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Michael Lippold als Iwan Fjodorowitsch Karamasow in Dostojewskis parabelhafter Binnenerzählung „Der Großinquisitor“ am Schauspielhaus Bochum.

Michael Lippold begeistert mit Dostojewski-Solo

'Der Großinquisitor' in Bochum

Wie viel Freiheit erträgt der Mensch? In Dostojewskis „Großinquisitor“, angesiedelt im Spanien des 16. Jahrhunderts, stattet Jesus Christus der Stadt Sevilla einen Besuch ab. Erweckt ein im Sarg liegendes siebenjähriges Mädchen zum Leben, kümmert sich unter dem Jubel des Volkes um einen Blinden.

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Der greise Kardinal-Großinquisitor sieht den Machtanspruch der Katholischen Kirche in Gefahr, die offenbar nicht mehr die des Sohnes Gottes ist. Denn Jesus will – immer noch – den Menschen die Freiheit geben, selbst über Gut und Böse zu entscheiden. Weswegen ihn der Großinquisitor als Ketzer verhaften lässt und mit der Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen droht…

Bochums Schauspielhaus-Intendant Johan Simons hat in seiner grandiosen, einem Gesamtkunstwerk gleichkommenden Inszenierung des monumentalen Dostojewski-Spätwerks „Die Brüder Karamasow“, wieder auf dem Spielplan, jeweils am Samstag und Sonntag, 27. und 28. April sowie am 25. und 26. Mai 2024, jeweils von 15 bis 22 Uhr (halloherne berichtete), die parabelhafte Erzählung vom Großinquisitor aus dem fünften Buch ausgelassen. Die aus der Sicht des slawophilen Autors, der von einem russischen Reich träumt, das sich bis nach Lissabon erstreckt nachdem es den ganzen degenerierten Westen eliminiert hat, die blutige Inquisition rechtfertigt, weil der Mensch nicht nach Freiheit dürstet, sondern nach Ordnung. Hätte auch Wladimir Putin nicht besser ausdrücken können.

Michael Lippold gehört wieder zum Ensemble

Da trifft es sich gut, dass Michael Lippold (wieder) zum Ensemble gehört. Er bewältigte die Binnenerzählung, eine unglaubliche Konzentrationsleistung, in einem gut einstündigen Solo erstmals am 16. Juli 2011 in der Off-Bühne an der Bochumer Rottstraße 5 in der Regie Hans Drehers.

Der heutige Prinz-Regent-Leiter über seine damaligen Intentionen: „Die Setzung ist, dass Michael den Erzähler als einen ostentativen, klischiert-diabolischen Conférencier spielt, der die Dostojewski-Erzählung ohne vierte Wand, theatralisch kommentierend und stark ironisierend nacherzählt. Der Erzähler, barfüßig, im Hawaiihemd und Sonnenbrille tragend, beginnt den Abend am Grill, ein Stück Fleisch bratend - die erste von vielen Anspielungen auf die Hölle, die Sünde und den Teufel.“

Keller-Oval an der Königsallee ist leergeräumt

Das Bühnenbild bestand seinerzeit unter den Eisenbahnbögen aus einem beeindruckend-mannshohen Haufen Holzstühle, der mit einem lichtdurchlässigen, weißen Tuch abgedeckt war. Das Konglomerat ist im Laufe der Vorstellung vielseitig bespielt und zum Schluss eingerissen worden. Heute ist das Keller-Oval an der Königsallee völlig leergeräumt, wenn Michael Lippold als Iwan Fjodorowitsch Karamasow mit Sonnenbrille, Zigarette im Mundwinkel, Sonnenliege und Grillsachen zu nostalgischer US-Mucke den Raum betritt.

Das an Hans Kresniks Berliner Volksbühnen-Spektakel unter Castorf erinnernde olfaktorische Theater beginnt mit einem kleinen Exkurs in Entsprechung zu Iwans literaturhistorischer Einordnung Dantes, Victor Hugos und der russischen Klosterdichtung bei Dostojewski: Martin Luther, seine Kritik an den Ablassbriefen und den katholischen Gottesdiensten in lateinischer Sprache und schließlich seine an die Wittenberger Kirchentür genagelten Thesen hätten einen Weltenbrand ausgelöst. Wenig später ist die sommerliche Stimmung vorbei und Lippold schlüpft in die Mönchskutte des 90-jährigen Greises, der Jesus Christus verhaften lässt…

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Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel. 0234 – 33 33 55 55. Die nächsten Aufführungen im Oval Office des Schauspielhauses Bochum: Freitag, 26. April 2024, 20 Uhr, sowie Freitag, 24. Mai 2024, 20 Uhr.

Mai
24
Freitag
Freitag, 24. Mai 2024, um 20 Uhr Schauspielhaus Bochum , Königsallee 15 , 44789 Bochum Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel. 0234 – 33 33 55 55.
Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Freitag, 26. April 2024, um 20 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann
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