halloherne.de lokal, aktuell, online.
Tanz auf dem Vulkan im Berlin der Zwischenkriegsjahre: Fabian (Anton Balthasar Römer, sitzend) wird von Ruth Reiter (Lise Wolle) umgarnt, im Hintergrund (v.li.) Leander Hesse, Florian Kreßer, Franka Forkel und Luke Venatier.

Schauspielstudenten überzeugen in Kästner-Adaption

'Fabian' oder: Der Gang vor die Hunde

Berlin im Jahr 1931. Der aus Sachsen stammende promovierte Germanist Jakob Fabian (Anton Balthasar Römer) verdingt sich als Texter in der Werbeabteilung einer Zigarettenfabrik. Ihm fehlt jeder Ehrgeiz, sich einen seiner Ausbildung adäquaten Job zu suchen. Viel lieber gibt der 32-Jährige den kühl-distanzierten Beobachter des hauptstädtischen Nachtlebens und lässt sich beim Zug durch Unterweltkneipen, Bordelle und Künstlerateliers von seinem einstigen Heidelberger Kommilitonen und besten Freund Stephan Labude (Leander Hesse) aushalten.

Anzeige: LINKE - Bundestagswahl 2025

Der promovierte Literaturhistoriker kann sich ein luxuriöses Leben leisten: sein Vater, der so vielbeschäftigte wie wohlhabende Justizrat Labude (Michael Lippold), gibt selbst den Lebemann und tanzt am Ende der Weimarer Republik auf dem Vulkan, solange es noch möglich ist. Dabei ist der Millionärssohn, der am Lehrstuhl gerade seine Habilitationsschrift über Gotthold Ephraim Lessing eingereicht hat, im Herzen ein Sozialrevolutionär, der wie die Kommunisten von einer klassenlosen Gesellschaft träumt.

Zahlreiche Affären

Als er kurz vor seiner Hochzeit von seiner Verlobten betrogen wird, stürzt er sich – zusammen mit Fabian – in zahlreiche Affären, so mit der Baronin Ruth Reiter (Lise Wolle), die ein Etablissement zur Anbahnung von zwischenmenschlichen Beziehungen unterhält und für die Eröffnung eines Männerbordells eintritt.

Fabian, den auch politisch mit Labude so gut wie nichts verbindet, hält sich bei Frauen wie der liebestollen Irene Moll (Klara Günther) bedeckt, auch nachdem er das ausdrückliche Plazet ihres Gatten, des Rechtsanwaltes Moll (Michael Lippold) erhalten hat. Bis er im Kabarett Haus Vaterland der selbstbewussten Cornelia Battenberg (Laoise Lenders) begegnet.

Die promovierte Juristin, welche als Justiziarin einer Filmproduktionsfirma ihre Herkunft aus dem Arbeiterbezirk Wedding sorgsam verschleiert, erliegt seinem nachdrücklich-charmanten Werben schließlich, obwohl sie eigentlich zu Männern nur eine berufliche Verbindung sucht. Wie zum einflussreichen Produzenten Makart (Michael Lippold als Helmut-Dietl-Wiedergänger), von dem sie sich eine Hauptrolle in dessen nächstem Filmprojekt verspricht. Sie ist bereit, für die Karriere Makarts Geliebte zu werden.

Ein Unglück kommt selten allein

Fabian, der sich gerade noch zusammen mit dem Adlatus Fischer (Luke Venatier) die schlecht verheilte Blinddarmnarbe des Werbechefs (Michael Lippold) ansehen musste, fällt trotz vielversprechender Marketingideen durchs Raster und reiht sich in die lange Schlange vor dem Arbeitsamt ein. Ein Unglück kommt selten allein: Da Fabian nicht davon überzeugt ist, dass Cornelias „Arrangement“ mit ihrem masochistischen Filmboss der gemeinsamen Existenzsicherung gilt, trennt er sich von ihr und erscheint später, als Cornelia als neuer Stern am Kino-Himmel erstrahlt, auch nicht zum vereinbarten Treffen im Caféhaus.

Und dann wird er auch noch von der Polizei aus dem Bett geklingelt: Stephan Labude hat sich in der elterlichen Villa erschossen. Der Grund steht in einem Brief der Universität: danach ist seine Lessing-Arbeit aus Qualitätsgründen abgelehnt worden.

Begegnen sich zufällig und kommen sich allmählich näher: Constanze Battenberg (Laoise Lenders) und Jakob Fabian (Anton Balthasar Römer).

Doch nichts davon ist wahr: Der Professor hat Labudes Habilitationsschrift sogar als herausragendes Werk in der Schriftenreihe der Universität publizieren wollen. Den Brief hat der wiss. Assistent Dr. Weckerlin (Luke Venatier) verfasst, ein talentloser Konkurrent, der sich mit diesem „Scherz“ am weitaus Begabteren gerächt hat. Für Jakob Fabian ist Welt vor die Hunde gegangen, er kehrt zu seinen Eltern nach Dresden zurück und hofft auf eine Redakteursstelle bei der örtlichen Zeitung. Fabian hat nie mit der Zeit schwimmen wollen. Dass er überhaupt nicht schwimmen kann, wird ihm letztlich zum Verhängnis…

1931 erschienen

„Wir leben in einer großen Zeit, sie wird jeden Tag größer“: Erich Kästners autobiographischer Großstadtroman sollte ursprünglich „Der Gang vor die Hunde“ heißen, wurde aber 1931 in gekürzter, zensierter Fassung unter dem Titel „Fabian. Die Geschichte eines Moralisten“ veröffentlicht.

Erst 2013 konnte das Meisterwerk in der vom Herausgeber Sven Hanuschek wiederhergestellten Ursprungsversion erscheinen, über das Kästner 1950 schrieb: „Das vorliegende Buch, das großstädtische Zustände von damals schildert, ist kein Poesie- und Fotografiealbum, sondern eine Satire. Es beschreibt nicht, was war, sondern es übertreibt. Der Moralist pflegt seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Die Karikatur, ein legitimes Kunstmittel, ist das Äußerste, was er vermag.“

Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste

„Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“: Mit der in Ovationsstärke gefeierten Premiere am Freitag (31.1.2025) hat das Schauspielhaus Bochum die langjährige Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste fortgesetzt. Zusammen mit sieben Schauspielstudenten aus dem Abschlussjahrgang und den beiden gestandenen Darstellern Lise Wolle und Michael Lippold hat der Schauspieler Thomas Dannemann („Iwanow“ in Bochum) den Roman adaptiert und in den Kammerspielen als eine wilde musikalische Revue nach Art der „Babylon Berlin“-Serie inszeniert in der Ausstattung von Justus Saretz (Bühne) und Clementine Pohl (Kostüme).

Mit Franka Forkel und Florian Kreßler als Conférencier-Duo taucht das Publikum rund drei Stunden ein in eine Zeit, die in ihrer Ambiguität Licht und Schatten auf unsere Gegenwart wirft und dabei auch vor provokanten Analogien (Luke Venatier mutiert vom SA-Braunhemd zum CDU-Bundestagshänfling Philipp Amthor) nicht zurückschreckt. Abgesehen vom Protagonisten-Trio können sich die jungen Schauspieler im fliegenden Wechsel in zahlreichen Rollen beweisen. Damit ist der Zweck der Inszenierung erfüllt, die naturgemäß die Lektüre des immer wieder wunderbar ironischen Romans nicht annähernd ersetzten kann.

Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel. 0234 – 33335555. Die weiteren Aufführungen:

  • Sonntag, 16. Februar 2025, 19 Uhr (Restkarten)
  • Mittwoch, 19. Februar 2025, 19.30 Uhr (evtl. Restkarten)
  • Samstag, 15. März 2025, 19.30 Uhr
  • Donnerstag, 27. März 2025, 19.30 Uhr
  • Samstag, 29. März 2025, 19.30 Uhr
Februar
16
Sonntag
Sonntag, 16. Februar 2025, um 19 Uhr Schauspielhaus Bochum, Königsallee 15, 44789 Bochum Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel. 0234 – 33335555.
Weitere Termine (4) anzeigen...
  • Mittwoch, 19. Februar 2025, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 15. März 2025, um 19:30 Uhr
  • Donnerstag, 27. März 2025, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 29. März 2025, um 19:30 Uhr
Sonntag, 2. Februar 2025 | Autor: Pitt Herrmann