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Can Dündars „Verräter“ am WLT, Neven Nöthig (vorne) als Can Sündar, hinten Songül Karaca als Ayla.

WLT gastiert mit Adaption Dündars Autobiographie

„Verräter“ im Kulturzentrum

Die Bühne: ein Käfig (Ausstattung: Anja Müller). Mete Akyol (Andreas Kunz, zuletzt „Undercover Dschihadistin“) sitzt als „Wache der Hoffnung“ vor dem Gefängnis, in dem Can Dündar („Tschick“ am Theater Kohlenpott: Neven Nöthig) eingesperrt ist. Sechs Jahre Haft für den journalistischen Whistleblower, weil er die Wahrheit schrieb - am 29. Mai 2015 in der renommierten türkischen Tageszeitung Cumhuriyet, dessen Chefredakteur er ist, über geheime Waffenlieferungen der türkischen Regierung an den sogenannten „Islamischen Staat“. Kurz darauf stellt der türkische Staatspräsident Erdogan Strafanzeige und fordert für Dündar lebenslange Haft wegen Spionage. Am Tag der Urteilsverkündung wird vor dem Gerichtsgebäude auf ihn geschossen.

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Dilek Dündar (Susanne Kubelka, zuletzt „Schmerzliche Heimat“), und ihr Mann Can sprechen nach seiner Haftentlassung im „The Guardian“-Interview über traumatisierende Erfahrungen hinter Gittern, aber auch über die erfahrene internationale Solidarität. Nach dem Putschversuch im Juli 2016 von Teilen des Militärs, welcher der Gülen-Bewegung zugerechnet werden, kehrt Dündar von einem Auslandsaufenthalt nicht nach Istanbul zurück. Sondern zieht nach Berlin zu Ayla (WLT-Debüt für die Kölner Schauspielerin Songül Karaca), einer Freundin. Und die Gitterstäbe mutieren zum Vogelbauer: Exil in Deutschland, während seine in Sippenhaft genommene Gattin die Türkei nicht verlassen darf und sein Sohn in London lebt.

Can Dündars „Verräter“ am WLT, Susanne Kubelka (li.) als Dilek Dündar und Söngül Karaca als Ayla.

Ein Goldener Käfig ist die deutsche Hauptstadt für Can Dündar nicht: Es ist ein Leben zwischen Ehrungen und Anerkennung auf der einen Seite, alltäglichen Bedrohungen und akuter Gefahren durch aufgehetzte Erdogan-Anhänger auf der anderen Seite. Fünf Bodyguards weichen nicht von seiner Seite, dennoch bleiben Furcht und Ungewissheit bei jedem Gang in die Öffentlichkeit. Trotz aller Bedrohungen, Einschüchterungsversuchen und Repressalien, dem Hass, der ihm auf unterschiedlichen Wegen entgegengebracht wird, schreibt und berichtet Can Dündar unerschütterlich weiter. Zeugnis vom persönlichen Schicksal eines Flüchtlings, vom immer wieder aufs Neue notwendigen Kraftaufwand, weiterzumachen als ein in Würde und Freiheit lebender Mensch legt er in seinem Buch „Verräter“ ab, dass der leitende Dramaturg Christian Scholze für das Westfälische Landestheater adaptiert und inszeniert hat. Ergänzt um Ausschnitte aus dem im Juni 2018 erschienen Essay „Tut was!“, der Vision einer zukünftigen Gesellschaft mit individuellem bürgerschaftlichem Engagement, sowie Äußerungen aus Gesprächen mit Can Dündar und seiner Frau Dilek Dündar.

„Wir möchten dem Schicksal Can Dündars, der trotz aller Bedrohungen und Gefahren unnachgiebig seine Position vertritt, aber auch seinen Überzeugungen und gesellschaftspolitischen Visionen einen Raum geben“, erläutert Scholze seine Motivation. Seine pausenlose neunzigminütige Inszenierung ist bemüht, nicht zu einer todernsten Angelegenheit zu werden. Humorvolle (Selbst-) Reflektionen Can Dündars helfen ihm dabei, auch dessen realsatirische Blicke auf das verregnete und durchbürokratisierte Deutschland. Andererseits mündet der bewusst Emotionen weckende Abend in ein affirmatives Statement. Can Dündar: „Ich möchte dem Publikum zeigen, dass es sich lohnt, immer, absolut immer für seine eigenen Werte einzustehen.“

Inzwischen hat Talisa Lara Schmid, WLT-Debüt des früheren Dortmunder Ensemblemitglieds, für Songül Karaca die Rolle der Ayla übernommen. Das Westfälische Landestheater gastiert mit dieser nachhaltig beeindruckenden Dramatisierung am Montag, 10. Januar 2022, im Herner Kulturzentrum.

Karten

Karten sind im Vorverkauf über die ProTicket-Hotline unter 02 31 / 917 - 22 90 oder online unter proticket.de erhältlich. Direktverkauf: Stadtmarketing Herne, Kirchhofstraße 5, 02323 / 919 – 0514. 18/25 Euro; ermäßigt 9,25/12,75 Euro.

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  • Donnerstag, 28. April 2022, um 19:30 Uhr
Dienstag, 19. April 2022 | Autor: Pitt Herrmann