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Bundesjustizministerin Stefanie Hubig will verbale sexuelle Belästigung unter Strafe stellen. halloherne hat Reaktionen zum Vorstoß eingefangen (Symbolbild)

Reaktionen zum Vorstoß von Justizministerin Hubig

Sollte Catcalling strafbar werden?

Nahezu jedem jungen Mädchen und jeder Frau ist es schon mindestens einmal in ihrem Leben passiert, dass ihr fremde Männer ungewollt hinterherpfeifen oder anzügliche Bemerkungen machen. Dies ist nicht nur unangenehm, sondern kann besonders für junge Mädchen einschüchternd und verletzend sein.

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Strafe für verbale sexuelle Belästigung gefordert

Deshalb strebt die Bundesjustizministerin Stefanie Hubig nun an, dass sogenannte Catcalling - also die verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum - künftig unter Strafe gestellt werden sollte. Bereits Anfang September 2025 hatte sich ihre Parteikollegin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sonja Eichwede im Magazin Stern dahin gehend geäußert, dass diese Art von Belästigung unter Strafe gestellt werden sollte.

Die Koalitionskollegen der CDU lehnten den Vorstoß damals bereits als Symbolpolitik ab. Aber Deutschland wäre mit einer Strafe für verbale sexuelle Belästigung nicht allein. Seit 2018 ist Catcalling strafbar und wird mit einer Geldstrafe geahndet. Ähnlich sieht es auch in den Niederlanden aus. Hier steht diese Art der Belästigung seit Juli 2024 unter Strafe.

halloherne hat bei der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Schattenlicht und dem Büro für Gleichstellung und Vielfalt nachgefragt, was sie von einer möglichen Strafbarkeit von Catcalling halten würden.

Auch mit solchen Abwertungen wie Bitch müssen sich Frauen und Mädchen auseinandersetzen (Symbolbild)

'Wichtig ein Zeichen zu setzen'

Annelie Gogolla von der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Schattenlicht macht im Gespräch mit halloherne deutlich, dass die sie eine Strafbarkeit von Catcallig befürworten würden. „Es ist wichtig, dass ein Zeichen gesetzt wird, weil das oft noch so belächelt und nicht ernst genommen wird“, so Gogolla.

Gogolla mutmaßt, dass einige Männer, die Frauen verbale sexuelle belästigen, vielleicht auch gar nicht so ein Unrechtsbewusstsein in diesem Moment haben. Die Mitarbeiterin von Schattenlicht könnte sich vorstellen, dass einige Männer im Falle einer Strafbarkeit ihr Handeln vielleicht mehr hinterfragen würden.

Denn, dass das Catcallen bei Mädchen und Frauen Spuren hinterlässt, weiß Annelie Gogolla nur zu gut. Als Mitglied des Herner Mädchenarbeitskreises, der sich jährlich in Zusammenarbeit mit dem Queeren Arbeitskreis, am bundesweiten Anti-Catcalling-Tag beteiligt, hat kommt sie regelmäßig mit vielen jungen Frauen und Mädchen ins Gespräch (halloherne berichtete und berichtete).

Mädchen haben Angst alleine unterwegs zu sein

Annelie Gogolla von der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Schattenlicht kennt die Erfahrungen viele junger Mädchen.

„Mädchen erzählen uns, dass sie teilweise Angst haben abends unterwegs zu sein und es ihnen super unangenehm ist, da ihnen schon vielfach sehr sexistische Sprüche hinterhergerufen wurden“, berichtet die Mitarbeiterin von Schattenlicht. „Es ist auch so, dass sie fürchten: Was könnte als Nächstes passieren...außer dem Spruch?“

Catcalling sei eine Grenzverletzung, die bei vielen Mädchen und Frauen noch lange nachhallt. Besonders Frauen und Mädchen die schon schlimme Erfahrungen machen mussten, können durch die verbale sexuelle Belästigung getriggert werden.

Betroffene von sexualisiert Gewalt können getriggert werden

„Es gibt Frauen und Mädchen an denen prallen solche Sprüche ab, aber es gibt auch Betroffene von sexualisierte Gewalt, bei denen durch solche eine Grenzverletzung nochmals einige hochkommt und auslösen kann“, erläutert Annelie Gogolla.

Weiter macht sie deutlich: „Männer machen sich da vielleicht gar keine Gedanken drum, aber für viele Frauen und Mädchen kann es bedeuten, dass sie durch diese Erfahrungen ihren Alltag ändern und sich nicht mehr so freibewegen.“

Catcalling macht etwas mit den Betroffenen.

Betroffene geben sich Schuld an dem Vorfall

Ähnlich sieht es auch Melanie Kampa, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Herne. Sie sieht die Folgen von Catcalling ebenfalls als gravierend an. „Catcalling verursacht bei den Betroffenen unangenehme Gefühle wie Scham, Unwohlsein, Angst, Ekel oder Ohnmacht. Betroffene berichten unter anderem von Schlafstörungen, Atembeschwerden, Schwindel und Übelkeit“, so Kama.

Weiter führt sie gegenüber halloherne aus: „Oft geben sie sich selbst die Schuld an dem Vorfall und fragen sich, ob sie die Situation durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten provoziert haben. Einige Betroffene fühlen sich im öffentlichen Raum nicht mehr sicher und meiden bestimmte Orte. Andere ziehen bestimmte Kleidungsstücke nicht mehr an. Catcalling schadet somit dem Selbstwertgefühl der Betroffenen und schränkt ihre Bewegungsfreiheit ein.“

Deshalb spricht sie sich auch für eine mögliche Strafbarkeit von Catcalling aus. „Ich finde es richtig, Frauen vor aggressiver, sexueller Belästigung im öffentlichen Raum zu schützen. Viele Frauen und Mädchen erleben täglich Catcalling. Deswegen ist es wichtig, rechtliche Klarheit zu schaffen. Catcalling ist kein Kompliment, sondern überschreitet die persönlichen Grenzen der Betroffenen. Der Vorstoß signalisiert den Betroffenen: Wir nehmen euch ernst“, zeigt Melanie Kampa ihre Zustimmung zum Vorstoß.

Melanie Kampa, stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Herne.

Mögliche Sanktion hätte Signalwirkung

Ob eine Strafbarkeit von Catcalling wirklich zu einer Veränderung bei potentiellen Täter führen kann, ist sich die Mitarbeiterin des Büros für Gleichstellung und Vielfalt unsicher.

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Dennoch macht sie abschließend deutlich: „Im Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist nicht-körperliche sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verboten. Konsequent wäre es, diese auch im öffentlichen Raum zu sanktionieren. In anderen Ländern ist Catcalling bereits strafbar – zum Beispiel in den Niederlanden seit Juli 2024. Indem Catcalling unter Strafe gestellt wird, zeigen wir als Gesellschaft, dass dieses Verhalten nicht toleriert wird. Ob dies direkt zu einer Änderung des Verhaltens führen wird, kann ich nicht sagen. Aber die die Sanktionierung dieses Verhaltens hat mit Sicherheit Signalwirkung. Im besten Fall überdenken potentielle Täter ihr Verhalten.“

Sonntag, 21. September 2025 | Autor: Julia Blesgen