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Jahrespressegespräch 2019

OVG: Rechtsstaat stärken

Selten haben Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in NRW so viele Reaktionen und kontroverse Diskussionen in der Politik, den Medien und in der Bevölkerung ausgelöst wie im Jahr 2018. Das erklärte die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Dr. Ricarda Brandts beim Jahrespressegespräch am Donnerstag (21.2.2019) und verwies auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen und des Oberverwaltungsgerichts zur Abschiebung des mutmaßlichen Gefährders Sami A., den vorläufigen Rodungsstopp im Hambacher Forst durch das Oberverwaltungsgericht und die erstinstanzlich angeordneten Dieselfahrverbote in mehreren Städten in NRW.

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Sie hielt noch einmal fest, dass Gerichte nur an Recht und Gesetz gebunden sind und unabhängig von der Mehrheitsmeinung urteilen. „Wir agieren auch nicht politisch, sondern überprüfen Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung am Maßstab der von den Parlamenten verabschiedeten Gesetze, und zwar nur dann, wenn jemand dagegen klagt“, führte Präsidentin Dr. Brandts aus. Es sei selbstverständlich, dass Urteile und Beschlüsse in einem Rechtsstaat befolgt werden müssen. Dabei komme der Politik und der Verwaltung eine Vorbildfunktion zu. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit sei es eine wichtige Aufgabe der Gerichte, gerade die umstrittenen Entscheidungen zu erläutern und verständlich zu machen. „Nur so lässt sich das Bewusstsein in der Bevölkerung von Wert und Nutzen des Rechtsstaates stärken“, unterstrich Dr. Brandts.

Starke Belastung der Verwaltungsgerichte durch Asylverfahren

Die Zahl der Asylverfahren ist bei den sieben nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten nach den Rekordjahren 2016 und 2017 rückläufig. „Das bedeutet aber keineswegs, dass im Hinblick auf die starke Belastung der Verwaltungsgerichte schon Entwarnung gegeben werden kann“, betonte Präsidentin Dr. Brandts und verwies auf den in den nächsten Jahren noch abzubauenden hohen Bestand von Altverfahren. 2018 gingen bei den Verwaltungsgerichten rund 61.700 neue Verfahren ein (2017: 110.200; 2016: 80.800), darunter rund 30.000 Asylverfahren (2017: 79.100; 2016: 51.400).

Diese Eingänge liegen immer noch deutlich über dem Niveau der Zeit vor 2016. Sorge macht Präsidentin Dr. Brandts aber vor allem, dass trotz Personalverstärkungen und erheblicher Anstrengungen am Jahresende 2018 noch rund 44.300 Asylverfahren auf ihre Bearbeitung warteten. Das ist zwar weniger als Ende 2017 (56.400). „Es wird nach modellhaften Berechnungen - gleichbleibende Verhältnisse zugrunde gelegt - aber noch etwa vier Jahre dauern, bis diese Verfahren abgearbeitet sind“, erklärte Dr. Brandts am Donnerstag vor Journalisten. „Das hat leider zur Folge, dass sich die Verfahrensdauer nicht nur bei den Asylverfahren, die zunehmend mehr Bearbeitungsaufwand erfordern, erheblich verlängert hat und weiter verlängern wird.“ Die Entwicklung zeigte sich schon im letzten Jahr: Klageverfahren, Asyl verfahren eingerechnet, haben 2018 bei den Verwaltungsgerichten durchschnittlich rund ein Jahr gedauert, 2017 waren es noch acht Monate. Bei den Eilverfahren ist die Verfahrensdauer von 1,4 Monaten im Jahr 2017 auf 1,8 Monate im Jahr 2018 gestiegen. 28 Prozent der Asylbewerber hatten im letzten Jahr mit ihren - streitig entschiedenen - Klagen bei den Verwaltungsgerichten ganz oder teilweise Erfolg, bei Eilverfahren betrug die Erfolgsquote ein Viertel.

Anders sieht die Entwicklung beim Oberverwaltungsgericht aus, wo 2018 mehr als doppelt so viele Asylverfahren eingegangen sind wie im Vorjahr (2018: 3.600; 2017: 1.700). Trotz erheblich gestiegener Erledigungszahlen wuchs der Bestand unerledigter Asylfälle von 700 auf 1.800 am Jahresende 2018 an. Deshalb wird, nachdem in den letzten Jahren die Verwaltungsgerichte zahlreiche zusätzliche Stellen erhalten haben, jetzt auch das Oberverwaltungsgericht personell verstärkt - im Laufe des Jahres soll ein zusätzlicher Senat eingerichtet werden. Die Erfolgsquote beim Oberverwaltungsgericht war allerdings gering: nur zwei Prozent der Asylkläger, die bei den Verwaltungsgerichten unterlegen waren, haben beim Oberverwaltungsgericht ganz oder teilweise obsiegt.

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Mehr Transparenz bei Schulaufnahmeverfahren

Ein großes Medienecho fand zuletzt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 23. Januar 2019, mit dem es das Schulaufnahmeverfahren einer Gesamtschule beanstandet hat. Die Schule hatte unzulässigerweise ortsansässige Schüler bevorzugt aufgenommen, ohne dies im Protokoll des Aufnahmeverfahrens zu offenbaren. „Zur Zeit entscheiden die Schulleitungen an vielen weiterführenden Schulen über die Aufnahme der Schüler für das kommende Schuljahr. Dabei geht es um eine wichtige Weichenstellung im Leben der Kinder. Sie und ihre Eltern müssen darauf vertrauen können, dass die Schulen nach Recht und Gesetz vorgehen“, betonte Präsidentin Dr. Brandts. „Es darf in den Aufnahmeverfahren nicht der Eindruck entstehen, dass hinter verschlossenen Türen andere Maßstäbe angelegt werden.“ Streitpunkte vieler verwaltungsgerichtlicher Verfahren sind die Festlegung der Aufnahmekapazität, die Berücksichtigung von Härtefällen und die Heranziehung der Aufnahmekriterien. Die Überprüfung dieser Streitpunkte im Gerichtsverfahren erfordert regelmäßig die vollständige Vorlage der Originalakten der Schule, was einzelne Schulaufsichtsbehörden in der Vergangenheit nicht hinreichend beachtet haben

| Quelle: OVG NRW