halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Der intrigante Heiratsvermittler (Michael Tews) bequatscht Marie (Heejin Kim), während ihre Eltern im Hintergrund (Piotr Prochera und Anke Sieloff) schon ‘mal aufs gute Geschäft anstoßen.

'Die verkaufte Braut' am MiR

Warten auf'n Bus

Warten auf’n Bus. Während der rasanten Ouvertüre sitzt hinter dem transparenten Gazevorhang ein veritabler Bär an einer Haltestelle, der Fahrplan ist mit dicken roten Strichen durchkreuzt. An diesem durch stilisierte Hütten in Tiny-House-Größe charakterisierten Dorf (Bühne: Marialena Lapata) hält schon lange nichts mehr. Rechts lässt Wenzel Papierflieger vom Hausdach gleiten, links halten Jungs in Krachledernen am Kirchweihtag Brautschau: Wer die meiste „Marie“ mit in die Ehe bringt, hat bei ihnen die besten Chancen.

Anzeige: Glasfaser in Crange

Die Bauerntochter Marie (die junge Sopranistin Heejin Kim vom Opernstudio NRW) gehört nicht zu den reichen Mädchen, im Gegenteil. Weil ihr Vater Krušina (Piotr Prochera) die Schulden beim reichen Großbauern Micha (Urban Malmberg alternierend mit dem jungen ukrainischen Bass Yevhen Rakhmanin) nicht bezahlen kann, freut sich der Heiratsvermittler Kecal (Michael Tews / Philipp Kranjc) auf eine satte Provision: Marie soll Michas geistig zurückgebliebenen und darob von der Dorfjugend arg gemobbten Sohn Wenzel (anrührend: Tobias Glasgau) heiraten – und alle Verbindlichkeiten sind getilgt.

Marie liebt den Knecht

Marie aber liebt Hans (Martin Homrich), den Knecht ihrer Eltern. Der ihr freilich verheimlicht hat, dass er der Erstgeborene Michas ist, seinerzeit von der herrischen Stiefmutter Háta (Almuth Herbst) vertrieben, und nun ohne sich zu erkennen zu geben ins heimische Dorf zurückgekehrt ist. Wer geliebt wird, der ist reich genug? 300 Gulden wäre es Kecal wert, wenn Hans freiwillig zurückträte und Marie seinem – unerklärten – Halbbruder überließe…

Wenzels circensischer Traum einer Befreiung aus den dörflichen Zwängen, v.l. der Direktor der Komödianten (Bogil Kim), die Artistin Esmeralda (Dongmin Lee) und auf dem Dach das gebrannte Kind Wenzel (Tobias Glagau).

Bedřich Smetanas „Die verkaufte Braut“, am 30. Mai 1866 im Prager Interimstheater uraufgeführt, gilt heute als tschechische Nationaloper, obwohl der böhmische Komponist deutschsprachig aufwuchs und sein mit viel regionalem Kolorit angereicherter Dreiakter erst 1892 in Wien bei einer Aufführung im Rahmen einer internationalen Theaterausstellung die ihm gebührende Anerkennung fand.

Die Brillanz kommt zum Tragen

Unter der zupackenden musikalischen Leitung des Rasmus Baumann-Schülers Peter Kattermann, der u.a. mit „Frau Luna“ wie mit „Krabat“ am MiR überzeugte, kommt die Brillanz der Komischen Oper voll zum Tragen, von folkloristischen Klängen über schmissige Walzer- und Polka-Tänze bis hin zu sentimentalen Duetten (Hans und Maria: „Mit der Mutter sank zu Grabe“) und Maries zu Herzen gehender Klage-Arie „Endlich allein“ im 3. Akt. Gelsenkirchen hat sich zu Recht für die letzte Fassung des Komponisten von 1870 mit Rezitativen, welche die bisherigen Prosa-Dialoge ersetzten, entschieden.

Regisseurin Sonja Trebes („Belsazar“, „Neues vom Tage“) stammt selbst aus dem ländlichen Franken, weshalb ihr weder die Bräuche noch der starke Zusammenhalt in der dörflichen Gemeinschaft einschließlich der umfassenden sozialen Kontrolle aus dem Libretto Karel Sabinas fremd sind. In ihrer rund dreistündigen Inszenierung ist die Zeit stehen geblieben, statt grassierender Landlust-Bewegung tumbe Gewaltanwendung stumpfer Bauerntölpel aus den sozialkritischen Volksstücken eines Franz Xaver Kroetz - einerseits.

Lustige Einfälle

Andererseits erfreuen lustige Einfälle wie Hans‘ Brautwerbung mit einer festlich illuminierten Kuh oder der Verlobungsring aus dem Nachkriegs-Kaugummiautomaten das applausfreudige, wenn auch nicht gerade enthusiasmierte Publikum ebenso wie Anke Sieloffs szenische Petitesse als Maries schnapsdrosselige Mutter Ludmila. Wer die zweite Vorstellung besuchte, kam in den besonderen Genuss eines Gastes von der Oper Dortmund, der kurzfristig für den erkrankten Martin Homrich einsprang: der Tenor Alexander Geller unterbrach die Proben für Emmerich Kálmáns Operette „Gräfin Mariza“, in der er ab 3. Dezember 2022 in der Inszenierung Thomas Enzingers die Partie des Grafen Tassilo singt.

Anzeige: Osterbrief

Weitere Termine und Karten

Karten für die weiteren „Braut“-Vorstellungen unter musiktheater-im-revier.de oder an der Theaterkasse unter Tel 0209 – 40 97 200.

  • Samstag, 26. November 2022, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 4. Dezember 2022, 16 Uhr
  • Sonntag, 11. Dezember 2022, 18 Uhr
  • Sonntag, 8. Januar 2023, 18 Uhr
  • Donnerstag, 12. Januar 2023, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 12. Februar 2023, 18 Uhr
  • Samstag, 11. März 2023, 19.30 Uhr
  • Samstag, 22. April 2023, 19.30 Uhr
Vergangene Termine (8) anzeigen...
  • Samstag, 26. November 2022, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 4. Dezember 2022, um 16 Uhr
  • Sonntag, 11. Dezember 2022, um 18 Uhr
  • Sonntag, 8. Januar 2023, um 18 Uhr
  • Donnerstag, 12. Januar 2023, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 12. Februar 2023, um 18 Uhr
  • Samstag, 11. März 2023, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 22. April 2023, um 19:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann