
Erschreckende Reichsbürger-Parallelwelt
Soldaten des Lichts
David, der in Frankfurt/Main das Restaurant „Rohkosteria“ betreibt und unter dem Namen „Doctor Raw“ auch allerlei Nahrungsergänzungs- und Heilmittel übers Internet vertreibt, gehört zu den glühenden Anhängern Peter Fitzeks, dem selbsternannten Monarchen im „Königreich Deutschland“. Er ist zusammen mit seiner Partnerin Anna in den sog. Sozialen Medien aktiv und regt sich tierisch darüber auf, dass gerade sein Tiktok-Kanal geschlossen worden ist. Muss er sich halt auf seinen Zweitkanal bei Instagram konzentrieren.
Wildkräuter gegen Krebs
Wahlweise auch als „Mister Raw“ unterwegs betätigt sich David als Wunderheiler, der etwa Krebspatienten eine Therapie mit Wildkräuter-Säften als Alternative zur klassischen Medizin nahelegt. Er hat eine Schar von zumeist jungen Mitstreitern um sich geschart, die er für Kost, Logis und Therapie gnadenlos ausbeutet. Unter diesen „Soldaten des Lichts“ ist mit Timo ein ausgebildeter Maler und Lackierer, der sich in seiner Freizeit im Fitness-Studio stählte. Als das in der Corona-Zeit schließen musste, radikalisierte er sich auf „Spaziergängen“ der Reichsbürger-Szene.
Von der Dunkelheit zum Licht
„Timo war schwer psychotisch, völlig in einer anderen Welt, von der Dunkelheit komplett besetzt, und was wir mit ihm gemacht haben“, so David in seinem Insta-Kanal, „ist nicht nur auf geistiger, sondern auf körperlicher Ebene zu sehen.“ Timo zieht auf Davids Aufforderung seinen Pulli über den Bauch hoch: „Und das ist einfach ein Wunder. Leute, das ist, was Mister Raw den ganzen Tag macht, und wieso dieser Laden hier geschlossen werden soll. Denn wenn wir mehr Menschen wie Timo in ihre Kraft bringen, wird die Welt bald nicht mehr so aussehen. Wir sind: Soldaten des Lichts.“

Wunderheiler Sananda
Zu den Protagonisten der Influencer-Szene mit erschreckend hohen Follower-Zahlen gehört auch die leider bitterernst zu nehmende Lachnummer eines selbsternannten Heilands namens Sananda, der eine spiritistische Gemeinschaft von Impfverweigerern dazu bringt, mit der Erde unter ihren Füßen in Kontakt zu treten. Aus dem einstigen Sozialhilfeempfänger, der behauptet, „mit der Geisterwelt Gottes“ in unmittelbarer Verbindung zu stehen, ist ein schwerreicher Mann geworden, der vor Davids Kamera offen bekundet: „Ich weiß nicht wohin mit dem Geld.“
Rechts kommt von Recht
Julian Vogels Kamera ist dabei, als David seine Anhänger mit Rollenspielen indoktriniert, mit dem Kfz-Meister Josh eine Insta-Story dreht („Ich bin Mitte, aber eher rechts, weils von Recht kommt“), ein eher schwach besuchtes Hoffest mit Live-Musik und jeder Menge Infoständen esoterischer und den Reichsbürgern nahestehenden Verbänden veranstaltet und ein veganes Menü für seine Anhänger von seinem Mitstreiter Sananda „mit höchster göttlicher Energie“ segnen lässt. Das alles bedarf keines Kommentars der Dokumentaristen, solche Unsinn entlarvt sich selbst. Was nicht heißt, dass man diese Life Craches und ihre kruden Verschwörungstheorien auf die leichte Schulter nehmen kann. Weshalb es umso erstaunlicher ist, wie nahe Johannes Büttner und Julian Vogel den Exponenten dieser Parallelwelt kommen konnten.
König von Deutschland
Nicht erst seit der Auflösung der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppe um den selbsternannten „König von Deutschland“, Peter Fitzek, brennt das Thema des Films allen Demokraten unter den Nägeln: die Propagandisten an den Schnittstellen zwischen sektenähnlicher Esoterik, Influencertum, Verschwörungsideologien und sich bürgerlich gebenden politischen Gruppierungen und Parteien sind in manchen Teilen der Republik inzwischen mehrheitsfähig. Dabei sind die Filmemacher besonders an der emotionalen Realität der Protagonisten dieser Szene interessiert.
Tödliche Sackgasse
Und der ihrer Opfer, zu denen Timo gehört, der sich am Ende zwar von David befreien kann, was ihn aber – in Luxemburg – in eine weitere, letztlich tödliche Sackgasse führt. Die Dokumentaristen fragen, warum Menschen in solche extremistischen Szenen abgleiten. Sie finden emotionale Ursachen von Radikalisierung wie Einsamkeit, psychische Krisen, Entfremdung und gesellschaftliche Ausgrenzung. Ob es Wege zurück geben kann?
Regisseur in Düsseldorf
Die 108-minütige Doku „Soldaten des Lichts“ ist am 6. April 2025 auf dem Festival Visions du Réel in Nyon/Schweiz uraufgeführt worden, die Deutsche Erstaufführung erfolgte am 8. Mai 2025 auf dem DOKfest München. Zum Kinostart am 14. August 2025 ist der Film nur im Düsseldorfer Metropol zu sehen, wo am gleichen Tag um 19 Uhr Ko-Regisseur Johannes Büttner und Cutter Sebastian Winkels auf ihrer bundesweiten Kinotour Station machen.