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In Getränken wie Cocktails oder Longdrinks werden auf Partys oder in Diskos gerne schnell K.O.-Tropfen hinein gemischt.

Prävention und Schutz vor gefährlichen Substanzen

K.O.-Tropfen: 'Passt auf eure Getränke auf'

Es ist eine Vorstellung, die insbesondere bei Frauen viele Ängste weckt: In einem Club werden einem unbemerkt sogenannte K.O.-Tropfen in den Drink gemischt, die einen außer Gefecht setzen und wehrlos machen und man wird Opfer eines Raub- oder Sexualdeliktes.

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Gerade jetzt, die Club- und Festivalsaison läuft wieder auf Hochtouren, warnen Polizei und Beratungsstellen vermehrt vor K.O.-Tropfen. halloherne sprach mit verschiedenen Stellen über die Gefahren der Tropfen und wie man versuchen kann, sich vor den gefährlichen Substanzen zu schützen.

K.O.-Tropfen sind flüssige Drogen, bei denen es sich meist um Substanzen wie Gamma-Hydroxybutyrat (GHB) und Gamma-Butyrolacton (GBL) handelt. „GBL/GHB ist in der Partyszene zum Eigenkonsum weit verbreitet und als Liquid Ecstasy, Liquid X, Liquid E, Fantasy, Soap oder G-Juice bekannt. In Deutschland unterliegt GHB dem Betäubungsmittelgesetz“, erläutert Silke Jakobs, Leiterin der Kriminalpolizeilichen Präventionsdienststelle des PP Bochum und u.a. zuständig für Drogenprävention, gegenüber halloherne.

Substanzen sind farb-, geruch- und geschmackslos

So seien die Substanzen, die den Opfern verabreicht werden, farb- sowie geruchlos und daher nicht herauszuschmecken. „Die Einnahme von K.O.-Tropfen verlangsamt die Aktivitäten des Gehirns und des zentralen Nervensystems. Schon zehn bis zwanzig Minuten nach der Einnahme beginnt die Wirkung, die bis zu vier Stunden, zum Teil auch erheblich länger anhält", so die Leiterin der Kriminalpolizeilichen Präventionsdienststelle des PP Bochum.

'Überdosierung kann zu schwersten gesundheitlichen Komplikationen führen'

Weiter führt sie aus: „Bei einer unbemerkten Verabreichung einer hohen Dosis erfolgt nach anfänglicher Euphorie Übelkeit, Schwindel und plötzliche Schläfrigkeit. Das Opfer wird willenlos, unter Umständen sogar bewusstlos. Für Außenstehende wirkt das Opfer wie volltrunken. Eine Überdosierung kann zu schwersten gesundheitlichen Komplikationen, bis ihn zum Erstickungstod durch Atemlähmung, führen. Besonders gefährlich ist eine Kombination mit Alkohol oder anderen Drogen. Gerade Alkohol potenziert die Wirkung der Drogen um ein Vielfaches. Das Opfer erleidet zumeist einen sogenannten Blackout über mehrere Stunden. Es kann sich gar nicht oder nur noch vage daran erinnern, was passiert ist."

Wenn man den Verdacht hat, K.O.-Tropfen bekommen zu haben, sollte man schnellstmöglich einen Arzt aufsuchen und um eine Blut- sowie Urinentnahme bitten. Denn die Substanzen seien im Blut nur circa sechs Stunden und im Urin bis zu zwölf Stunden nachweisbar.

Silke Jakob möchte Opfer auch ermutigen, Anzeige bei der Polizei zu erstatten: „Nur mit Hilfe einer Anzeige ist es möglich, Täter zu ermitteln und mögliche weitere Opfer vor Schaden zu bewahren. Opfer sollten sich auch trotz Erinnerungslücken trauen, eine Anzeige zu erstatten. Insbesondere wenn der Verdacht einer Sexualstraftat nach einer vermuteten Verabreichung von K.O.-Tropfen besteht, sind neben Blut- und Urinproben auch mögliche Spuren an der Kleidung und am Körper des Opfers wichtige Beweismittel. Deshalb die getragene Wäsche und sich selbst nicht waschen, um so eine Spurensicherung durch die Polizei zu ermöglichen."

Täter können Bekannte sein

Annelie Gogolla, Diplom-Sozialwissenschaftlerin und Fachkraft gegen sexualisierte Gewalt mit dem Schwerpunkt Prävention bei der Beratungs-und Kontaktstelle Schattenlicht für Frauen und Mädchen, ist es wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass nicht immer nur der ominöse Fremde im Club Täter sein kann. „Von dieser Vorstellung müssen wir uns ein bisschen lösen. K.O.-Tropfen können auch bei privaten Feiern ins Glas getan werden. Somit können auch Bekannte zu Tätern werden."

v.l. Antonie Brieske, Annelie Gogolla und Susanne Wormuth beraten bei Schattenlicht Frauen und Mädchen.

Jedoch würden K.O.-Tropfen längst nicht mehr nur über die Substanzen im Drink verabreicht. „Die Substanzen können auch ins Essen gemischt werden. Etwas, was ich besonders perfide finde, ist die neue Masche - wenn man das überhaupt so sagen kann - aus Großbritannien und Frankreich. Das sogenannte Needle Spiking. Hierbei wird jungen Menschen beim Feiern unbemerkt die Substanz gespritzt."

„Während man sich vor K.O.-Tropfen im Glas noch einigermaßen schützen kann, hat man beim Needle Spiking nahezu keine Chance, sich gegen solch eine Attacke zu wehren."

So kann man sich schützen

Während man beim Needle Spiking keine Möglichkeit hat, sich präventiv vor solchen Attacken zu schützen, informieren Beratungsstellen und Polizei über Verhaltensweisen, wie man sich vor K.O.-Tropfen in Speisen und Getränken schützen kann. So sollte man beispielsweise Getränke und Speisen nicht unbeaufsichtigt lassen, keine geöffneten Getränke von fremden Personen annehmen oder besser kleine Mengen an Getränken kaufen und das Getränk vor dem Tanzen oder dem Gang zur Toilette austrinken. Im Zweifelsfall solle man lieber ein neues Getränk bestellen.

Von Armbändern, die die K.O.-Tropfen im Getränk nachweisen sollen, rät Silke Jakobs, Leiterin der Präventionsdienststelle der Polizei Bochum beispielsweise ab: „Die Sicherheit, die diese Armbänder und andere Produkte vermitteln, ist trügerisch. Denn es gibt eine Vielzahl an Stoffen und synthetischen Drogen, die von solchen Produkten gar nicht erkannt werden können. Diese Stoffe sind aber in ihrer Wirkung genauso gefährlich."

'Gefahr bewusst, aber auch nicht in ständige Angst leben'

Für Annelie Gogolla ist es wichtig zu betonen, dass besonders Frauen jetzt nicht beim Feiern oder auf privaten Partys in Panik verfallen, Opfer von K.O.-Tropfen zu werden. „Ich glaube, es ist wichtig, sich der Gefahr bewusst zu sein, aber auch nicht in ständige Angst zu verfallen."

Für einige Frauen kann das Anzeigen einer solchen Tat traumatisierend wirken.

Sie rät: „Man sollte untereinander gut auf sich aufpassen und besonders sensibel sein, wenn sich die Verhaltensweisen von Freundinnen beispielsweise nach einem Drink plötzlich ändern. Außerdem niemanden alleine nach Hause gehen lassen und im akuten Verdachtsfall sofort Hilfe in Form von Polizei und Rettungskräften holen."

Anonyme Spurensicherung

Sollte das Worstcase-Szenario eingetreten sein und eine Frau befürchtet, Opfer eines Sexualdeliktes geworden zu sein, sei es laut Gogolla zunächst wichtig, zu schauen, was die Frau in dieser Situation braucht. Eine Anzeige bei der Polizei sei vielleicht aufgrund der Verfassung für die Frau zu diesem Zeitpunkt eher traumatisierend, als hilfreich.

„Wir von der Beratungsstelle bieten auch in solchen Fällen Unterstützung an, wenn die Frau es wünscht“, so Gogolla. „Beispielsweise bieten einige Krankenhäuser die anonyme Spurensicherung an. Dies kann ein Mittel der Beweissicherung sein. Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, sind häufig aus unterschiedlichen Gründen zunächst nicht in der Lage, die Tat anzuzeigen. Jedoch fehlen für spätere Anzeigen dann die Tatspuren und stehen damit bei einem zukünftigen Strafverfahren nicht als Beweismittel zur Verfügung."

Hilfe für eine mögliche, spätere Anzeige

Die anonyme Spurensicherung (ASS) helfe Betroffenen für eine spätere Anzeige dabei, gerichtsfeste Beweise zu erhalten. Betroffene können sich nach einer Vergewaltigung von einem Arzt untersuchen lassen. Dabei werden DNA, Spermaspuren und Verletzungen gesichert. Sie erhalten dann einen Code, mit dem sie, wenn sie sich doch noch zu einer Anzeige entschließen, die Beweismittel erhalten können.

Jedoch beutete die ASS keine Anonymität bei der Sicherung der Spuren, sondern dass die Sicherung der gewonnenen Spuren anonym - nämlich über den Code, den man erhält - erfolge.

Abrechnung über die Krankenkasse

„Geht eine Frau in ein Krankenhaus, das ASS anbietet, muss das Krankenhaus diese Untersuchung und Sicherung von Spuren ja abrechnen können - zumal diese Termine in aller Regel deutlich länger dauern als „normale“ Untersuchungen. Diese Untersuchungen und Sicherung der Spuren wird „ganz normal“ über die Krankenkassenkarte abgerechnet. Und es heißt auch, dass es im Krankenhaus bei aller Wahrung des Datenschutzes natürlich trotzdem die entsprechenden Unterlagen und Daten gibt", sagt Annelie Gogolla. Hier gibt es mehr Informationen.

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Abschließend führt sie aus: „Übergriffliche Erfahrungen unter Einfluss von K.O.-Tropfen sind häufig traumatisierend und mit Scham verbunden. Aber es ist wichtig zu verdeutlichen, dass es egal ist, ob man mit dem späteren Täter getanzt, geflirtet oder sich hat auf einen Drink einladen lassen. Das Opfer hat keine Schuld. Die Schuld liegt immer beim Täter."

| Autor: Julia Blesgen