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Schöne bunte Schirmwelt: v.l. Schirmmacherin Jenny Kossuch und Schirmmachermeister Willy Schüffler vor der Schirm-Annahmestelle in Röhlinghausen.

Schirmmachermeister – Der letzte seiner Zunft

Willy Schüffler lässt niemanden im Regen stehen

Willy Schüffler ist nicht nur Schirmmachermeister aus Überzeugung, sondern auch der letzte seiner Art. Die Manufaktur seiner handgefertigten Schirme liegt nahe dem geographischen Mittelpunkt des Ruhrgebietes – in Röhlinghausen. Verkauft werden diese viel mehr als nur nützlichen Begleiter in seinem Geschäft in Essen-Heisingen.

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Stockschirme mit und ohne Stützen, Taschenschirme, Sonnenschirme, Faltschirme, Modelle mit ausklappbarer Sitzfläche, für Damen, für Herren und für Kinder, sie sind seine Passion. Sein neuester, genialer Hit für alle Vergesslichen: Schirme mit Alarmfunktion – aber dazu später mehr.

Schüfflers Schirme gibt es in allen Farben und Mustern, von Karos über Blümchen bis zu Schmetterlingen. Unverwüstlicher Favorit bei Kunden ist der Regenbogenschirm, der die Laune bei schlechtem Wetter hebt – bei Willy Schüffler gibt es alle, hergestellt in liebevoller Handarbeit.

Schüffler-Schirme gibt es seit 1920

Seine tägliche Arbeit: Schirmmacher-Meister Willy Schüffler setzt die 'Speichen' des Schirmgestänges zusammen.

Seit 1920 werden in dem Familienbetrieb Schirme hergestellt und Willy Schüffler ist Schirmmachermeister in der dritten Generation. Augenzwinkernd sagt er dazu: „Eigentlich in der zweieinhalbten Generation, denn den Betrieb gründeten 1920 meine Großmutter Gertrud gemeinsam mit ihrem Sohn – meinem Vater.“ Der hieß übrigens auch Willy – Willy mit ‚'y‘.

Nach der Ausbildung im elterlichen Betrieb, einem Studium der Textilbetriebswirtschaft in Nagold – einer der renommiertesten Schulen in Deutschland – und der Gesellenprüfung übernahm Willy Junior von Vater Willy 1968 den Betrieb.

„Es waren gute (Schirm-) Jahre“

Schirmmacher-Meister Willy Schüffler verdrahtet in Handarbeit das Gestänge.

„Ich habe von Kindesbeinen an quasi mitgearbeitet. Wir hatten unsere Wohnung, den Betrieb und den Laden in bester Lage in der Essener City. Die 60er/70er-Jahre waren gute Jahre, in denen wir zum Teil 24 Schirmmacherrinnen beschäftigten – plus Verkäufer.“

Der Schirmmacher an sich ist weiblich

Schon damals waren die Schirmmacher meist weiblich. „Das ergab sich schon durch die Näharbeiten“, erzählt Willy Schüffler. Heute sind für die Näharbeiten in dem Meisterbetrieb seine Frau Claudia und die Schirmmacherin Jenny Kossuch zuständig. Allerdings beherrschen die beiden Frauen auch alle anderen Arbeiten, die es braucht, um einen Schirm herzustellen.

Hat den rutschigen Schirmstoff fest im Griff: Schirmmacherin Jenny Kossuch an der Nähmaschine.

Jenny Kossuch ist seit über 20 Jahren in dem Betrieb beschäftigt und stolz auf ihre Arbeit. „Ich freue mich, dass ich so einen interessanten Job habe. Hier kommt es auf Präzision an", erzählt sie im halloherne-Gespräch und schiebt lächelnd hinterher, „und mit der Zeit lernt man auch, den rutschigen Stoff zu händeln.“

„Wir sind ein Meisterbetrieb!“

Schirmmacherin Jenny Kossuch an der Maschine, die die Krone in den Stoff stanzt.

Heute ist sein Betrieb deutschlandweit der einzige Meisterbetrieb. „Es gibt keinen Zweiten, der ebenfalls in einer Handwerkskammer eingetragen ist und ausbilden dürfte“, erzählt Schüffler im halloherne-Gespräch. Das macht ihn zwar einerseits stolz, aber auch wehmütig, da sein Handwerk, in dem die Ausbildung seit 1999 ruht, auszusterben droht. Heute würde er keinem jungen Menschen mehr empfehlen, dieses alte Handwerk zu erlernen, da der finanzielle Schiffbruch vorhersehbar wäre.

Billigware aus Fernost im Vormarsch

Willy Schüffler spricht aus Erfahrung: „Der Druck durch Schirm-Billigware aus Fernost ist so gewaltig, dass man in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren kann.“ Jahr für Jahr würden 26 Millionen Billigschirme aus China importiert, deren Durchschnittspreis bei 2,79 Euro liegt.

Schlechte Zeiten für gute Schirme?

Schüffler empört sich: „Das sind Schirme, die den ersten Regen meist nicht überstehen. Schirme, die ganz bewusst auf Verbrauch hergestellt werden. Das ist das Konzept der großen Supermärkte, die so einen riesigen Müllberg produzieren.“ Das passiert bei seinen, in Handarbeit hergestellten Schirmen nicht, sie halten idealerweise ein Leben lang. Der Meister-Schirmmacher fertigt die Schirme noch per Hand – auf Wunsch auch Einzelstücke.

Das Schirmmacher-Handwerk entstand in den 30er-Jahren aus dem Drechslerhandwerk. Und auch heute noch haben die Griffe für den Meister eine große Bedeutung. „Die Verarbeitung der einzelnen Hölzer ist nicht unkompliziert und erfordert fachliches Wissen und Können.“ Allerdings würde es immer schwieriger, an die Materialien zu kommen, die Willy Schüffler gerne hätte, um einen Schirm herzustellen, der seinen Ansprüchen genügt.

Krücke oder Griff – auf das Material kommt es an

Griffe aus edlen Hölzern bekommen bei Willy Schüffler den letzten Schliff.

Schüffler verarbeitet heimisches Holz, aber auch wertvolle importierte Hölzer. So arbeitet er zum Beispiel mit einem kleinen Handwerksbetrieb in Manila zusammen. Hier wird neben dem Malakkarohr auch der Perlbambus in vielen kleinen Schritten zu einem edlen Schirmgriff gebogen. „Das dauert Wochen und es gibt auf der ganzen Welt keinen zweiten Betrieb, der dazu in der Lage ist“, weiß Schüffler.

Auch wer Edelmetall schätzt, wird bei Schüffler fündig: Auf Wunsch verarbeitet er Griffe aus Sterlingsilber, dafür muss der Kunde dann allerdings gut 1.000 Euro auf den Tisch legen. Ein weiteres spezielles Modell für mondäne Abendrobe hat Schüffler in Kooperation mit der Firma Swarowski entwickelt. Die glitzernden Schirmgriffe liefert das Unternehmen exklusiv an den Meister aus Wanne-Eickel. „Daraus wird ein Schirm, der zur Abendgarderobe ins Theater getragen wird, handgefertigt mit einem sehr wertvollen und individuellen Schirmstoff“, erzählt der Meister. 349 Euro kostet das glitzernde Schmuckstück. Auch dafür gebe es Kunden, mehr als ein Modell sei davon bereits geordert worden, versichert der Meister.

„Es gibt Hoffnung"

Ganz besonders hat sich Willy Schüffler in der vergangenen Woche über einen Kunden aus Köln gefreut. „Es war ein Student, der betonte, auf keinen Fall die Wegwerfgesellschaft unterstützen zu wollen. Obwohl er wenig Geld habe. Er wollte einen Schirm haben, der ihn sein Leben lang begleitet und kaufte einen wertigen Schirm bei uns. Das macht doch Hoffnung", freut sich der Herr der Schirme.

Der Meisterbetrieb repariert auch

Regenschirme: Sie kommen aus ganz Deutschland und wollen alle repariert werden.

2.500 Schirme werden jährlich in seiner Manufaktur hergestellt, in Spitzenzeiten waren es zehnmal so viele. Schirme, die mit viel Liebe hergestellt werden. Schirme, die zehn Speichen und ebenso viele Stoffdreiecke haben und auch Stürme überstehen. Und wenn der Sturm doch einmal stärker sein sollte, so repariert der Meisterbetrieb auch. „Den Großteil der zu reparierenden Schirme bekommen wir per Post zugeschickt – aus ganz Deutschland wohlgemerkt. – Wir schwimmen gegen den Strom der Wegwerfgesellschaft,“ ist Willy Schüffler stolz. Auf seiner Webseite rain-fashion gibt es dazu und noch viele weitere Infos.

Der Schirm – einst Herrschersymbol

„Schirme gibt es seit 4.000 Jahren“, erzählt der Meister, der auch immer wieder (Schirm-) Vorträge hält und damit auch beim halloherne-Gespräch in seinem Element ist. „In früheren Zeiten waren Schirme ein sehr wertvolles Produkt, waren ein Herrschaftssymbol und den Königen und Fürsten vorbehalten. Der Schirm hatte schon immer eine Schutzfunktion, daher leiten sich auch die Worte Schirmherrschaft und Schirmherr ab. Der Schirm als Statussymbol bestand aus edlen Materialien und hatte zum Beispiel Griffe aus Elfenbein, Gold oder Sterlingsilber und Stoffe aus Brokatseide.“

Heute – nahezu nur Online

Präzision ist beim Schneiden des edlen Schirmstoffes angesagt: Schirmmeister Willy Schüffler am Schneidetisch.

Das große Geschäft läuft bei Willy Schüffler heute zu 90 Prozent über den Online-Handel. Schirme, die den Meisterbetrieb verlassen, kosten zwischen 50 und 1.000 Euro. So und da kommen wir auf den eingangs erwähnten GPS-Tracker zurück. Auf Wunsch kann er in den edlen Regenschutz eingenäht und mit dem Handy verbunden werden. Entfernen sich Handy und Tracker weiter als 20 Meter voneinander, dann schlägt das Handy Alarm und informiert den Besitzer darüber, wo das gute Stück steht.

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Ruhestand nicht in Sicht

Willy Schüffler hat das Renteneintrittsalter schon länger überschritten, aber ans Aufhören denkt er noch lange nicht und sagt: „Mir macht mein Beruf so viel Freude, dass ich mir ein Leben ohne diese Arbeit nicht vorstellen kann.“ Neben der Freude, seine Kunden nicht im Regen stehen zu lassen, hat Willy fast genau so viel Freude daran, Ausflüge auf seinem Motorrad zu unternehmen: Hierbei wünscht er sich ausnahmsweise einmal keinen Regen.

Donnerstag, 20. November 2025 | Autor: Carola Quickels