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Auf dem Sattel durch die Weiten Russlands.

Teil 2 des Pilgerberichtes

Immer weiter in die Tiefen Russlands

Hier folgt Teil 2 des Berichtes der 13-köpfigen Fahrrad-Pilgergruppe aus Herne und Herten auf ihrem Weg durch Russland - mit dem Fernziel: Peking. (Hier geht's zu Teil 1) Berichterstatter ist Philipp Trzaskowski:

Ankunft in Tosno.

Tag 9 - 1. August 2015: St. Petersburg - Tosno

"Die erste Etappe nach dem Ruhetag ist eine eher kurze. Es geht bis nach Tosno, das etwa 60 km südlich von St. Petersburg liegt. Erneut kämpfen wir uns durch den dichten Verkehr St. Petersburgs. Wie an einer Perlenkette aufgereiht und mit dem Versorgungsfahrzeug am Ende als Schutzschild sind zunächt 15km über dreispurige Straßen zu bewältigen, um die Stadt zu verlassen. Dabei muss man nicht nur auf den Verkehr achten, sondern auch auf kraterartige Schlaglöcher, in denen man mit dem halben Reifen versinkt. An manchen Stellen sind die Straßenverhältnisse gut, fast besser als in NRW, an vielen allerdings nicht. Bei der Infrasturktur ist definitiv Verbesserungs-Potential vorhanden. Mittlerweile kann man die russischen Straßenverhältnisse in verschiedene Kategorien (von schlecht nach gut) einteilen:

Straßenverhältnisse in Russland.

1. Man kann vermuten, dass der Straßenbelag Asphalt sehr nahe kommt. Allerdings sind so viele Schlaglöcher vorhanden, dass der Belag kaum zu erkennen ist. Wir nennen ihn liebevoll Schweizer Käse.

2. Unbefestigte Piste, Untergrund Schotter bzw. fester Sand mit zahlreichen Schlaglöchern. Grundsätzlich gut zu befahren, allerdings nicht an Regentagen.

3. Asphaltstraßen nach Ausbesserungsarbeiten: Es wird hier mit Schaufeln weicher Teer in die Schlaglöcher gefüllt und platt geklopft. Dabei entstehen kleine Hügel in der Straße, die vom späteren Verkehr plattgefahren werden.

4. Hauptverkehrsstraßen, die die Großstädte miteinander verbinden und dem EU-Standard entsprechen.

Begegnung unterwegs.

Die meiste Zeit verbringen wir die Zeit auf den Straßen der Kategorie 1-3, um dem größeren Transitverkehr aus dem Weg zu gehen und um größere Schädigungen des Gehörganges zu vermeiden. Insgesamt bleibt diese Etappe eher unspektakulär. Aufgrund der kurzen Etappenlänge ist endlich mal ein Kaffee am Zielort möglich, den die gesamte Gruppe in der Sonne vor dem Hotel schlürft.

Tagesstrecke: 60 km

Gesamtstrecke 639 km

Begegnung unterwegs.

Tag 10 - 2. August: Tosno - Veliky Novgorod

Die Etappe nach Veliky Novgorod führt uns langsam in die Weiten Russlands. Der Verkehr wird deutlich weniger, und teilweise begegnen uns Auto oder Passanten alle 20 Minuten. Pausen machen wir meistens am Straßenrand. Einfache Holzstämme werden zu Sitzbänken umfunktioniert, Wiesen sind Liegeflächen, und unser Versorgungsfahrzeug ist eine Art Schnellimbiss. Unsere Esskultur passt sich dabei den regionalen Gegegebenheiten an. Es gibt häufig geräucherten Fisch, eingelegte Salate und immer weniger Müsliriegel oder sonstige gewohnte Essbarkeiten. Aber wir sind genügsam und freuen uns, überhaupt etwas zu essen zu haben. Die Einsamkeit wird uns erst bewusst, als wir auf den ersten längeren unbefestigten Streckenabschnitt kommen. Über 40 km ist sich jeder der nächste, und die Gruppe verteilt sich auf mehrere Kilometer. Dabei geht es durch dichte Laubwälder, die scheinbar kein Ende nehmen wollen. An ein Stehenbleiben ist nicht zu denken, da Stechmücken in großer Anzahl nur auf uns warten.

Der weite Blick übers Wasser.

In Novgorod besichtigen wir die Saint Sophia Kathedrale im Stadtzentrum und bekommen während einer Messe echte Einblicke in die orthodoxe Kirchenbräuche. Die Motivation weiterzufahren ist an diesem Tag eher begrenzt, da es regnet und 14 Grad Celsius weit weg von der Wohlfühltemperatur ist. Daher entscheiden wir uns, zusätzlich das nahegelegene Holzmuseum zu besuchen, in dem traditionelle Holzbauten ausgestellt wurden. Leider hört der Regen erst nach 30 km Richtung Ilmen-See auf. Die nächsten Kilometer geht es entlang des Sees auf der Bundesstraße Richtung Staraya Russa. Bei der nächsten Pause genießen wir am Ufer bei Kirschkuchen und Kaffee den weiten Blick übers Wasser.

Tagesstrecke: 172 km

Gesamtstrecke: 811 km

Die Pilgergruppe in Demjansk.

Tag 11/12 - 3./4. August: Veliky-Novgorod - Staraya Russa und Staraya Russa - Demjansk

Die heutige Etappe geht bis nach Demjansk. Bis zu unserem Etappenziel geht es über Straßen der Kategorie 1. Viele kämpfen mittlerweile mit tauben Handflächen, und Dehnungsübungen auf dem Fahrrad sind keine Seltenheit. Die Schlaglöcher machen sich mehr bemerkbar, als wir uns eingestehen wollen, und kurze Abschnitte besseren Asphalts werden als Segen wahrgenommen. Um die Sitzplätze im Versorgungsfahrzeug wird mehr oder weniger gestritten, da Sehnenüberreizungen oder leichte Erkältungen ihre Opfer fordern. Das Wetter ist dagegen bestens, und im Gegensatz zu den letzten Tagen erreichen wir unser Hotel am späten Nachmittag. Wer Demjansk noch nicht kennt, dem sei gesagt, dass der Ort in der Zeit der Sowjetunion hängen geblieben scheint. Die Einrichtung unseres Hotels ist original belassen aus den 1970er Jahren, und aus einem alten Musikplayer schallen russische Schlager, die vermutlich nur die ältere Generation kennen dürfte.

Das beste Zimmer des Hotels.

Ich darf das beste Zimmers des Hotels beziehen. Ein Kronleuchter ist hier noch das Highlight des Zimmers. Eine Tapete ist nicht notwendig, und die Möbel würden als Raritäten in Deutschland gehandelt werden. Aber genau wegen dieser Momente machen wir diesen Urlaub. Einen besseren Eindruck über die Kultur und die Menschen kann man nicht bekommen. Der Ort Dejmansk, der dem einen oder anderen aufgrund der Geschichte des zweiten Weltkrieges bekannt sein könnte, hat ansonsten nicht viel zu bieten. Das einzige Restaurant, wenn man es denn so bezeichnen will, schließt bereits um 19 Uhr - bietet uns aber wie gewohnt bestes Essen zu sagenhaft billigen Preisen. Leider müssen wir feststellen, dass wir mit Englisch geschweige den Deutsch nicht mehr weiter kommen und mehr den je auf unseren Guide angewiesen sind."

Tagesstrecken: 121 km und 106 km

Gesamtstrecke: 1038 km

Mittwoch, 5. August 2015 | Autor: Philipp Trzaskowski