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Die cool cats zur 'Gesundheitssuppe'.

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Der Kosten-Karl

Prof. Dr. Dr. Lauterbach ist in der Pandemie hauptsächlich dank Markus Lanz als Corona-Karl berühmt geworden. Er hat die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens an wissenschaftlichen Fakten gemessen. Es ist nicht zu bestreiten, dass er dabei meist richtig lag.

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Nach dem Wahlsieg der Ampelparteien war es dieser Bekanntheitsgrad, der ihn dann auch ins Amt des Gesundheitsministers trug. Aber trotz seiner unzweifelhaften infektionsepidemiologischen Kompetenz meine ich, bei seiner Nominierung doch eine gewisse Zögerlichkeit bemerkt zu haben. Hatte möglicherweise auch der seinerzeit designierte Kanzler Olaf Scholz bemerkt, dass zwischen der epidemiologischen Expertise des Herrn Prof. Karl Lauterbach einerseits und seinem Realitätsbezug zur Einschätzung der alltäglichen Vorgänge im Gesundheitsmarkt andrerseits doch eine gewaltige Lücke klafft? Exemplarisch dafür war sein Vorschlag, Patienten, die einen Termin zu Impfung unentschuldigt verstreichen lassen, mit einer Strafe von 20 Euro zu belegen. Wer, bitte, hätte denn einen derart lächerlichen Betrag eintreiben sollen? Die Ärzte und Zahnärzte, die sich schon einmal bei dem Versuch, wesentlich größere Schadenssummen infolge Terminversäumnissen einzuklagen, von den zuständigen Gerichten geradezu „verarscht“ fühlten, konnten das nur mit der Scheibenwischergeste kommentieren.

Geschichte mit Ulla Schmidt

Dabei war dieser in jeder Hinsicht lächerliche Vorschlag nur ein Hauch gegenüber der größten Kosten-Katastrophe, die das Gesundheitswesen in der Nachkriegszeit erlebt hat: Ich meine die Einführung der G-DRG (German Diagnosis related Groups) im Jahre 2003, auch bekannt als Fallpauschalen für Krankenhäuser. Und daran war neben der verantwortlichen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt auch ein gewisser Karl Lauterbach, der sich gerne als Arzt bezeichnen lässt, obwohl er nie nennenswert in einer verantwortlichen ärztlichen Tätigkeit am Patienten in einer Klinik oder einer Praxis aufgefallen wäre, maßgeblich beteiligt.

Schon lange vor 2003 war bekannt, dass wir in Deutschland viel zu viele Krankenhäuser haben, darunter unzählige kleine „Klitschen“. Alle konnten sich mit der damals gültigen Bezahlung nach Verweildauer ganz ordentlich über Wasser halten. Ich habe mal in einem Krankenhaus, das einem Nonnenorden gehörte, gearbeitet. War die Belegung des Krankenhauses gegen Ende der Woche mal etwas mau, riefen die Nonnen bei ihren Kolleginnen im nahe gelegenen Altersheim, das dem gleichen Orden gehörte, an und „bestellten“ die benötigte Anzahl von Patienten. Die mussten dann spätestens am folgenden Dienstag wieder entlassen werden, sonst hätte das Altersheim Verluste gemacht. Weder bei dem ärztlichen „Komplizen“, der die Einweisungen ausstellte, noch bei den Nonnen habe ich jemals einen Hauch von schlechtem Gewissen bemerkt.

Diesem Treiben, das natürlich nicht überall mit der gleichen kriminellen Energie betrieben wurde, wollte man mit der Einführung der DRG begegnen. Der simple Gedanke war, wenn nur noch die Diagnose für die Bemessung der Vergütung maßgeblich ist, kann mit der Verweildauer kein Gewinn mehr erzielt werden. Die Krankenhäuser, die vor allem von der Verweildauer lebten, wollte man so schlicht in den Ruin treiben.

Schuss ist nach hinten losgegangen

Dieser Schuss ist bekanntlich in einem kaum vorstellbaren Maß nach hinten losgegangen. Konnte man bislang für eine Gallenoperation bei einer Verweildauer von zwei Wochen und einem Pflegesatz von 400 Euro/Tag mit einem Regel-Umsatz 5.600 Euro, der mit einer Verlängerung des Aufenthaltes von drei Tagen, die keiner Begründung bedurften, nochmal um 1.200 Euro zu steigern war, rechnen, war das mit einer Pauschale zwar nicht mehr möglich.

Blitzartig aber haben die Krankenhäuser erkannt, dass da ihre große Chance lag. Brachte eine Gallen-Op bislang maximal 7.800 Euro (wenn man die Verweildauer voll ausreizte), konnte man doch genauso gut zwei Operationen durchführen, die man schon nach 1 Woche entließ. Man musste nur die Indikation zur Operation etwas großzügiger gestalten (nicht jeder zufällig im Ultraschall entdeckte Gallenstein ist operationsbedürftig), schon hatte man einen weiteren lukrativen Fall. Damit erzielte man Zahlungen von gut 10.000 Euro pro Woche. Man konnte also in der Hälfte der Zeit den doppelten Umsatz generieren. Der Hausarzt würde die ambulante Nachsorge schon richten und die eigenen Mitarbeiter würden den zusätzlichen Druck wohl aushalten...

'Die Mutter aller Flatrates'

Was Ulla und Karl damals offenbar nicht bewusst war, ist die Eigenart des deutschen Krankenversicherungssystems. Ich bezeichne es gerne als die Mutter aller Flatrates. Vor allem auf Seiten der Verbraucher, also der Patienten, besteht keinerlei Verantwortung für die verursachten Kosten. Da hat die Werbung dann extrem leichtes Spiel, den Konsum anzuheizen.

Das Ergebnis ist bekannt: Die Fallzahlen in den Kliniken und demzufolge die Kosten im deutschen Gesundheitswesen sind explodiert. Schon vor der Aufnahme ins Krankenhaus wird die Rentabilität des Falles taxiert. Das nennt man dann Triage, die eigentlich mal gedacht war, die Dringlichkeit des Falles zu erfassen. Durch eine atemberaubende Fallzahlsteigerung hat sich ein dramatischer Pflegenotstand eingestellt. Das passiert, wenn praxisferne Theoretiker in dieser heißen Gesundheitssuppe rühren.

1.000 Gesundheitskioske

Jetzt kommt das Gesundheitsministerium mit dem Konzept sogenannter „Gesundheitskioske“ aus den Sträuchern, mindestens 1.000 sollen es werden. Angeblich will man den Zugang zum Gesundheitswesen mit „niederschwelligen“ Angeboten verbessern. Tatsächlich geht es wohl nur darum, die sich anbahnende Versorgungskatastrophe im haus- und kinderärztlichen Bereich zu kaschieren. Gänzlich ungeklärt ist zudem, woher das notwendige Personal kommen soll.

Die Reaktion der Krankenkassen und Kommunen ist angesichts der zu erwartenden Kosten mit „Schnappatmung“ wohl nicht ganz unzutreffend beschrieben.

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Aber mit diesen „Kiosken“ muss ich mich in einer gesonderten Kolumne befassen.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey