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Leon (Thomas Schubert, v.li.), Nadja (Paula Beer), Felix (Langston Uibel) und Devid (Enno Trebs) blicken vom Anbau aus auf namensgebenden den feuerroten Himmel.

Preview am 18. April 2023 in Essen

Neu im Kino: 'Roter Himmel'

„Irgendetwas stimmt nicht“, ahnt der Fahrer, bevor der rote Daimler mit Berliner Kennzeichen liegen bleibt. Mitten in der Pampa Meckpomms, naturgemäß kein Handy-Empfang. Zehn Kilometer bis zum nächsten Dorf, mindestens. Weshalb er seinen Beifahrer zunächst warten lässt, bevor er eine Abkürzung durch den Wald gefunden hat. Und es mit dem geschulterten Rollkoffer über Stock und Stein weitergeht…

Ein Sommer am Darß. Es ist heiß und trocken, seit Wochen hat es nicht mehr geregnet. Als Leon (Thomas Schubert) und Felix (Langston Uibel), Freunde seit Kindertagen, endlich das abgelegene Ferienhaus unweit der Ostsee, gedreht wurde von Ende Juni bis Mitte August 2022 in Ahrenshoop und Umgebung, erreichen, läuft dort die Waschmaschine und feinste Dessous liegen auf einem offenbar benutzten Bett.

Leon ist schnell entnervt

Wie sich herausstellt, hat Felix‘ Mutter die Nichte eines Arbeitskollegen, Nadja (Paula Beer), die als Saisonkraft im Küstendorf jobbt, in einem Zimmer einquartiert. Platz ist schließlich genug – und ihre Lasagne schmeckt jedenfalls. Allerdings treibt sie es mit dem jungen Rettungsschwimmer Devid (Enno Trebs) so lautstark, dass Leon, der in dieser Abgeschiedenheit an seinem zweiten Roman arbeiten will, schon nach der ersten Nacht völlig entnervt ist. Was auch am fehlenden Kaffeemehl fürs Frühstück liegt.

Ferienidylle sieht anders aus: Ernste Mienen bei Devid (Enno Trebs) und Leons Verleger Helmut (Matthias Brandt)

Zum enormen Flugzeuglärm tagsüber gesellt sich die Warnung der Feuerwehr: schon ein Funke genüge, um die ausgetrockneten Wälder um das Ferienhaus herum in Brand zu setzen. Felix, der sich mit einer Fotoserie an einem Projekt der Berliner Universität der Künste zum Thema Wasser beteiligen will, sucht außergewöhnliche Meeres-Perspektiven, während der eher wasserscheue Leon hofft, im Gartenhaus Muße zu finden. Und ernsthaft daran denkt, sich im Hotel in der Suite einzumieten, in der sein großes Vorbild Uwe Johnson („Jahrestage“) einst gewohnt haben soll. Zumal sein Verleger Helmut Werner (Matthias Brand) dort absteigen wird, wenn er wie angekündigt bald zum Überarbeiten des 134 Seiten umfassenden Manuskriptes hier erscheint.

Das Manuskript ist 'Bullshit'

Als es darum geht, das Dach des Anbaus mit Teerpappe abzudichten, lässt Leon sich verleugnen: Nadja, der er heimlich sehnsuchtsvolle Blicke nachschickt, hat sein Manuskript quergelesen und als „Bullshit“ bezeichnet – Gift für seine empfindsame Künstlerseele. Auch als Helmut Werner im flotten Smart-Cabrio um die Ecke braust, hellt das Leons Laune nicht auf: sein Verleger interessiert sich mehr für Felix‘ Fotomappe als für sein Romanmanuskript. Als der auch noch Nadjas Lieblingsgedicht aufsagen kann, ist Leon endgültig abgemeldet.

Und dann überschlagen sich die Ereignisse: Alarmsirenen heulen, der Himmel färbt sich rot, dem Funken- folgt ein Ascheregen und plötzlich steht eine Rotte Wildschweine vor der Feuerwand. Helmut Werner bricht zusammen, wird von Nadja in die nächste Klinik gefahren: Nierenkolik. Die Endstation dieses melancholischen, zutiefst deutschen Befindlichkeitsstreifens ist aber noch nicht erreicht: Ausgerechnet auf der Onkologie-Station, wo sich Nadja und Leon nach einem Zeitsprung wiedersehen, als sie Helmut Werner besuchen, ergibt sich die Möglichkeit eines Neuanfangs…

Zweiter Teil einer Triologie

„Roter Himmel“, Christian Petzolds zweiter Teil einer Trilogie, die er 2020 mit „Undine“ begann, erzählt von vier jungen Menschen, die versuchen, der Welt eigene, erfüllte Wege abzutrotzen. Eine latente, kaum merkliche Ahnung von Gefahr grundiert von Anfang an die Unbeschwertheit eines Feriensommers in einer abgeschiedenen Ostsee-Idylle. Als nichts mehr so sein kann, wie es gerade eben noch war, ergibt sich die Chance für einen Neuanfang.

Das gut 100-minütige Beziehungsdrama wurde am 22. Februar 2023 im Wettbewerb der 73. Berlinale uraufgeführt und mit dem Silbernen Bären (Großer Preis der Jury) ausgezeichnet. Zum 65. Geburtstag des Astra Theaters in Essen (Teichstraße 2) beginnt am Dienstag, 18. April 2023, um 20 Uhr eine Preview. Zum Kinostart am Donnerstag, 20. April 2023, ist „Roter Himmel“ u.a. im Casablanca Bochum, Roxy Dortmund und im Cinema Düsseldorf zu sehen, mit anschließendem virtuellem Gespräch von der Berliner Premiere im Kino International mit Regisseur Christian Petzold sowie den Schauspielern Paula Beer und Matthias Brandt.

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  • Dienstag, 18. April 2023, um 20 Uhr
Montag, 17. April 2023 | Autor: Pitt Herrmann