
Sinnliche Geschichts-Lehrstunde
In Liebe, Eure Hilde
Update, Donnerstag (31.10.2024)
Weiterhin zu sehen im Casablanca und im Capitol Bochum, in der Schauburg Dortmund und der Schauburg Gelsenkirchen, im Astra Essen sowie im Bambi Düsseldorf.
Der Kino-Text
Berlin 1942. Hilde (Liv Lisa Fries) ist in Hans Coppi (Johannes Hegemann) verliebt. Ihr erster und letzter Sommer auf dem Zeltplatz am See ist ein besonders heißer – und das in mehrfacher Hinsicht. Hans gehört einer Widerstandsgruppe um Harro (Nico Ehrenteit) und Libertas Schulze-Boysen (Sina Martens) an. Hilde ist eher unpolitisch, bewundert aber seinen Mut und beteiligt sich schließlich an Aktionen wie dem Verteilen von Flugblättern, dem Schreiben von Briefen oder dem Überkleben von Plakaten.
Der Austausch mit dem Sowjetspion Albert Hössler (Hans-Christian Hegewald) ist schon eine größere, gefährlichere Angelegenheit. Schließlich transportiert die inzwischen verheiratete Hilde sogar ein Funkgerät, mit dem ihr Gatte Hans vom Dach einer Berliner Mietskaserne den Kontakt zu ausländischen Gruppen herstellen will. Als der schönste Sommer ihres Lebens zu Ende geht, werden die jungen Leute verhaftet, auch die hochschwangere Hilde. Die im Gefängnis ihren Sohn zur Welt bringt, der ihr die Kraft gibt für die Verhöre durch die Gestapo bis hin zu ihrem letzten Gang…
Differenzierte Figurenzeichnung
Die achte gemeinsame Arbeit von Regisseur Andreas Dresen und Drehbuchautorin Laila Stieler erzählt in ruhig-zurückgenommener, ja eher nüchterner Weise im ersten Teil Hildes Weg von der Gefangennahme bis zur Hinrichtung und im zweiten Teil die Vorgeschichte in Rückblenden. Und das sehr differenziert bis hin zur Zeichnung wichtiger – realer – Nebenfiguren wie der ambivalenten Wärterin Anneliese Kühn (Lisa Wagner) und dem empathischen Pfarrer Harald Poelchau (Alexander Scheer).
Der Film basiert auf der wahren Geschichte von Hilde und Hans Coppi, die, reichlich ideologisch zurechtgebogen, in der DDR Unterrichtsstoff war als Gruppe, die vor allem aus Mitgliedern der verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bestand und für die Rote Armee spioniert hat, wie Horst E. Brandts verklärender Defa-Spielfilm „KLK an PTX – Die Rote Kapelle“ von 1971 mit Ursula Karusseit und Manfred Karge behauptet.
Mit DDR-Mythen aufgeräumt
Wie der am 7. November 1942 im Berliner Frauengefängnis Barnimstraße geborene Historiker Hans Coppi jun., dessen Mutter Hilde acht Monate später im Alter von 24 Jahren in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde, nach Recherchen u.a. in Moskau herausfand, ist die „Rote Kapelle“ weder von der Exil-KPD in Moskau angeleitet worden, noch gehörte sie zum sowjetischen Auslandsnachrichtendienst. Erst nach der Wende konnte mit solchen Mythen aufgeräumt werden.

Der 125-minütige Film, gedreht vom 22. August bis 6. Oktober 2022 in Berlin, Potsdam, Groß Köris, Ketzin-Schmergow und Krahnepuhl, erzählt in langen Einstellungen der Kamerafrau Judith Kaufmann und ohne jedes Musik-Pathos eine auch ohne den unmittelbaren Realitätsbezug berührende, sinnliche Liebesgeschichte zwischen der Arzthelferin Hilde und dem Dreher Hans Coppi. Und zugleich auch eine gerade in unseren Tagen so wichtige, mahnende Geschichte über Anstand und Widerstand, Intuition und Zivilcourage, Würde und den Umgang mit der eigenen Angst. Samt Schlusswort des 80-jährigen Hans Coppi jun. aus dem Off.
Ausgezeichnete Protagonisten
Die beiden Protagonisten, Liv Lisa Fries („Babylon Berlin“) als fragile, stille und doch so starke Hilde Coppi, und der am Hamburger Thalia-Theater engagierte „Nachwuchsschauspieler des Jahres 2022“ (Kritikerumfrage „Theater heute“) und Boy-Gobert-Preisträger Johannes Hegemann in seinem Leinwanddebüt als Hans Coppi, erhielten beim Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2024, wo „In Liebe, Eure Hilde“ mit dem Hauptpreis „Der fliegende Ochse“ für den besten Spielfilm ausgezeichnet wurde, die Preise für die beste darstellerische Leistung.
Uraufgeführt am 17. Februar 2024 im Wettbewerb der 74. Berlinale gabs auf der Filmkunstmesse Leipzig 2024 den Gilde-Preis als „Bester Film national“ und bei den 2. „Heimat Europa“-Festspielen 2024 in Simmern den Publikumspreis. Zum Kinostart am Donnerstag, 17. Oktober 2024 zu sehen im Casablanca Bochum, in der Schauburg Dortmund, im Eulenspiegel Essen, in der Schauburg Gelsenkirchen sowie im Bambi Düsseldorf.
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- Donnerstag, 17. Oktober 2024