
Fehlende Räder, Fahrpraxis und Corona-Pandemie als mögliche Gründe
Kinder müssen sicherer auf dem Fahrrad werden
Immer mehr Kinder in Deutschland haben Schwierigkeiten, sich sicher auf dem Fahrrad im Straßenverkehr zu bewegen. halloherne hat bei verschiedenen Stellen in Herne nachgefragt, wie es um das Fahrverhalten von Herner Kindern bestellt ist.
Im Gespräch mit halloherne berichtet Siegfried Klein von der Verkehrsunfallprävention der Polizei Bochum davon, dass es vereinzelt Fälle gibt, wo die Mobilität noch verbesserungswürdig sei: „Wir haben immer wieder Fälle, wo das Kind nicht in der Lage ist, sicher zu fahren. Ein Kollege hat auch davon berichtet, dass zur Radfahrprüfung immer noch Kinder mit Stützrädern an den Fahrrädern kommen. Diese können wir nicht zur Prüfung zulassen, da das Verletzungsrisiko zu groß ist, wenn die Kinder stürzen."
'Schlecht sitzende Helme oder keine Fahrräder'
Ebenso entscheiden sich die Verantwortlichen in Rücksprache mit den Lehrern auch dazu, Kinder, die zu unsicher fahren, nicht zur Prüfung zuzulassen. Zudem hätten viele Prüfungen durch die Pandemie ausfallen müssen. Ebenso bemerkt er, dass einige Kinder ohne Helm oder falsch sitzendem Helm beziehungsweise mit Fahrrädern, die nicht verkehrssicher sind, zur Prüfung kommen. „Ich hatte auch einen Fall, bei dem das Kind einen schlecht eingestellten Fahrradhelm hatte und es mir mit Tränen in den Augen erzählte, dass der Vater keine Lust hatte, ihm den Helm richtig einzustellen. Ich habe ihm dann natürlich geholfen, aber sowas macht einen betroffen."
Die Radfahrprüfung sei auch eine Veranstaltung für die Eltern. Sie sehen dort, wie sicher ihr Kind schon fahren kann und wo es Verbesserungsbedarf gibt. Denn für das Erlernen des sicheren Fahrradfahren seien immer noch die Eltern zuständig.
Einen ähnlichen Eindruck von der Fahrtüchtigkeit der Kinder hat auch Philipp Spitta, der sowohl in Herne als auch NRW-weit Ansprechpartner für die Verkehrserziehung und Mobilität ist: „Auch wir bemerken, dass Kinder immer schlechter Fahrrad fahren können. Durch die Pandemie war die Fahrradausbildung in den letzten zwei Jahren schwierig zu gestalten. Vieles durfte nicht stattfinden."
Auch berichtet er davon, dass einige Kinder aus etwas schwierigeren sozialen Schichten oftmals kein Fahrrad oder Helm hätten und in einigen Fällen die Unterstützung von zu Hause fehle. „Es ist aber wichtig, das differenzierter zu sehen. Es gibt Kinder, die können schon super und sicher fahren, aber auch Kinder, die noch erhebliche Schwierigkeiten haben", so Spitta.
Weiter führt er aus: „Ebenso ist dies bei den Eltern der Fall. Es gibt Eltern, die sind als Helfer bei den Prüfungen dabei. Es gibt aber auch Eltern, die nicht an den Prüfungen teilnehmen. Aber auch hier gilt es nicht zu verallgemeinern. Manche Eltern sind berufstätig und können sich nicht freinehmen oder bei anderen gibt es vielleicht aufgrund eines Fluchthintergrundes Sprachbarrieren. Natürlich gibt es aber auch vereinzelt Eltern, die kein Interesse an einer Teilnahme haben."
'Mobilität nur eine Fußnote'

Insgesamt, so sieht es Spitta müsse sich das gesamte soziale Gefüge verbessern: „Die Mobilität ist nur eine Fußnote von einem großen Thema. Die Corona-Pandemie hat noch einmal verstärkt gezeigt, dass sich neben der Digitalisierung, auch die soziale Infrastruktur verbessern muss. Viele Kinder wurden bildungstechnisch durch die Corona-Pandemie abgehängt. Auch hier ist Handlungsbedarf."
So müssten die Kommunen und auch das Land NRW mehr für die Kinder tun - auch im Straßenverkehr. Über 30.000 Kinder wurden im vergangenen Jahr bundesweit bei Verkehrsunfällen verletzt. 1/3 davon seien Radfahrer gewesen.
„Herne hat sich bereits an die Arbeit gemacht und will etwas verändern. Jedoch wäre es im Hinblick auf die Sicherheit der Kinder wünschenswert, wenn es in der Innenstadt ein Tempo-30-Limit gebe und vor Schulen und Kitas nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden dürfte", so Spitta weiter.
Auch wirtschaftliche Lage hat Einfluss

Auch Heinrich Hendricks, erster Vorsitzende der Verkehrswacht Wanne-Eickel, bemerkt, dass Kinder unsicherer auf dem Fahrrad unterwegs sind. Einer der Gründe sei auch die Corona-Situation: „Durch Corona ist in den letzten bald zwei Jahren vieles ausgefallen. Auch viele unserer Angebote konnten nicht stattfinden. Ebenso haben wir vermehrt Familien und Kinder mit Fluchtgeschichte in unserer Stadt. Sie müssen speziell geschult werden im Straßenverkehr. Dafür haben wir bei uns in der Verkehrswacht auch extra Angebote."
Ebenso habe es nach Hendricks Sicht auch wirtschaftliche Gründe, dass einige Kinder keine Räder haben. „Es ist der derzeitigen Lage geschuldet. Fahrräder kosten viel Geld. Besonders bei Kindern. Sie wachsen schnell und werden so zu groß für ihr Rad. Viele Menschen müssen ihr Geld zusammenhalten, da sie nicht wissen, wie sich die Corona-Situation noch entwickeln wird."
Hendricks hofft, dass sobald sich die Corona-Situation normalisiert hat, im nächsten Jahr wieder vermehrt Angebote stattfinden können, um die Kinder wieder sicherer auf dem Fahrrad zu machen. So wird es dann auch in der Jugendverkehrsschule verschiedene Angebote geben.