
40 Jahre kommunale Integrationsarbeit
'Integration als gesamtgesellschaftliche Aufgabe'
Regionale Arbeitsstelle zur Förderung der Kinder und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, kurz RAA - unter diesem sperrigen Namen nahmen bei dem 1981 gestarteten Pilotprojekt drei Mitarbeiter ihre Arbeit auf. Am Donnerstag (18.11.2021), genau 40 Jahre später, blickten die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums (KI) - so der heutige Name - Claudia Heinrich, ihre Vorgängerin Radojka Mühlenkamp und Stadtrat Andreas Merkendorf beim Pressegespräch auf die Anfänge der kommunalen Integrationsarbeit zurück und sprachen über heutige Herausforderungen.
Anfangs mit Skepsis begegnet
„Als ich 1981 nach Herne kam und wir mit unserer Arbeit begannen, waren wir sowas wie die Exoten. Wir hatten einige Hürden zu überwinden und es wurde uns anfangs durchaus mit Skepsis begegnet", berichtet die ehemalige Leiterin Radojka Mühlenkamp. „Zur zeitlichen Einordnung damals: Es gab das Anwerbeabkommen und die sogenannten Gastarbeiter. Niemand wusste zu diesem Zeitpunkt, ob die Menschen hierbleiben würden oder nicht. Man dachte wohl, schaden kann so ein Projekt nicht."

Zunächst haben sich die Mitarbeiter auf den schulischen Bereich konzentriert. Dieser teilte sich in schulische und außerschulische Förderung auf. Jedoch starteten sie schon bald auch vorschulische Maßnahmen und merkten schnell: Ohne Eltern geht nichts.
„Es ist schlimm, dass Bildung immer noch so stark vom Elternhaus und deren Einkommen abhängt", so Radojka Mühlenkamp. Das KI hat zur Förderung der Sprache und Integration, neben anderen Angeboten, auch auf Alphabetisierungskurse für türkischstämmige Mütter gesetzt.
Akzeptanz und Haltung gewandelt
„Natürlich standen wir immer unter Erfolgsdruck, aber Integration lässt sich nicht messen. Etwas, was wir aber gemerkt haben war, dass die Akzeptanz und die Haltung gegenüber Zugewanderten gestiegen ist", berichtet Mühlenkamp.
So habe sich Zuwanderung immer schon im Wandel befunden. Vom Anwerbeabkommen über Menschen mit Fluchtgeschichte aufgrund von Armut oder auch Kriegen. „Ich finde es nur legitim, dass Menschen vor Armut und Krieg fliehen, weil sie sich ein besseres Leben für ihre Familien wünschen", sagt Mühlenkamp.
'Garant, dass Integrationsarbeit hochgehalten wird'
Stadtrat Andreas Merkendorf ergänzt: „Ohne das KI hätten wir 2015 systematisch nicht aufarbeiten können. Das KI ist ein Garant dafür, dass Integration in der Kommune hochgehalten wird. Alle demokratischen Parteien sind sich einig über die Wichtigkeit der Kommunalen Integrationsarbeit. Ich bin sehr glücklich, dass das KI bei uns im Dezernat ist und wir so gut zusammenarbeiten."

Weiter führt er aus: „Integration betrifft beide Seiten und wir müssen stetig dran bleiben. Wir müssen laut sein, dass Strukturen offenbleiben. Nicht immer ist alles eitel Sonnenschein, aber wir sind auf einem guten Weg."
Nach 39 Jahren ging Radojka Mühlenkamp 2019 in den Ruhestand, aber ihr Herz hängt immer noch am KI. Ihre Nachfolgerin ist Claudia Heinrich: „Für mich war klar, dass ich in große Fußstapfen trete. Darum bin ich auch froh, dass ich mit Radojka Mühlenkamp immer noch einige Themen besprechen kann."
Brücken bauen und Zugänge erleichtern
Seit zwei Jahren ist Heinrich erst am Ruder, aber es sei schon viel passiert. „Unser Ziel ist es, Brücken zu bauen, Zugänge zu erleichtern und in die Communitys zu gehen. Unsere Schwerpunkte sind Integration durch Bildung und Integration durch einen Querschnitt", so Heinrich.
So gibt es beispielsweise Sprachförderungsangebote, Angebote im Handlungsfeld Gewalt und Extremismusprävention, Gesundheit, Kultur, Sport sowie im Seniorenbereich. Dazu haben sich die Mitarbeiter des KIs ein großes Netzwerk verschiedenster Akteure aufgebaut.
„Wir setzen auch auf Väterarbeiter. Wir wollen Väter in allen Fragen in Bezug auf Erziehung stärken und es wird sehr gut angenommen", berichtet Heinrich. Auch im Hinblick auf traumatisierte Kinder mit Fluchtgeschichte gibt es im KI ein Angebot.
Multidiverses Team bestehend aus 16 Mitarbeitern
Mittlerweile gebe es im KI 16 Mitarbeitende. Laufe alles gut, werde die Anzahl der Stellen noch weiter aufgestockt. „Unser Team ist multidivers und wir decken viele Bereiche ab. Es klingt jetzt vielleicht pathetisch, wenn ich sage, wir leben unsere Arbeit, aber es ist tatsächlich so", sagt Claudia Heinrich.
Alle drei Akteure sind sich einig, dass für eine gelingende Integration immer auf beiden Seiten gearbeitet werden muss. „Ein Kollege sagte einmal zu mir, wenn wir die erste türkischstämmige Tagesschausprecherin haben, dann haben wir es geschafft. Aber es hat so lange gedauert und die Arbeit dauert noch an. Wenn ich jetzt aber die Aussage unseres Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier höre, wie er sagt 'Wir sind ein Land mit Migrationshintergrund', dann glaube ich, wir sind auf einem guten Weg, was Integration betrifft", so Radojka Mühlenkamp abschließend.