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Grelle Tage: Wenn der Permafrostboden schmilzt, kommen Mammutknochen zu Tage, die Begehrlichkeiten wecken. Im Bild (vl.) Danai Chatzipetrou und João d´Orey.

Selma Kay Matters „Grelle Tage“

Zum letzten Mal am 11. Januar 2025 in Bochum

Die Verwundbarkeit der Erde und unserer Körper ist spürbar wie nie. Die Gletscher schmelzen, die Sonne scheint grell. Und trotzdem wollen wir überleben: „Willst du nicht mal ein bisschen ... schlafen?“ - „Nein. Ich mache meine Augen nicht mehr zu. Lieber steck ich mir Zahnstocher zwischen die Lider. Eine Sekunde hab‘ ich nicht hingesehen und der See hat beschlossen, zu gehen.“

„Grelle Tage“ von Selma Kay Matter, uraufgeführt am 12. Januar 2023 am Schauspielhaus Wien, zeigt Momentaufnahmen aus verschwundenen Landschaften, austrocknenden Seen und Körpern, die wieder zum Vorschein kommen. Wie ein 13.000 Jahre alter Hund, der aus dem durch den Klimawandel schmelzenden Permafrost-Eis auftaucht und auf Jo trifft. Zusammen beschließen sie, die klaffenden Löcher der Erde zu schließen. Mit allem, was sie im nächsten Baumarkt finden können. Was den Autor zu einer kapitalismuskritischen Suada veranlasst. Auf ihrer Reise treffen sie auf vergessene Orte in Brandenburg, auf Mammutjäger und fragwürdige Archäologen…

Grelle Tage: Ohne Mikroport geht aufs Bochums Schauspielhausbrettern nichts mehr: Stacyian Jackson und Michael Lippold (v. li.).

„Die Landschaft hat keine Richtung mehr“

Der nichtbinäre Autor Selma Kay Matter, 1998 in Zürich geboren und inzwischen in einem Wohnprojekt in der sachsen-anhaltinischen Provinz lebend, leidet unter der chronischen Multisystemerkrankung ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronic Fatigue Syndrome) und hat u.a. darüber den Roman „Muskeln aus Plastik“ (Hanser-Verlag) geschrieben. Er ist für sein ziemlich verrätselt-anspielungsreiches Debütdrama „Grelle Tage“ 2022 mit dem Hans-Gratzer-Preis sowie einem Sonderpreis des Studiengangs „Szenisches Schreiben“ an der Berliner Universität der Künste ausgezeichnet worden. 2023 erhielt er den österreichischen Theaterpreis „Nestroy“ als bester Nachwuchsautor.

Deutsche Erstaufführung

Die betont feministische Regisseurin Caroline Kapp, die bereits im April 2019 im Oval Office mit „Don’t work – Holidays“ und seit Juni 2021 mehrfach mit der Performance „Deutschland. Ein Labermärchen“ am Schauspielhaus Bochum gastierte, hat dort am 21. September 2024 „Grelle Tage“ in Deutscher Erstaufführung inszeniert. Nach ihrem Studium der Kulturwissenschaften arbeitet sie als freischaffende Regisseurin und Performerin, wobei ihr Arbeitsschwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit Geschichtsschreibung, Erinnerungspolitik und dem kollektiven Gedächtnis liegt.

An ihrer Seite zwei Berliner Ausstatterinnen: Teresa Häußler (Bühne), 1991 geborene Ausstellungsdesignerin und Szenografin, hat seit 2020 mit Caroline Kapp an Produktionen wie „Messy History Lessons“ (Schwere Reiter, München) und „Plantage Dachau“ (Spielart Festival 2023) gearbeitet. Carla Loose (Kostüme), 1994 geborene Modedesignerin und Kostümbildnerin, hat zuletzt in der Kunsthalle am Hamburger Platz, einer Dependance „ihrer“ Kunsthochschule Berlin-Weißensee, sowie als Teil des Berliner Salons 2022 im Kraftwerk in Berlin-Mitte ausgestellt.

Karten für die letzte Aufführung

Die 80-minütige Aufführung mit einem fünfköpfigen Ensemble aus Danai Chatzipetrou, William Cooper, Stacyian Jackson, Michael Lippold und João d´Orey (als Gast) steht ein letztes Mal am Samstag, 11. Januar 2025, um 19.30 Uhr auf dem Spielplan in den Kammerspielen des Schauspielhauses Bochum. Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel 0234 – 33335555.

Montag, 6. Januar 2025 | Autor: Pitt Herrmann