
Knackige Episodenrolle bei Bjarne Mädel
Lina Beckmann begeistert in Hamburg
„Auf der Höhe ihrer Schauspielkunst“ sei die Herner Schauspielerin Lina Beckmann, bekundete jüngst Simon Strauss in der „Frankfurter Allgemeinen“ angesichts eines Theaterprojektes am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, das Johan Simons siebenstündigen Dostojewski-Abend „Die Brüder Karamasow“ in Bochum bei weitem in den Schatten stellt: „Anthropolis“ ist der Titel eines fünfteiligen Antiken-Marathons.
„Tanz auf dem Minenfeld der Werte“ lautete die Überschrift des FAZ-Artikels. Er könnte auch für Sven Strickers Adaption seines eigenen Romans „Sörensen fängt Feuer“ gelten, der am Mittwoch, 18. Oktober 2023, um 20.15 Uhr in der ARD erstausgestrahlt und am Sonntag, 22. Oktober 2023, um 20.15 Uhr bei ARD One wiederholt wird. Unter der Regie Bjarne Mädels brilliert Lina Beckmann in einer knackigen Episodenrolle als Karrierefrau auf Männerfang beim Speed-Dating.
Sörensen fängt Feuer
Sörensen (Bjarne Mädel) liegt schwitzend im Bett, eine Medikamentenpackung in der Hand. Kramt, weil er nicht schlafen kann, in Kindheitserinnerungen. Träumt schlecht – und wird von einem treuen Vierbeiner Cord immer wieder in die Realität zurückgeholt. Seine Kollegen Jenny Holstenbeck (Katrin Wichmann) und Malte Schuster (Leo Meier) haben gelernt, mit seinen Macken zu leben. Selbst der Deichkrug-Wirt Bruno (Markus John) hat jetzt Tofu auf der Speisekarte.
Der einstige Hamburger LKA-Kriminalhauptkommissar ist zwar endgültig in die friesische Provinz gezogen, hat aber weiterhin genug mit sich selbst zu tun: Er leidet nach wie vor unter seiner Angststörung – und zunehmend auch unter Einsamkeit hinterm Deich in Katenbüll. In einer solchen Nacht voller innerer Unruhe hätte er beinahe eine junge Frau auf der allerdings stockfinsteren Allee überfahren. „Bist du der Teufel?“ fragt das verstörte, nur im Nachthemd auf der Landstraße stehende Mädchen, das offenbar blind und von daheim weggelaufen ist.
„Ich will dahin, wo der Hund ist“: Sörensen bekommt gegen seinen Willen mit Jette (Liv Clasvogt) eine Mitbewohnerin. Im Haus ihres Vaters, der sie fast ihr ganzes Leben lang im Keller eingesperrt und nur nachts nach draußen gelassen hat, ist eine Leiche mit 17 Messerstichen gefunden worden. Es handelt sich freilich nicht um den Hausherrn Dierk Lorenzen (Michael Maertens).
Eigene evangelikale Gemeinschaft gegründet
„Wie kann die Welt schlecht sein und der Schöpfer gut? Das ist doch ein Widerspruch“: Jette stellt Sörensen, dessen Stärke nicht gerade verständnisvolles Sozialverhalten ist, auf eine harte Probe. Wie soll er ihrer Überzeugung, von Gott mit Blindheit bestraft worden zu sein, entgegentreten? Petersen und Lorenzen gehören zu neun Ortsansässigen, die zwanzig Jahre zuvor gemeinsam aus der Evangelischen Kirche ausgetreten sind. Sie haben eine eigene evangelikale Gemeinschaft gegründet, welche die Bibel wörtlich nimmt und sich regelmäßig bei Linus Hoekstra (Joachim Meyerhoff) trifft. Sind nun auch die kinderreiche Martina Braasch (Luise Heyer) und ihr Mann Guido sowie die bettlägerige, weil nach dem Tod ihres Sohnes Moritz psychisch erkrankte Mutter des Polizeianwärters Malte, Gesche Schuster (Karoline Eichhorn), in Gefahr?
„Sörensen fängt Feuer“ nach dem gleichnamigen, 2018 erschienen zweiten Roman der Rowohlt-Reihe „Sörensen ermittelt“, ist unabhängig vom nicht wirklich originellen Plot eine Hommage des Autors Sven Stricker an Bjarne Mädel, dem er den stets um Worte ringenden Titelhelden auf den Leib geschrieben hat. Die sprachkritische, immer wieder Sprichwörter und Küchenweisheiten hinterfragende Tragikomödie gipfelt in einem realsatirischen Epilog: Jenny hat nicht ohne eigenes Kalkül Sörensen dazu überredet, am sonntäglichen Speed-Dating in Brake teilzunehmen.

Mit einer so kurzen wie knackigen Selbstdarstellung der selbstbewussten, von Lina Beckmann verkörperten Karrierefrau Menka (56 Wochenstunden Arbeit, sehr gut im Bett beim Sex viermal die Woche, Kinder und Tiere eher schwierig, allmorgendlich Pilates, wenig Alkohol, keine Drogen). Die Hernerin im ARD-Presseheft über die Dreharbeiten: „An einem Set zu sein, das sich wie zu Hause anfühlt und eine Stunde mit Bjarne Mädel flirten …. das war ein guter Drehtag.“
Vergangene Termine (2) anzeigen...
- Mittwoch, 18. Oktober 2023, um 20:15 Uhr
- Sonntag, 22. Oktober 2023, um 20:15 Uhr
'Anthropolis' in Hamburg
Lina Beckmann steht in den ersten beiden Teilen „Dionysos“, Uraufführung war am Freitag (15.9.2023), und „Laios“, erstmals am Freitag (29.9.2023), auf den Brettern des Deutschen Schauspielhauses beim fünfteiligen Antiken-Projekt „Anthropolis“ von Roland Schimmelpfennig nach Aischylos, Sophokles und Euripides. Intendantin Karin Beier inszeniert die berühmtesten Gründungsmythen der europäischen Zivilisationsgeschichte, am Freitag, 27. Oktober 2023 hat mit „Iokaste“ der dritte Teil Premiere.
Antigone und Ödipus nehmen bis heute in Literatur, Philosophie und Psychologie zentrale Rollen ein. Ihre Vorfahren und Verwandten Dionysos, Laios und Iokaste stehen den beiden allerdings in nichts nach. Analog zum Begriff des „Anthropozän“, dem Zeitalter des Menschen, wurde die Serie „Anthropolis“ konzipiert, die sich den „Ungeheuern“ innerhalb und außerhalb des zivilisatorischen Bollwerks „Stadt“ in einer Neuübertragung und Bearbeitung der thebanischen Tragödien und ihrer Mythen stellt.
Über zwei Jahre verteilt wurden die fünf Folgen dieser Serie vorbereitet und geprobt, um sie in einem zweiwöchigen Rhythmus in der jetzigen Spielzeit 2023-24 als Serie zur Uraufführung zu bringen. Die einzelnen Inszenierungen können sowohl für sich allein, als auch in zeitlicher Abfolge gesehen werden. An vier Wochenenden bietet sich zudem die besondere Gelegenheit, alle fünf Teile in einem Serienmarathon zu sehen – ganz wie es im ursprünglichen Theater der „Großen Dionysien“ in Athen üblich war.
Vergangene Termine (1) anzeigen...
- Freitag, 27. Oktober 2023, um 19:30 Uhr