
Ovationen für Nicole Chevalier
'Rusalka' an der Rheinoper
„Du lieber Mond, so silberzart“: Rusalka (dt. Nixe) hat sich in einen Prinzen verliebt, den sie am Rande ihres Teiches – und wohl auch beim Baden – gesehen hat. Sie will daher ihr angestammtes Element verlassen und bittet ihren Vater, den Wassermann, um Rat. Der lässt Rusalka nach einer heftigen Auseinandersetzung in die Welt der Menschen ziehen, wohl wissend, dass diese seiner Tochter nur Verderben bringt...
Antonín Dvořáks bekannteste Oper, als „lyrisches Märchen in drei Akten“ für das Prager Nationaltheater komponiert und dort am 31. März 1901 uraufgeführt nach einem Libretto des jungen heimischen Schriftstellers Jaroslav Kvapil, ist jetzt als letzte Rheinopern-Produktion dieser Spielzeit in Düsseldorf herausgekommen. Wobei mit dem tragischen Undine-, Melusinen- und Sirenen-Stoff, der, abgesehen von antiken Mythen und Epen, seit dem 14. Jahrhundert vielfachste Bearbeitungen erfahren hat von E.T.A. Hoffmann und Albert Lortzing über Theodor Fontane und Hugo von Hofmannsthal bis hin zu Franz Kafka und Ingeborg Bachmann, ganz und gar nicht romantisch-verklärend umgegangen wird.
Ausgetriebene Romantik
Wie rasch sich doch die Opernwelt gewandelt hat: Sorgte Christoph Meyers Inszenierung am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier Anfang 1994 noch für einen handfesten Skandal bei Publikum und Presse („Warum muss ein Regisseur einem lyrischen Märchen jeglichen Reiz des Märchenhaften nehmen? Warum muss er es mit symbolschwangeren Abstrahierungen überladen?“), haben später von Jossi Wieler in Salzburg über Martin Kusej in München und Stefan Herheim in Brüssel bis hin zu Barrie Kosky an „seiner“ Komischen Oper Berlin die Regisseure alle Freiheiten genutzt, die Nixe ins Bordell bzw. in den Folterkeller perverser Vergewaltiger zu schicken oder eine inzestuöse Verbindung zu konstruieren.
Rusalka im Kloster
Beim gebürtigen Moskauer des Jahrgangs 1983, Vasily Barkhatov, ist Rusalka (das langjährige Ensemblemitglied der Komischen Oper Berlin, Nicole Chevalier, wurde zu Recht mit Ovationen gefeiert) die Novizin eines orthodoxen Klosters, das sich in Christian Schmidts Bühnenbild wie ein Gefängnis nach außen abschottet. Seit früher Kindheit leidet sie unter der Fuchtel der strengen Oberin (die großartige britische Mezzosopranistin Anna Harvey aus dem Ensemble als Hexe Ježibaba). Rusalka kann, wie auch ihre Leidensgenossinnen (Mara Guseynova, Elisabeth Freyhoff und Katya Senenistry als Nymphen), nicht von einer fürsorglichen „Mutter Oberin“ sprechen - und der Oberpriester (Ensemblemitglied Luke Stoker als Wassermann) entpuppt sich als so radikaler „Hirte“ wie Kyrill I, Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche und Putin-Unterstützer.
Vom Rocker zum Karnevalsprinzen

Rusalkas Objekt der Begierde, der Prinz (der georgische Tenor Giorgi Sturua), ist an der Rheinoper ein Motorrad-Rocker unserer Tage, der beim Karneval im 2. Akt zum Sitzungspräsidenten mutiert. Flankiert vom Wildhüter (Jake Muffett) und dem Küchenjungen (Kimberley Boettger-Soller) als Clownspaar. Die Frosch-Figur in der Szene ähnelt nicht zufällig Kermit aus der Muppet Show: Als 12-Jähriger verließ dieser als erster seiner Familie den Sumpf, um mit Menschen zu sprechen. Erst nachdem er ins angestammte feuchte Element zurückgekehrt war, wurde Hollywood durch einen Talentscout auf ihn aufmerksam: So startete Kermit seine unvergleichliche Karriere im Showbusiness…
Alles wie gehabt
Also: Alles wie gehabt, Romantik hat ausgespielt. Nicht zuletzt auf dem Klo der Bar mit der fremden Fürstin (Sarah Ferede), die der desillusionierenden Kulisse als verführerisch-glitzernde Westernlady trotzt. Was von den sich so woke gebenden Theatermachern sehr kurzsichtig ist: Gerade junge Leute, das zeigt der enorme Zulauf für entsprechende Kinofilme und Streaming-Serien, sehnen sich nach einer märchenhaften Alternative zum alltäglichen Horror in den Medien und im wahren Leben. Wie Rusalka nach der Lektüre einschlägiger, im Kloster naturgemäß verbotener Illustrierten-Lektüre.
Auch der britische Rheinopern-Kapellmeister Harry Ogg lässt es – dankenswerterweise mit Ausnahme der von ihm im Programmheft als „zu schön“ bezeichneten, bezaubernden Arien wie „Wundersames Traumbild“ oder das Klagelied des Wassermanns im 2. Akt – im Graben mächtig krachen und scheppern. Am Ende scheitert Rusalka, der Kirsten Dephoff ein Patchwork-Kostüm verpasst hat, in dem ihr rosa T-Shirt, in dem sie als kleines Kind die Schwelle zum Kloster überschritt, eine zentrale Rolle spielt, nicht nur an gesellschaftlichen Konventionen einer ihr fremden Menschenwelt.
Nicole Chevalier als Norma und Salome
„Sie ist eine Person, die nicht weiß, wie sie sich ausdrücken soll, weder mit ihrer Körpersprache noch mit Worten“, so Regisseur Vasily Barkhatov. „Das kommt daher, dass sie in diesem streng orthodoxen Kloster aufwächst. Sie führt dort ein Leben, das von gewalttätigen Bestrafungen, fehlender Nähe oder Wärme geprägt ist. Es gibt dort keine soziale oder sexuelle Erziehung. In diesem reinen Frauenkloster gibt es auch keinen Kontakt zum anderen Geschlecht. Sie weiß gar nicht, wie sie mit einem Mann umgehen soll.“
Die in Düsseldorf stehend gefeierte amerikanische Sopranistin Nicole Chevalier hat für alle vier Frauenfiguren in Barrie Koskys Inszenierung von „Les Contes d'Hoffmann“ in Berlin 2016 den Theaterpreis „Der Faust“ als beste darstellende Künstlerin in Deutschland erhalten. Sie wird an der Deutschen Oper am Rhein als nächstes in den Titelpartien von Vincenzo Bellinis „Norma“ und Richard Strauss' „Salome“ debütieren!
Karten
Karten bekommen Interessierte unter operamrhein.de oder per Tel 0211 – 8925211.
Die weiteren gut dreistündigen Aufführungen im Opernhaus Düsseldorf
- Samstag, 21. Juni 2025, 19:30 Uhr (Im Anschluss Nachgefragt)
- Sonntag, 29. Juni 2025, 18:30 Uhr
- Dienstag, 1. Juli 2025, 19:30 Uhr
- Freitag, 4. Juli 2025, 19:30 Uhr
- Dienstag, 8. Juli 2025, 19:30 Uhr
- Freitag, 11. Juli 2025, 19:30 Uhr
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