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Jahreshauptversammlung 2018 der Lehrer Gewerkschaft (2018) in der EFG.

JHV der Lehrer-Gewerkschaft

In der Gesamtschule Erich-Fried (EFG) fand am Dienstag (27.11.2018) die Jahreshauptversammlung (JHV) der Lehrer GEW - Stadtverband Herne - statt. Rund 50 Gewerkschafts-Mitglieder und weitere Gäste folgten der Einladung in den Saal der EFG in Holsterhausen. Die Themen an diesem Abend: Rückblick auf zahlreiche Aktionen und Aktivitäten der GEW und die großen und drängenden Sorgen und Nöte.

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Aus den Schilderungen ging durchgehend hervor, wie sehr die Kollegen an ihren Grenzen oder schon darüber hinaus angelangt sind. Ganz deutlich wurde, wie wenig die Maßnahmen aus der Landespolitik geeignet erscheinen, auch nur im Ansatz die Probleme und Herausforderungen angehen zu können, die sich tagtäglich allen Beteiligten stellen.Die GEW hat es geschafft, die verschiedenen Beteiligten im Zusammenhang mit der UWE- Studie (Umfeld, Wohlbefinden und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen), Beteiligte der EFG- SV- Umfrage unter Schülern zu ihrem Befinden, die Stadt Herne als Kommune und Lehrer und Schulsozialarbeiter an einen „Tisch“ zu bekommen und zu diskutieren, was an Maßnahmen in der derzeitig oft katastrophalen Schulsituation in Herne und NRW zukünftig zu tun ist.

Leiter des Zentrums für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) an der RUB, Professor Dr. Sören Petermann.

Der Leiter des Zentrums für interdisziplinäre Regionalforschung (ZEFIR) an der RUB, Professor Dr. Sören Petermann (in Vertretung des kurzfristig erkrankten Prof. Dr. Klaus Strohmeier), hat gemeinsam mit Katharina Yaltzis und Michaela Prijanto, die an der UWE- Studie in Herne beteiligt waren, einen kurzen Einblick in die UWE- Studie und die wichtigsten Ergebnisse gegeben. Die Studie untersuchte 2017 einen „Wohlbefindens- Index“ bei Kindern des 7. und 9. Jahrgangs aller Schulen in Herne. Dieser Index setzt sich aus 5 Skalen zusammen: Optimismus, Glück, Selbstwert, Abwesenheit von Traurigkeit und dem subjektiven Gesundheitszustand (also zum Beispiel: Schlaf, Ernährung). Folgende fünf stärkende Ressourcen für Kinder und Jugendliche führen – wenn sie gut ausgeprägt vorhanden sind – zu einem hohen Wohlbefinden:

  • regelmäßige Ernährung und guter Schlaf
  • positive Schulerfahrungen (z.B. respektvoller Umgang, kein Mobbing, …)
  • gute Beziehungen zu Erwachsenen (zu Hause, in der Schule, in der Nachbarschaft)
  • Beziehungen zu Gleichaltrigen (Gruppenzugehörigkeit, enge Freundschaften, …)
  • Freizeitaktivitäten (z.B. Organisierte Freizeitangebote zwischen Schulschluss und Abendessen)

Hohes Wohlbefinden korreliert stark mit dem Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen (die GEW ergänzt hier die Annahme: Fehlen die entsprechenden Voraussetzungen, sind Kinder und Jugendliche weitgehend gar nicht oder nur wenig dazu in der Lage, unterrichtlichen Dingen überhaupt ausreichend folgen zu können).

Das Team von Prof. Petermann erläuterte unter anderem als zentrales Ergebnis der Herner Studie, dass 53 Prozent der Kinder und Jugendlichen in die Gruppe mit niedrigem Wohlbefinden, 31 Prozent in die des mittleren und nur 16 Prozent in die des hohen Wohlbefindens einzuordnen sind. Damit sind die Ergebnisse nahezu umgekehrt zu denen in Kanada, wo die Studie landesweit seit vielen Jahren durchgeführt wird. Hinter den Zahlen aus Herne verbirgt sich zum Beispiel, dass ca. 28 Prozent der Kinder und Jugendlichen angeben, nie bis lediglich 2 mal pro Woche einen guten Schlaf zu haben oder dass Beziehungen zu Erwachsenen, zu Hause, in der Schule und in der Nachbarschaft bei allen Familienkonstellationen der Kinder nur in geringem Maße vorhanden sind. Diese Darstellungen decken sich in hohem Maße mit den Ergebnissen der EFG- Umfrage unter Schülern. Auf dieser Grundlage wurde in der folgenden Diskussion ganz deutlich, wie sehr die derzeitigen von der Schulpolitik priorisierten Maßnahmen, zum Beispiel die Digitalisierung von Schulen und die Schaffung eines neuen Schulfaches Wirtschaft (zudem überflüssig, da in der Praxis längst realisiert) nicht im Ansatz Antworten geben können auf die drängenden Fragen, die sich aus der Analyse der UWE- Untersuchung und der EFG- Umfrage unter Schülern ergeben. Die geschilderten Realitäten der Kinder und Jugendlichen sind tagtäglich in den Schulen vorzufinden.

Jahreshauptversammlung 2018 der Lehrer Gewerkschaft (2018) in der EFG.

Die Politik gibt aber vorwiegend Antworten, die völlig an diesen Realitäten vorbei gehen, erschreckend flach und eindimensional erscheinen und vor allem mit parteipolitischen bzw. ideologischen Erwägungen oder mit dem Bedienen eigener Wählerklientel zu begründen sind. Für die Stadt Herne stellt sich an dieser Stelle die Frage, welche Schlussfolgerungen sie aus den nun zur Verfügung stehenden Daten ziehen kann und will. Aus diesem Grund war für die Stadt Herne Herr Jan Schröder, der Leiter des Herner Bildungsbüros, anwesend, der die Überlegungen der Stadt diesbezüglich dargestellt hat. Demnach ist die Stadt Herne bemüht, Schulen vor Ort bei der Umsetzung von Maßnahmen zu begleiten. Diese sind unter anderem Begleitung von Schul- Workshops, Aufbau eines Monitoring- Systems und einer Präventionskette für Kinder und Jugendliche, Anstoß eines breiten Diskussionsprozesses sowie Aufbau eines Unterstützungsnetzwerkes. Deutlich wurde hier aber auch, dass mit kurzfristigen und weitgehenden Hilfen nicht zu rechnen ist, da in Herne als Pilotkommune gerade erst eine neue Sicht- und Steuerungsweise beginnt. Von den anwesenden Besuchern wurde betont, dass nach Jahren immer stärker an Leistungsoutput und Leistungsselektion orientierter Schulpolitik zwei Dinge dringendst zu fordern sind:

  • Eine neue Sichtweise auf Schulrealitäten, die völlig andere Steuerungsmaßnahmen und systemisch völlig andere Prioritäten erfordert, als dies zur Zeit der Fall ist. Zur Zeit besteht die größte Gefahr, dass das Schulsystem große Teile der Kinder und Jugendlichen, große Teile der beschäftigten Lehrer und am Ende auch mindestens Teile der gesamten derzeitigen Schullandschaft „gegen die Wand“ steuert.
  • Dringende Bereitstellung weitreichender Ressourcen: Lehrer und Schulen können unter den derzeitigen Gegebenheiten und unter den oben aufgezeigten Realitäten schlicht nicht leisten, was dringend zu tun wäre, um den Kindern und Jugendlichen Entwicklungswege zu öffnen, die bei jedem Kind angemessen zu Bildungs-, aber genauso auch zu LEBENSerfolg führen
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Die Politik steht in der Verantwortung, für die Kinder und Jugendlichen, für die Eltern und Lehrern und letztlich für die Gesellschaft von morgen und übermorgen die entsprechenden Weichen zu stellen und die erforderlichen Maßnahmen in Angriff zu nehmen.

| Quelle: Carsten Piechnik für die GEW Herne