solschenizyn gefährdet wurden.

Chronologie in zwölf Kapiteln

In zwölf Kapiteln fächert Arthur Franck, auch die Erzählstimme in der Originalfassung, die Ereignisse chronologisch auf und weist in Rückblenden immer wieder auf historische Ereignisse wie den Volksaufstand am 17. Juni 1953 in der DDR, den Ungarn-Aufstand 1956, den Mauerbau 1961 und die gewaltsame Niederschlagung des „Prager Frühlings“ 1968 hin.

Generalsekretär Leonid Breschnew und Präsident Gerald Ford vor der russischen Botschaft in Helsinki.

Was in Helsinki vor 50 Jahren u.a. vom sowjetischen Präsidenten Leonid Breschnew und seinen US-amerikanischen Amtskollegen Gerald Ford unterzeichnet wurde, insbesondere die im „Korb drei“ zusammengefassten Freiheits- und Bürgerrechte, führten zu Dissidenten-Gruppen im ganz Osteuropa und letztlich zum Fall der Berliner Mauer sowie zum Zerfall der Sowjetunion.

Witzige Outtakes und KI-generierte Sprache

„Der Helsinki Effekt“ ist weit mehr als ein exzellent recherchierter Dokumentarfilm mit überraschend „privaten“ authentischen Archivaufnahmen der beiden Protagonisten Breschnew und Henry Kissinger, dem deutschstämmigen Berater des US-Präsidenten und gar nicht so heimlichen Strippenzieher der Konferenz. Die Original-Gesprächsprotokolle werden eingeblendet – und dabei KI-generiert von den Protagonisten gesprochen. Witzig die Outtakes von Fernsehjournalisten aus aller Welt, die lange Wartezeiten mit Nickerchen überbrücken, entschieden zu viel rauchen und sich tierisch über technische Übertragungsprobleme ärgern.

Dazu in der deutschen Synchronfassung ein wunderbar ironischer Bjarne Mädel als höchst unterhaltsamer Erzähler, der die höchst aufschlussreiche Geschichtslehrstunde ebenso bereichert wie immer wiederkehrende Metaphern (Natur-Wachstum, Basketballspiel, Breschnew telefoniert im Bad) zu entsprechenden politischen Wortmeldungen. Arthur Frank versteht seinen 88-minütigen Film auch als Plädoyer, in diesen unseren Kriegs- und Krisenzeiten die Möglichkeiten kluger Diplomatie nicht aus den Augen zu verlieren. Auch wenn Wladimir Putin gerade erst die russische „Helsinki-Gruppe“ aufgelöst hat.

Spannende Diplomatie

Arthur Franck im Rise & Shine-Presseheft: „Russlands Krieg gegen die Ukraine hat ein kollektives Déjà-vu-Gefühl ausgelöst, bei dem die Angst vor einer drohenden gegenseitigen Zerstörung, die den Kalten Krieg prägte, plötzlich wieder präsent ist. Und nun bringt die Außenpolitik von Präsident Trump, der die Weltordnung um die Interessensphären der Supermächte herum umgestaltet, dabei Verbündete verrät und jahrzehntelange Diplomatie zunichtemacht, die kleineren westlichen Staaten in existenzielle Gefahr. Als Geschichte ist 'Der Helsinki Effekt‘ eine Gegenerzählung zur Paranoia und Angst, die den Kalten Krieg befeuerten: Veränderung ist möglich. Gleichzeitig ist sie ein Beispiel dafür, wie geopolitische Albträume nachhaltig beendet werden können: durch geduldige und scheinbar oft langweilige Diplomatie.“

Kinotour mit Stefan Kloos

Nach der Uraufführung am 24. März 2025 beim Int. Dokumentarfestival CPH:DOX in Copenhagen und der Deutschen Erstaufführung am 9. Mai 2025 beim DOK-Filmfest München startet „Der Helsinki Effekt“ am Donnerstag, 12. Juni 2025 in unseren Kinos, zu sehen im Roxy Dortmund, im Filmstudio Glückauf Essen und im Metropol Düsseldorf. Der Produzent Stefan Kloos stellt den Film im Rahmen einer bundesweiten Kinotour am Donnerstag, 12. Juni 2025, um 19 Uhr im Roxy Dortmund sowie am Samstag, 14. Juni 2025, um 19 Uhr im Düsseldorfer Metropol vor.

Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Donnerstag, 12. Juni 2025, um 19 Uhr
Juni
14
Samstag
Samstag, 14. Juni 2025, um 19 Uhr Metropol Düsseldorf, Brunnenstraße 20, 40223 Düsseldorf
Mittwoch, 11. Juni 2025 | Autor: Pitt Herrmann