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Die Kampagne #RaufDiePlätze macht sich für zugängliche Frauenhausplätze stark (Symbolbild).

Herner Frauenhaus beteiligt sich an Kampagne #RaufDiePlätze

Plätzemangel und Zutrittshürden

Seit über vierzig Jahren bietet das Frauenhaus Herne gewaltbedrohten Frauen sowie ihren Kindern Schutz und ein sicheres Umfeld, um zurück zu sich selbst zu finden und sich wieder ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Doch in den vergangenen Jahren habe die Nachfrage nach Plätzen stetig zugenommen, sodass – trotz des Umzugs in das neue Frauenhaus mit mehr Plätzen – nicht ansatzweise genügend Plätze da sind, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden.

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Deshalb beteiligen sich die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses Herne nun an der Kampagne #RaufDiePlätze von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Autonomer Frauenhäuser, die sich für mehr zugängliche Frauenhausplätze starkmacht.

'20 Plätze fehlen'

„Es gibt ja die Vorgabe der Istanbul-Konvention, dass pro 10.000 Einwohner ein Platz in einem Frauenhaus zur Verfügung stehen muss. Demnach fehlen uns 20 Plätze", erläutert Beate Kaupen, Mitarbeiterin im Frauenhaus Herne, im Gespräch mit halloherne.

Beate Kaupen (li.) und Carolin Fuhrmann vom Frauenhaus Herne berichten, warum die Kampagne #RaufDiePlätze so wichtig ist.

Das im Jahr 2020 neu errichtete Frauenhaus bietet auf 560 Quadratmetern 17 Plätze, verteilt auf neun Zimmer sowie vier Wohneinheiten. Eine Wohnung ist barrierefrei. „Wir sind eines der wenigen Frauenhäuser, die eine rollstuhlgerechte Wohnung anbieten können. Viele Frauenhäuser haben nicht die Möglichkeit der Barrierefreiheit", berichtet Mitarbeiterin Carolin Fuhrmann.

'Müssen Frauen abweisen'

Wie fast immer sei das Frauenhaus auch in diesen Tagen komplett ausgelastet. „Wir haben momentan wieder eine extrem hohe Nachfrage, aber nicht genügend Plätze, sodass wir Frauen abweisen müssen. Das ist sehr hart für uns", so Beate Kaupen.

Weiter erläutert sie: „Wir hatten auch schon eine Situation, da saß eine Frau im Auto auf dem Weg zu uns, als sie bei uns anrief. Leider hatten wir kein Zimmer mehr frei. Da macht man sich schon Gedanken, was mit der Frau nun passiert und wo sie Schutz finden kann."

Die schutzbedürftigen Frauen würden ganz unterschiedlich auf eine Abweisung reagieren. Einige seien traurig, fassungslos oder verzweifelt, es gebe aber auch Frauen, die mit Wut auf die Situation reagierten.

Die Landesarbeitsgemeinschaft Autonomer Frauenhäuser (LAG) in NRW zeigt auf ihrer Homepage, wo es noch freie Frauenhausplätze gibt. Momentan sind im Herner Umkreis wieder alle Plätze belegt.

Auf der Homepage der LAG gebe es eine Karte, die mithilfe eines Ampelsystems anzeigt, wo in NRW noch Plätze in einem Frauenhaus frei sind. „Wenn bei uns ein Platz frei wird und die Frauen dann das grüne Zeichen sehen, haben wir sofort gut 30 Anfragen", sagt Kaupen.

Frauen müssen Platz selbst zahlen

Ferner sei ein weiteres Problem, dass die Zutrittshürden zu einem Frauenhaus hoch seien. So müssen Frauen, die keine Leistungen beziehen, ihren Platz im Frauenhaus selbst zahlen. Das sind im Frauenhaus Herne 50 Euro pro Tag. Somit könnten sich einige Frauen einen Platz im Frauenhaus schlicht nicht mehr leisten.

„Wir dürfen nicht vergessen, dass es eine Frau unglaublich viel Kraft und Mut kostet, sich von ihrem gewalttätigen Partner zu lösen, da sind solche zusätzlichen bürokratischen Hürden für die Frauen demotivierend und einfach unnötig", macht Carolin Fuhrmann deutlich.

Suche nach Mietwohnungen

Aber auch, wenn eine Frau einen Platz im Frauenhaus gefunden hat, und soweit ist, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen, stehen sie und ihre Kinder vor dem nächsten Problem: Der Wohnungsmangel.

„Wir haben leider Schwierigkeiten für unsere Frauen nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus Wohnungen zu finden. Das führt dazu, dass Plätze bei uns im Frauenhaus länger besetzt als nötig bleiben und wir anderen Frauen, die akut Schutz benötigen, keine Plätze zur Verfügung stellen können", so Kaupen.

Die Suche nach Mietwohnungen gestaltet sich für die Frauen schwer (Symbolbild).

Vielfach kämen auf Bewerbungen keine Rückmeldungen mehr und wenn, dann nur Absagen. Die Mitarbeiterinnen mutmaßen, dass eine Mieterin aus dem Frauenhaus vielleicht potenzielle Vermieter abschreckt, weil sie unbewusste Vorurteile haben könnten.

„Wir würden uns wünschen, dass Vermieter einfach mal diesen Schritt wagen und unseren Frauen eine Chance geben", so Kaupen. „Wir würden uns außerdem sehr freuen, wenn sich auch private Vermieter, die Wohnungen bereitstellen könnten, sich mit uns in Verbindung setzen würden."

'Gewalt an Frauen ist eine Menschrechtsverletzung'

Die Kampagne unterstützen die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses auch deshalb, damit es öffentlich bekannter wird, dass Zugangshürden zu einem Frauenhaus zahlreich seien und längst nicht alle Frauen und Kinder, die Schutz und Sicherheit suchen, diese bekommen können.

„Wir wünschen uns ganz klar mehr Öffentlichkeit für die Thematik und mehr Unterstützung auf Bundesebene. Deshalb fordern wir eine einzelfallunabhängige Finanzierung der Frauenhäuser. Denn Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ein gesamtgesellschaftliches Problem", macht Beate Kaupen deutlich.

Ihre Kollegin Carolin Fuhrmann ergänzt abschließend: „Gewalt an Frauen muss als Menschenrechtsverletzung anerkannt werden. Jeder Frau muss eine Möglichkeit – ohne bürokratische Hürden – geboten bekommen, sich aus einer gewalttätigen Partnerschaft zu lösen und in ein selbst bestimmtes Leben zurückzufinden."

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Die Kampagne #RaufDiePlätze läuft noch bis zum 25. November 2023. Der nächste Aktionstag findet am Donnerstag, 12. Oktober 2023, in Wuppertal statt. Mehr Infos zur Kampagne gibt es hier und ebenso die Möglichkeit, die Petition zu unterschreiben.

| Autor: Julia Blesgen
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