Król-Klassiker in Essen
Zugvögel – Einmal nach Inari
Das waren noch Zeiten, als im „Cinema”, dem längst geschlossenen Programmkino im Bochumer Unicenter, eine Preview mit dem Herner Schauspieler Joachim Król gefeiert werden konnte wie am 15. Juni 1998, als Peter Lichtefelds ungewöhnliches Railroad-Movie „Zugvögel“ drei Wochen vor dem Bundesstart am 9. Juli 1998 gezeigt wurde - in Anwesenheit des Dortmunder Regie-Debutanten Peter Lichtefeld und seines langjährigen Freundes Joachim Król. Nun zeigt das Essener Kino Astra diesen Klassiker im Rahmen seiner großen Król-Retrospektive am Sonntag, 23. November 2025, um 17:30 Uhr.
Traum von der großen weiten Welt
„Der beste Weg im Leben ist nicht immer der schnellste“. Oder, mit den Worten der finnischen Rosenliebhaberin Sirpa (eine Entdeckung: Outi Mäenpää): „Der schnellste Weg ist selten der schönste.“ Auf letzteren kommt es beim Reisen schließlich an. Hannes (Joachim Król) ist ein biederer und vor allem schüchterner Bierausfahrer in der westfälischen Gerstensaft-Metropole Dortmund. Er träumt von der großen weiten Welt und ist so zum Experten für Eisenbahn-Fahrpläne geworden. Jede freie Minute steckt er ins Kursbuch-Studium.
Was liegt näher, als sich an einem internationalen Eisenbahn-Wettbewerb zu beteiligen, auch wenn dieser in einem entlegenen Winkel Europas, dem nordfinnischen Inari am Polarkreis, abgehalten wird? Doch der neue Chef will Hannes keinen Urlaub geben, weshalb ihn die geballte Faust des Unterdogs niederstreckt. Und den Kommissar Stefan Franck (Peter Lohmeyer) auf den Plan ruft, denn Hannes’ Chef wird von seiner Sekretärin (Nina Petri) mit Schädelbruch tot aufgefunden. Franck reist dem Kursbuch-Experten in den hohen Norden nach...
Am Ziel wartet die Polizei
Hannes trifft im Zug auf den kriminellen Schlafwagenschaffner Lako (Oliver Marlo), auf die schöne Finnin Sirpa, auf zwei geheimnisvolle Gestalten (Hommage an die Kaurismäki-Filme: Kati Outinen und Kari Väänänen), die finnische Baggerfahrerin Inkeri und ihren Gatten, den Milchfahrer Asko. Am Zugfenster zieht die fremdartige nordische Landschaft vorbei – und in Inari erwartet Hannes die Handschellen des deutschen Kommissars...
Hommage an den finnischen Tango
„Zugvögel – Einmal nach Inari“, die Idee zum knapp neunzigminütigen Film wurde 1994 bei einem finnischen Filmfestival geboren, bei dem Peter Lichtefeld auf die Kaurismäki-Brüder stieß, vereint das Genre des (Rail-) Road-Movies mit dem des Liebesfilms und dem der Kriminalgeschichte – und das auf hinreißende Art.
Ein Kino der Sehnsüchte kleiner Leute, eine Reverenz an das finnische Kino der Kaurismäki-Brüder, und nicht zuletzt eine Hommage an den finnischen Tango (Musik: Christian Steyer), der im Gegensatz zum argentinischen „Original“ nicht schwungvoll und hitzig-erotisch, sondern schwer, melancholisch, tragisch, tief und ruhig daherkommt.
Vielfach ausgezeichnet
„Zugvögel – Einmal nach Inari“, uraufgeführt im September 1997 beim Filmfest Hamburg, wurde 1998 mit dem Bundesfilmpreis in Silber (Bester Film und Beste Kamera: Frank Griebe) ausgezeichnet, Peter Lohmeyer erhielt den Bundesfilmpreis in der Kategorie „Bester Nebendarsteller“. 1999 gabs den Filmpreis in Silber der Gilde-Programmkinos. Zum Cast gehört übrigens auch Hilmi Sözer, der Ende der 1990er Jahre ein bemerkenswertes „Theater Kohlenpott“-Bühnendebut in den Herner Flottmannhallen gab, bevor er sich nach dem „Ballermann 6“-Hype ganz auf das Leinwand-Comedy-Genre beschränkte. Schade eigentlich!