
Ray Bradburys „Fahrenheit 451“
Dauerbrenner am Rottstr5 Theater Bochum
Im 1953 in New York unter dem Einfluss der Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten erschienenen Roman „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury (1920 – 2012) ist der 30-jährige Guy Montag zwar ein Feuerwehrmann, aber nicht dazu da, Brände zu löschen. Im Gegenteil, in dem autoritären Staat der 350seitigen Dystopie, die auf Bradburys drei Jahre zuvor geschriebener Novelle „The Fire Man“ basiert, gilt es als schweres Verbrechen, Bücher zu lesen oder gar zu besitzen. Weil sie eigenständiges, gar subversives Denken der mit Drogen und Video-Dauerberieselung ruhiggestellten Bevölkerung fördern könnten.
Bücher verboten
„Ein Buch im Haus nebenan ist wie eine geladene Waffe. Man vernichte sie, man entlade die Waffe. Die Feuerwehr wurde zum Hüter unserer Seelenruhe. Zum Sammelbecken unserer Angst. Zur amtlichen Zensur. Zur Legislative und Exekutive in einem“: Guy Montag nimmt seine Aufgabe, Bücher aufzuspüren und zu vernichten, mit Überzeugung wahr, darin unterstützt von seiner Gattin Mildred, die sich tagsüber der Orwellschen Gehirnwäsche auf gleich drei wandgroßen Videowänden unterzieht und nachts nur mit Hilfe von Tabletten einschlafen kann.

Als sie an einer – angeblich – versehentlichen Einnahme einer Überdosis beinahe gestorben wäre, beginnt Guy, der heimlich zur Verbrennung bestimmte Bücher daheim hortet, den Worten seines Vorgesetzten, des Feuerwehr-Hauptmanns Beatty, und seine Arbeit insgesamt kritisch zu hinterfragen. Und wird darin bestärkt von der erst knapp 17-jährigen Nachbarstochter Clarisse, die ihm mit der Kunst der Worte auch den Wert des eigenen, freien Denkens näherbringt und ihn überdies mit den Schönheiten der Natur („Sie schmeckt den Regen“) bekannt macht. Traumatisiert bleibt Guy seiner Arbeit fern, nachdem er auf einem Einsatz einer alten Frau begegnet ist, die sich selbst mit ihren Büchern verbrennen lässt wie einst der polnische Kinderarzt und Buchautor Janusz Korczak, der im August 1942 freiwillig mit seinen von der SS in ein Vernichtungslager deportierten Waisenkindern in den Tod ging…
1966 Verfilmung mit Oskar Werner und Julie Christie
Der Titel „Fahrenheit 451“ beruht auf der falschen Annahme, dass Papier sich bei dieser Temperatur selbst entzündet, was jedoch in den meisten Fällen auf 451 Grad Celsius zutrifft. Der Roman wurde hierzulande vor allem durch Francois Truffauts 1966 mit dem „Goldenen Bären“ der Berlinale ausgezeichnete Verfilmung mit Oskar Werner und Julie Christie bekannt. Marcus Massafra, von 2008 bis 2016 Ensemblemitglied am Schauspielhaus Bochum, hat vor seinem Wechsel ans Schauspiel Stuttgart für das Rottstr5Theater in der Ära des Gründungsleiters Hans Dreher vier Inszenierungen herausgebracht, darunter eine gefeierte „Kohlhaas“-Adaption nach Heinrich von Kleist.
Für „Fahrenheit 451“ hat sich Marco Massafra vor allem an den Roman als an die Verfilmung gehalten, was schon am Figurenarsenal deutlich wird. Seine Fassung für zwei Schauspieler, wobei Michael Kamp die Hauptrolle des Guy Montag übernimmt und Monika Bujinski alle anderen Personen verkörpert, vor allem Gattin Mildred (bei Truffaut Linda) und die junge Mildred (bei Truffaut eine gestandene Lehrerin), steht seit der Premiere im Rahmen des „Rotten Summer“ am 28. Juni 2018 unverändert auf dem Spielplan der angesagtesten Off-Bühne des Reviers.
Binnen siebzig hochspannenden Minuten konzentriert sich die Rottstraßen-Fassung auf die – leider – zeitlos aktuellen Teile des Romans, dessen heute etwas überholt erscheinende Zukunftsvision aus der Entstehungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu verstehen ist. Kein Buch ist auf der Bühne zu sehen, überhaupt sind Requisiten – und wohl erstmals auch Musik - Mangelware: Franziskas Gebhardts Ausstattung beschränkt sich auf die Andeutung eines leeren Regals, das Assoziationen zu Bücherverbrennungen hervorruft wie das erst 1995 an authentischer Stelle auf dem Berliner Bebelplatz errichtete unterirdische Mahnmal des israelischen Künstlers Micha Ullman.
Die nächste Vorstellung an der Rottstraße 5 am Rand des Bochumer Bermuda-Dreiecks: Am Freitag, 3. November 2023, um 19:30 Uhr. Karten unter rottstr.de oder Tel 0163 – 761 50 71.
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- Freitag, 3. November 2023, um 19:30 Uhr