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Szene aus

Schauspielhaus Bochum sucht den Roten Faden

Sherlock Holmes jagt Dr. Watson

„Mein Verstand rebelliert gegen Stillstand. Geben Sie mir Probleme, geben Sie mir Arbeit, geben Sie mir das schwer verständlichste Kryptogramm oder die komplizierteste Analyse, und ich bin in der mir angemessenen Umgebung“ sagt ein koksender Sherlock Holmes zu seinem darob ärgerlichen Freund und Arzt, dem Ich-Erzähler Dr. Watson, im ersten Kapitel des 1890 erschienenen Romans „The Sign of the Four“ von Arthur Conan Doyle. „Der einzige inoffizielle beratende Detektiv“ verabscheut die Stumpfheit des täglichen Lebens und hungert nach geistiger Anregung: „Das ist der Grund, warum ich diesen Beruf gewählt – oder geschaffen – habe.“

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„Ich bin die letzte und höchste Instanz bei der Aufklärung“ setzt Holmes selbstbewusst fort: „Ich untersuche die Fakten als Experte und gebe die Meinung eines Spezialisten ab. In solchen Fällen erwarte ich keine Anerkennung. Mein Name steht in keiner Zeitung. Die Arbeit selbst, das Vergnügen meine speziellen Fähigkeiten einsetzen zu können, ist meine höchste Belohnung.“ Vom zweiten Sherlock-Holmes-Roman Doyles gibt es bereits ein Dutzend Verfilmungen, zuletzt mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman.

Nur bis Seite 27 adaptiert

Nun haben, unter dem marktschreierischen Titel „Sherlock Holmes jagt Dr. Watson“, die Bochumer Dramaturgin Angela Obst und der Regisseur Robert Gerloff, die sich aus gemeinsamen Münchner Resi-Zeiten kennen, den Roman für die Bühne adaptiert – aber nur bis Seite 27, wie der Untertitel der knapp zweistündigen Fassung offenbart. In der Watson die Story sozusagen als work in progress weiterschreibt – und die Figuren analog zur Schreibmaschine rechterhand zunehmend ein Eigenleben führen.

Böse Menschen haben keine Lieder (v.li.): Alexander Wertmann, Victor IJdens, Oliver Möller, Friederike Ott und Veronika Nickl.

Big Ben schlägt, in die labyrinthische Bühne Maximilian Lindners hat offenbar eine Bombe eingeschlagen. Sherlock Holmes (Bochum-Rückkehrer Oliver Möller) und Dr. Watson (Alexander Wertmann) werden von Miss Mary Morstan (Gast aus Frankfurt/Main: Friederike Ott) beauftragt, bei der Suche nach ihrem verschollenen Vater zu helfen. Dieser war Offizier in Indien und verschwand vor zehn Jahren bei seiner Rückkehr nach England. Seit geraumer Zeit erhält Miss Mary von einem anonymen Absender ein Päckchen mit wertvollem Inhalt. Nun liegt ein Brief dabei, der das Trio zu Thaddeus Sholto (Victor IJdens), einem der drei Söhne des verschwundenen Majors, führt.

Zwillingsbruder nach langer Suche wiederentdeckt

Von ihm erfahren sie, dass dessen Vater mit dem Gesuchten befreundet war und zusammen mit ihm in Indien in derselben Kompagnie gedient hat. Beide Männer hätten sich eines Schatzes aus der britischen Kolonialzeit bemächtigt, sich jedoch darüber entzweit und den Ort des Verstrecks mit ins Grab genommen. Nach jahrelanger Suche hat Thaddeus‘ Zwillingsbruder Bartholomeus (naturgemäß auch Victor IJdens) ihn entdeckt. Und ist kurz darauf unter mysteriösen Umständen ermordet worden. Der Schatz ist erneut verschwunden. Da der von der Polizei der Tat verdächtigte Thaddeus Sholto verhaftet wurde, nimmt sich Sherlock Holmes, überzeugt von dessen Unschuld, des Falles an…

Nicht nur, dass das fünfköpfige Ensemble in atemloser Diktion loslegt wie die Feuerwehr, noch zu nennen Veronika Nickl u.a. als Inspektor Lestrade, Sherlocks Bruder Mycroft Holmes und britischer Ex-Premier Boris Johnson. Sodass der Handlung, als von einer solchen noch die Rede sein kann, schwer zu folgen ist. Sondern spätestens ab Seite 27 (von rund 140) wird den Assoziationen des Publikums freien Lauf gelassen in einer auch musikalisch wilden Mischung aus James Bond („Diamonds are forever“) und Schimanski („Faust auf Faust“). Achtung, Spoiler-Alarm: Besser nicht vorab ins opulente Programmheft blicken, wo auf einer Doppelseite die Inspirationsquellen der Bochumer Theatermacher geleakt werden.

Exklusives Geschenk für die Zahl der Sherlock-Fälle

Und dann bellt auch noch der Hund von Baskerville. Was dramaturgisch keinen Sinn macht, aber auch keinen Schaden anrichtet: der Rote Faden ist längst verloren gegangen. Da die Exit-Strategie einer ursprünglich vorgesehenen Pause aufgegeben wurde, sorgt ein Wettbewerb für Dauer-Aufmerksamkeit: Wer die Zahl der Sherlock-Fälle, die sich in der Inszenierung verstecken, richtig tippt, dem winkt ein „exklusives Geschenk“ der Schauspielhaus-Dramaturgie.

Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel 0234 – 33 33 55 55. Die nächsten Vorstellungen dieses höchst erfolgreichen Spielplan-Dauerbrenners in den Bochumer Kammerspielen:

  • Freitag, 21. April 2023, 19.30 Uhr (anschl. Publikumsgespräch)
  • Donnerstag, 18. Mai 2023, 19 Uhr
  • Freitag, 31. Mai 2023, 19.30 Uhr
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  • Freitag, 21. April 2023, um 19:30 Uhr
  • Donnerstag, 18. Mai 2023, um 19 Uhr
  • Mittwoch, 31. Mai 2023, um 19:30 Uhr
Mittwoch, 12. April 2023 | Autor: Pitt Herrmann